Mittwoch, 23. Dezember 2015

Die kleine Tanne, der Christbaum, Wohnorte mit Namen Wald und das Stille-Nacht-Schnarchkissen

Die kleine Tanne
Als unsere Töchter noch bei uns lebten, entdeckte Felicitas, damals Sekundarschülerin, auf einem gemeinsamen Spaziergang an einem Waldrand ein kleines Tännchen. Wie eine Miniatur. Sie grub es aus und setzte es in einen Tontopf. Diesen stellte sie im Garten an einen geeigneten Platz. Der kleine Baum wuchs bedächtig. Zu Weihnachten wurde er regelmässig ins Haus getragen.

Schwierig empfand ich jeweils nach den Feiertagen, den richtigen Augenblick zu erhaschen, um den Topf wieder ins Freie zu bringen. Die Pflanze, die über die Feiertage von Zimmerwärme umgeben war, sollte ob tiefen Aussentemperaturen nicht erschrecken.

Felicitas nahm diesen Baum nicht mit, als sie von Zuhause wegzog. Er gehörte schon längst zur Familie. Wohl schenkten wir ihm noch Zuneigung, doch geschmückt wurde er nie mehr.

Eines Tages bemerkte ich, dass die Wurzel den Topf gesprengt hatte. Wir sagen im Dialekt
S hät en verjagt
. Zur selben Zeit vernahmen wir von Felicitas, dass sie nach Canada auswandern werde. Ich vermute, dass sie die Schweiz damals genau so empfunden hatte, wie das Bäumchen den Topf. So interpretierten wir den Befund und versetzten die kleine Tanne ins Erdreich eines Wäldchens, weit weg von uns. Hier konnte es sich besser entfalten.

Der Baum, der Christbaum wird
Am vergangenen Sonntag benützten Letizia und Primo die Gelegenheit, den diesjährigen Familien-Christbaum aus dem Forstgarten Albisgüetli selber zu schneiden. Grün Stadt Zürich (Departement für den Bau und die Pflege sämtlicher städtischer Grünflächen) lud an diesem Tag dazu ein. Auf einem begrenzten Feld durften Bäume ausgesucht und eigenhändig geschnitten werden. Mustergültig die Organisation. Moderat die Preise. Allseitige Begeisterung. Beachtlicher Aufmarsch von Familien mit Kindern. Gute Stimmung am Ort. So wurde ich informiert.

Den Baum für unsere diesjährige gemeinsame Weihnacht habe ich erst auf einer Foto gesehen. Ich erwarte das Weihnachtsfest mit einer wohltuenden Entspanntheit. Bin nicht mehr für alles verantwortlich.

Vielleicht wirkt auch schon das Geschenk von Felicitas:
Das Stille-Nacht-Schnarchkissen aus Oesterreich.

So wird es beschrieben:

Diese wohlriechende Duftkombination sorgt für einen tiefen und entspannten Schlaf und setzt die Pulsfrequenz runter. Die Inhaltsstoffe sorgen für freie Atemwege. Am Besten unters Kopfkissen legen oder direkt darauf schlafen.

In der Sprache der Herkunft* dieses wertvollen Geschenks tönt es so:
Stille-Nocht-Schnorchpoista
Va den guadn Gschmoch schlofst gonz bessa,
s'Heaschz weaschd schtada und s'schnaufn geht
a leichta. An Bestn untan Poista legn, mogst owa a glei drauf schlofn.

Diese Geschichte ist zu schön, um Felicitas gegenüber zu verheimlichen, dass ich ihr Paket, das dieser Tage in Zürich angekommen ist, schon geöffnet habe. Ich vermutete, der Inhalt könnte mir eine kleine Geschichte fürs Blog-Archiv bereit halten.

Was mich auch berührte, ist der Ort Wald im österreichischen Pinzgau. Ich selbst stamme auch von einem Ort mit diesem Namen. Der meine: Wald im Kanton Zürich. Beide Orte tragen in ihrem Wappen 3 Tannen. In jenem von Wald im Pinzgau verweisen zusätzlich drei goldene Kugeln auf den Kirchenpatron Sankt Nikolaus.

Es freut mich, dass der Nikolaus in meinen diesjährigen weihnächtlichen Gedanken auch dabei ist.

