Jedesmal wenn ich den Laden betrete, lese ich im Bereich der Einkaufskörbe „Fühlst du dich auch manchmal alleine, verlassen, im Stich gelassen?“ Diesen Worten kann ich einfach nicht widerstehen.
Unter diesem schwebenden Traktat stehen die Einkaufskörbe mit den
dunkelroten Herzen. Wer sie benützt, signalisiert die persönliche
Einsamkeit sowie den Wunsch nach Kontakt und Beziehung. Ich habe aus
Versehen auch schon mit einem solchen Herz-Korb eingekauft, bin aber
nicht angesprochen worden. Verständlich! Grossmütter werden keine
gesucht. Hier verkehren junge Menschen, auch viele Schüler. Sortiment
und Personal sind auf sie ausgerichtet. Das Durchschnittsalter dürfte 35
Jahre nicht überschreiten. Hier pulsiert die Zukunft. Wir befinden uns
im Trendquartier Zürich-West, im Haus „Puls 5“ neben der alten umfunktionierten Giessereihalle, wo das hipe Leben stattfinden kann.
Als ich zum Zahlen anstehe, fällt mir eine Frau auf, die deutlich
älter ist als jede Mitarbeiterin in diesem Laden. Sie trägt schon die
schwarze Bluse, die hier Uniform ist, jedoch noch ohne aufgesticktes
Firmenlogo. Offenbar wird sie in die Arbeit einer Kassiererin
eingeführt. Sie sieht überfordert aus. Ich kann mir gut vorstellen, wie
sie sich fühlt. Alles, was sie aufnehmen muss, zieht viel zu schnell an
ihr vorbei. Die junge Vorgesetzte ist ein Profi, arbeitet flink und
effizient, aber nicht einsichtig für uns, die wir zuschauen. Ich
zwinkere der Neuen zu und signalisiere, dass ich sie verstehe. Sie
lächelt. Ich sage auch: „Es geht schnell, nicht wahr?“ Sie
scheint erleichtert, dass das jemand bemerkt. Jetzt weist mich aber die
Verantwortliche zurecht. Sie hätten später Zeit, Details langsam
anzugehen. Und ich rechtfertige mich: „Es war kein Vorwurf, nur
Mitgefühl.“
Auf dem Heimweg treffe ich auf ein Plakat mit der Foto des Dalai Lama
und dem Hinweis auf die bald stattfindenden Unterweisungen, die er in
Zürich halten wird. Das Thema: „Mitgefühl, Quelle des Glücks“.
Mein Thema von vorhin. Aber nicht alle waren glücklich dabei. Ja,
ich hätte auch Mitgefühl für die erfahrene Kassiererin entwickeln
müssen, denn es war Pausenzeit und viele Schüler mussten im Eiltempo
bedient werden.
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