Sonntag, 24. Februar 2008

Ein knapp sechsjähriges Mädchen denkt über Liebe nach

Bei uns klingt der „Valentinstag 2008“ noch nach. Er ist vergangen und doch lebendig geblieben. Er hat uns 2 interessante Bilder beschert. Mena hat die Grosseltern gezeichnet. Nackt.
 
Das ist Mena, dachte ich dazu. Sie gibt sich nicht mit dem Äusseren zufrieden. Sie will allem auf den Grund gehen. Mann und Frau sind sofort erkennbar. Die Brust des Grossvaters ist mit 2 Punkten markiert, die meine mit 2 Kreisen und Punkten. Es folgen das Herz, der Bauchnabel und die Geschlechtsteile, wie sie zu uns gehören. Die Gesichter sind fröhlich. Gropi ist eine Spur verschmitzter dargestellt als ich. So nimmt sie uns wahr und so ist es. Das grosse Herz des Grossvaters entspricht ebenfalls der Realität. Zu beiden Zeichnungen gehört auch noch das Wort LIEBE und ST-VALENTIN.
 
Der an uns beide adressierte Briefumschlag war mit 2 leuchtend roten Herzen versehen.
 
Als ich unsere Freude über diese Post nach Paris meldete, antwortete unsere Tochter Felicitas, dass „Saint Valentin“ für Mena ein grosses Thema geworden sei. Hinweise in Schaufenstern von Blumengeschäften und Konditoreien werden ihr aufgefallen sein. Ich vermute, dass auch in der Schule (Ecole maternelle) darüber gesprochen worden ist. Mena habe Mamas Aussage, Saint Valentin sei der Tag der Liebe, korrigiert: „C’est le jour des amoureux.“ (Es sei der Tag der Verliebten.)
 
Weiter wurde in diesem Antwort-Mail berichtet, sie hätten viel über die Liebe gesprochen und was es ausmache, dass wir einander gern haben. Mena kam dann zum Fazit, dass es nicht Kleider sind, die schön machen, sondern das Herz. Deshalb ihre Idee, uns nackt und mit grossem Herzen zu zeichnen.
 
Und nochmals wurde bestätigt, es sei Menas eigene Idee gewesen, uns mit diesen Zeichnungen eine Freude zu machen.
 
Und jetzt, bald 2 Wochen danach, als ich diese Abbildungen wieder hervornehme, finde ich auf der Rückseite einen Hinweis, der uns vorher entgangen war. Mena hatte neben dem gross geschriebenen Namen „Gropi“ eine zu ihm passende Fläche gezeichnet und diese schraffiert. Wir haben diese nicht besonders gewichtet. Nun erfahren wir, dass dies kein Gekritzel sei. Es sei das Sofa, auf dem Gropi jeweils schlief, weil er ihr anlässlich der Ferien bei uns das eigene Bett überlassen hatte.
 
So leicht nachvollziehbar kann nur ein Kind seine Erfahrungen, Gedanken und die daraus gezogenen Schlüsse verständlich machen.

Donnerstag, 21. Februar 2008

Eine Wohnung verlieren, eine neue suchen und finden

Wir haben eine neue, schöne Wohnung an einem uns sympathischen Ort gefunden!
 
Der Zufall hat wieder gespielt, wie ich es im Blog vom 31.01.2008 beschrieben und zum damaligen Zeitpunkt auch erhofft hatte. Bekannte von Bekannten suchten einen Nachmieter und wurden auf uns verwiesen. Und wir passten, zur grossen Überraschung, zu den Vorstellungen der Vermieter.
 
Es war, wie wenn uns ein stark brausender Wind an ein vorbereitetes Domizil getragen hätte. Alles vollzog sich sehr schnell. Nach und nach begreife ich unser Glück.
 
Da wir uns auf eine langfädige Suche eingestellt hatten, notierte ich mir alle Vorstösse, damit ich diese unserem bisherigen Vermieter hätte vorweisen können, wenn wir erfolglos geblieben wären. Nun bin ich erstaunt, dass das dicke Notizbuch noch sehr viele unbeschriebene Seiten hat.
 
Da ist ein erster Besuch bei Bekannten in der soeben bezogenen Alterswohnung in der Siedlung „Letten“ notiert. („Wohnen im Alter“, eine städtische Einrichtung). Diesen erlebte ich fortan als prägenden Erstlingseindruck und Mass für alle später angebotenen Räume, denn es war meine Traumwohnung. (Ich bin sehr erstaunt, dass wir diese nun an einem weit entlegenen Ort auf leicht abgeänderte Art gefunden haben.)
 