* Adresse für Gebrauchsartikel mit Tradition:
www.gipfelrausch.at

Sonntag, 13. Dezember 2015

Vom Papierstern über schmutzige Fenster
zum Licht und zu Farben

Besuch bei der Tochter Letizia. Ich bringe ihr unseren Christbaumständer. Sie wird für die Familie den Weihnachtsabend gestalten. Primo hat von der Stafette gesprochen, dass er ihr diese Aufgabe jetzt übergebe. Sie freut sich. Und wünschte sofort, dass auch die wenigen Christbaumkugeln aus dem Nachlass ihres Grossvaters zu dieser Übergabe gehören.

Wir sitzen eine Weile zusammen und sie fragt mich, ob mein Zuhause schon weihnächtlich geschmückt sei. Sie könnte uns einen aussergewöhnlichen Stern herstellen. In wenigen Minuten. Ja gern!

Einer in Deutschland gekauften Packung mit Papiertüten für Sandwichs entnahm sie 7 Stück, und zauberte nach einer Anleitung aus dem Internet im Nu einen Papierstern. Hier der Link zur Anleitung: www.vimeo.com/148355957

Erstaunlich wie wenige Bedingungen erfüllt werden müssen, um ein solches Kunstwerk zu erschaffen. Als Zuschauerin wirkte diese Aktion wie ein Jahrmarktzauber. Gern nahm ich den Stern entgegen. Mit wenigen Handgriffen konnte er in die Ausgangslage zurückgefaltet werden. Unverletzt brachte ich ihn heim. Und dort gelang es auch mir, ihn aufzufalten.

Da hängt nun das zarte Gebilde am Fenster im Stübli, wie wir unser kleines Esszimmer nennen. Ich beobachte, wie es auf Feuchtigkeit und Wärme und wahrscheinlich auch auf uns und unsere Bewegungen reagiert. Es scheint zu atmen, ist auf seine Art lebendig.

Tags darauf, am Sonntagmorgen, sassen wir länger als an Werktagen üblich am Frühstückstisch. Wir hörten Radio. Dazu schaute ich beinahe pausenlos zum Stern am Fenster, bis der Blick auf einmal zu den schmutzigen Fensterscheiben wechselte.
Auf einmal sah ich nicht mehr nur den dreidimensionalen Stern, sondern auch Staub und Schmutz auf dem Glas. Der tiefe Sonnenstand warf eine Zeit lang fadengerade Strahlen auf unsere Fensterscheiben. Oh je! Wie schmutzig diese geworden sind. Sie hätten es nötig, gründlich gereinigt zu werden. Ganz besonders jetzt vor Weihnachten. An diesem Morgen interessierte mich aber nur noch, was am Glas hängen geblieben sein mag. Primo zählte sofort auf: Feinstaubige Erde, vom Wind überwirbelter Wiesen und Felder, von zersetzten Baumblättern, Pollen von Pflanzen, Russ von Kaminen, von Autoabgasen, Abrieb von Pneus, Abrieb von Asphalt. Alle zu kleinsten Partikeln zerfallen.

Wie ich so dasass und weiter zu den Fenstern schaute, vollzog sich noch eine eindrückliche Schau, eine Demonstration von vorbeiziehenden Staubpartikeln. Im Gegenlicht zeigten sie sich mir als kleine Schäumchen. Von der Luft getragen schwebten sie tanzend an mir vorbei.
Eine berührende Lektion.

Und dann noch die Zugabe. Plötzlich fiel mir auf, dass Kratzer im alten Glas ebenfalls von der Sonne angestrahlt wurden und als Finale meiner Beobachtungen noch prismatische Farben um sich warfen.
Über das Prisma am Fenster wirft das Sonnenlicht die Regenbogenfarben auf die gegenüberliegende Wand.
Und das alles am 13. Dezember, dem Namenstag von Santa Lucia, der heiligen Lucia. Ihr Name bedeutet die Lichtvolle. Die junge Frau, die diese Figur verkörpern darf, trägt eine Lichter-Krone. Ihr Fest entstand in Schweden, strahlt aber in andere Länder aus. In Zürich werden wir jedes Jahr auf sie aufmerksam. Die hier lebenden Schweden feiern ihre Lucia und bringen sie uns näher. Ein sympathisches Fest. Meine Familie war auch schon dabei.