Wir meldeten uns dann selbst bei „Wohnen im Alter“ an, aber auch bei verschiedenen Genossenschaften. Dann durfte ich eine Wohnung in einem jener zitronen- und orangenfarbenen Häuser anschauen, die bei einer Ausfahrt aus dem Zürcher Hauptbahnhof markant sichtbar sind. Eine solche empfehle ich jedem Eisenbahn-Fan. Eine Nachbarin, in der Spitex tätig (ein Hausbetreuungsdienst für Alters- und Krankenpflege), anerbot sich, mir immer dann anzurufen, wenn sie auf demnächst leere Wohnungen stosse. Durch ihre Arbeit sah sie manchen Umzug voraus. Und ich eilte auf alle Hinweise – wie der Blitz – an die entsprechenden Orte. Mein Velo fuhr mich in entlegene, mir bis dahin unbekannte Stadkreise. Und immer fand ich auch Grünflächen und Bäume, die mir wichtig sind. Aber die richtige Wohnung war auf diesem Weg für uns nicht zu finden. Einmal war die Wohnung zu klein oder eine grössere zu teuer. Und bei den Genossenschaften wurden wir informiert, dass manchmal ein ganzes Jahr lang keine Auszüge stattfänden. Eine Liegenschaftsverwalterin sagte mir kurz und bündig: „Wenn sie pro Monat 2000 Franken bezahlen können, ist es kein Problem, eine Wohnung zu finden.“
 
Später animierte mich dann unsere Tochter Letizia zur konsequenten Suche im Internet. Sie setzte sich an den Computer und druckte Angebote aus. Unsere Tempi stimmten nicht überein. Ich kam kaum nach mit Lesen. Begeisterung und Ernüchterung folgten sich. Eine Achterbahn der Gefühle. In jenem Moment dachte ich, die Wohnungssuche würde mich überfordern. Da gönnten wir uns Ruhe und überlegten auch, ein Institut mit der Suche zu betrauen. Und taten es dann doch nicht.
 
Eine Freundin putzte diese Idee so konsequent ab, dass ich schockiert war. Sie kannte uns zu gut als eigenständige und wie sie betonte, für eine solche Aufgabe fähige Leute. Aha. Manchmal ist eine Belehrung von aussen, auch wenn sie im ersten Augenblick kaltschnäuzig ist, doch hilfreich.
 
Dann pendelte sich die Suche tropfenweise ein. Das Such-Abonnement im Internet brachte die neuesten Angebote und überforderte mich nicht mehr. Mittlerweile hatten sich für uns Kriterien herausgebildet, die mir halfen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Primo überliess mir die Suche, liess sich aber zu Besichtigungen aufrufen. Das war spannend und schärfte nach und nach den Blick für das, was uns wichtig ist. Wir grenzten weit entfernte Angebote aus. Wir wünschten uns Orte, die Velo-tauglich, also nicht am Berg angesiedelt sind. Und einen solchen haben wir dann tatsächlich gefunden.
 
Im Buch habe ich auch Ratschläge und Reaktionen aus dem Freundeskreis notiert:
 
Nach der Kündigung: „Du musst jetzt sofort mit Räumen beginnen, alle Dinge fortwerfen, die du schon lange nicht mehr gebraucht hast.“ Dies sagte eine Frau, die über 80 ist und immer noch in jenem Haus lebt, in das sie als 4-jähriges Kind mit ihren Eltern eingezogen ist.
 
Es gab da eine Phase, in der ich mir überlegte, meinen Bücherschatz zu durchforsten und zu lichten. Als ich jedoch das erste Buch zur Hand nahm und seinen Wert erkannte, beschloss ich zu warten und erst zu handeln, wenn ich die neuen Platzverhältnisse kenne. Jetzt weiss ich, dass ich kein Buch fortwerfen muss.
 
Ein anderer Rat, der obige Einsicht bestätigt, lautete: „Auf keinen Fall übereilt handeln."
 
Dann begannen Gespräche oft mit der Frage: „Habt ihr eine Wohnung in Aussicht?“ „Kannst du noch schlafen?“ Oder „Ich beneide dich nicht.“ Dies sagten Leute, die selber sehr lange suchen mussten. Zudem wird in Zürich seit Monaten von einem ausgetrockneten Wohnungsmarkt gesprochen, obwohl sehr viel gebaut worden ist. Auf diesem Hintergrund wird auch die witzige Aussage meines Bruders Georg verständlich. Er hatte gerade erfahren, dass wir eine Wohnung an der Eugen-Huber-Strasse mieten können und schrieb uns: „Da denke ich gerade: Besser an die Strasse des ,Schöpfers des Zivilgesetzbuches’ zu ziehen, als im Zivilgesetzbuch nachschlagen zu müssen, wie eine Mietfristerstreckung erreicht werden kann ..." ;-)
 
Einmal habe ich auch einen Grossandrang für eine Wohnungsbesichtigung erlebt. Es war eine dichte Menschenschlange, die sich durch die Haustür in den 1. Stock gebildet hatte. Und oben auf dem kleinen Balkon erschien, gerade als ich dort ankam, der vorderste der Bewerber mit dem Formular in der Hand. Er schaute aus und schien nicht viel wahrzunehmen. Geduldig warteten alle. Und stetig kamen jene wieder auf die Strasse, die oben waren. Ich schaute da etwas zu, ohne mich anzuschliessen, denn für mich war sofort klar: Hier fühlen sich junge Leute wohl. Einer oder einem von ihnen gehört die Wohnung, nicht mir.
 
Als Verwandte aus dem Kanton Schaffhausen von der Kündigung hörten, empörten sie sich, ohne den Grund genau zu kennen. Sie nahmen an, die ganze Bernoulli-Siedlung würde zu Gunsten eines gigantischen Neubaus niedergewalzt. So denkt man aus der Ferne über Zürich!
 
Und jetzt, auch in der Zeit der Freude, werde ich gewarnt. „Nirgends ist nur eitel Sonnenschein.“
 
Von Mena, meiner bald 6-jährigen Enkelin, habe ich aber aus Paris ein anderes Signal erhalten. Ich sandte ihr Fotos vom neuen Zuhause, in das wir in ein paar Wochen einziehen werden. Erste Bilder der Umgebung. Es war da auch eine Foto einer alten Weide dabei, auf der 4 Raben hocken und in verschiedene Richtungen ausschauen. Als sie diese sah, soll sie spontan gesagt haben: „Die beschützen Grosy und Gropi (die Grosseltern).“

Sonntag, 10. Februar 2008

An der Schipfe in Zürich: Ein verhüllter Baum rüttelt uns auf

Gerne möchte ich dabei sein, wenn dem Baum an der Schipfe der luftige Überwurf abgenommen wird. Seit bald einem Monat trägt er ihn und mahnt uns, die anstehenden Probleme zu lösen. Am ersten Tag sah es aus, als würde hier Hochzeit gehalten und der Baum trüge ein Brautkleid. Das leichte Fischernetz-Gewebe bewegte sich anmutig im Wind. Seine Aufgabe ist aber eine andere. Sie muss die Luftverschmutzung auffangen und sichtbar machen.
 
Es sind der VCS (Verkehrsclub der Schweiz, ein Umweltverband) und die Krebsliga, die hinter dieser Aktion stehen und Massnahmen zur Verbesserung der Luftqualität fordern. Sie fordern zum Beispiel ein Filterobligatorium gegen den Dieselruss (Siehe auch www.pm10.ch).
 
„Ich bin auch eine Lunge“ heisst es auf einem textilen Plakat, das neben dem verhüllten Baum hängt. Bäume sind Lungen einer Stadt. Wir können sie nicht genug hegen und schützen. Und sie wiederum sorgen sich um die Lungen der Menschen.
 
Wenn ich richtig gerechnet habe, besuchte ich den Baum heute morgen am 29. Tag seiner Verhüllung. Ich wollte den Zustand seines Umhangs sehen. In der Erinnerung wirkte er am 1. Tag noch in natürlichem Weiss. Und heute? Etwas dumpf geworden, aber nicht wirklich grau. Es fehlte mir der Vergleich. Es fehlte mir ein Stück unberührten Stoffs aus der gleichen Fabrikation. Darum wäre es spannend, am Ende der Aktion den noch frischen und den gebrauchten Stoff nebeneinander liegen zu sehen. Diese Stoffe sollen dann nach Abbruch der Installation den Behörden übergeben werden.
 
Ich hatte eine markanter sichtbare Verschmutzung erwartet. Ja klar, der Standort des gewählten Baums ist auch eher komfortabel. Am Flussufer, im Fussgängerbereich, nicht an einer stark befahrenen Strasse. Hier ist es beschaulich. Wie sähe der Stoff wohl aus, wenn er an der Weststrasse, der Zufahrtsstrasse zur Autobahn, hinge? Dort bekommt man allein vom Anblick der verrussten Hausfassaden schon Hustenanfälle.
 
Die dichter gewobene Stofffahne mit dem Text „Ich bin auch eine Lunge“ empfand ich eher schmuddelig, wie wir hier in unserer Umgangssprache sagen. Etwas schmierig, unappetitlich. Ihr Gewebe ist nicht durchlässig.
 
Dieser Augenschein zeigt, wie sich Verschmutzung einnistet. Sie kommt schleichend, beinahe unsichtbar, aber stetig. Erst wenn sie Krankheiten auslöst, wird sie thematisiert und auch dann noch nicht immer von allen Verschmutzern für wahr gehalten.
 
Übrigens: Die Schipfe mit ihren Altstadthäusern in Zürich ist wegen der Kater-Jacob-Geschichten weltbekannt. Hier lebte Sven Hartmann, der die Abenteuer dieser quirligen Katze zeichnete und noch immer zeichnet. Immer wieder einmal sind an diesem Ort Touristen aus fernsten Ländern anzutreffen, wie sie das Revier von Jacob nach den Giebeln und Dächern absuchen. Auf www.kater-jacob.de ist manches darüber zu erfahren. Viel Vergnügen!