Donnerstag, 15. November 2012

17 Personen brachten Schätze ins Ortsmuseum Höngg

Die Ausstellung unter dem Titel Kunst und Objekte des Handwerks kann als Vorläuferin von den Weihnachtsmärkten verstanden werden. Noch ohne Flitter und Glitzer präsentierten Künstler und Handwerker am Wochenende vom 10./11.11.2012 ihre Eigenkreationen im historischen Haus zum Kranz in Höngg ZH. Zu bewundern gab es Keramik, Mineralien-Schmuck, Textiles, Glas-Kunsthandwerk, Bilder, Porzellan, Holz, Töpferei, Leder, Pelzfiguren, Handfilz-Hüte, Edelstein-Schmuck, Kerzen, Stoffwerke und gebrannte Mandeln.




Höhepunkt für mich: Walter Pfenninger, einer der 5 Zeichner, welche die Globi-Abenteuer illustrieren, war anwesend und brachte sein neuestes Werk mit: „Backen mit Globi“ (60 Rezepte salzig und süss. Aus allen Regionen der Schweiz.) Ein Kinderbuch? So wird es genannt und ist doch eines für alle, die ihre Backkünste verfeinern wollen. Mit Globi als Lehrling bei Bäckermeister Imfang können wir über die Bildergeschichten seiner Ausbildung folgen. Und miterleben, wo die handwerklichen Tücken sind und wie sie gemeistert werden. Auch die professionellen Werkzeuge sind dargestellt. So sollten alle Rezeptbücher daherkommen! Zeichnungen erklären detailreicher als Worte allein. Wie auch schon in einem meiner Beiträge erwähnt, ist Globi ein liebenswürdiger Kerl, ein Fabelwesen und die erfolgreichste Kinderbuchfigur der Schweiz. Das erwähnte Buch ist nun das 83. www.globi.ch

Mit Letizia zusammen habe ich dieses Rezept- und Geschichtenbuch Seite um Seite angeschaut. Wir bewundern das Fachwissen des Zeichners und seinen feinen, persönlichen Schalk, den er mit Globi teilt und aufblitzen lässt.

Primos Arbeiten wurden auf dem Dachboden vorgestellt. Intarsienkunst mit verschieden farbigen Hölzern. Entstanden aus Abschnitten von grossen Möbelschreinerarbeiten. Spielerisch zu ungegenständlichen Bildern zusammengefügt. Als Bildplatten, Kuchenplatten, Gläseruntersetzer und Dekorationselemente.

Bleistifte und Farbstifte aus Baum- oder Strauchästen, denen er eine Miene eingepflanzt hatte, wurden als Humorbeitrag gut verstanden. Über sie kamen mein Mann und ich mit den Besuchern sofort ins Gespräch.



Kein Ausstellungsteilnehmer wird an diesen beiden Tagen grossen Umsatz verbucht haben. Alle Märkte scheinen übersättigt zu sein. Zudem wird gespart, und das Handwerk ist ohnehin ein Auslaufmodell.

Noch einmal stand es hier im Mittelpunkt. Man trauert ihm nach, weiss aber, dass es nicht mehr rentabel betrieben werden kann. Und in manchen Belangen ist es überflüssig geworden. Ein gewisses Heimweh nach ihm war spürbar. In verschiedenen Gesprächen weckten der Ort und die Schätze der Ausstellenden weit zurückliegende Erfahrungen. Besonders in unserem Bereich mit Holz und in einem Museumsraum mit der Werkbank und den Werkzeugen des Küfers. Dadurch war man rasch in die eigene Jugend zurückversetzt.

Dass Vater oder Grossvater es zuliessen, dass Kinder erste handwerkliche Erfahrungen machen konnten, bedeutet ihnen viel. Dass sie im Umfeld der Grossen mitschaffen durften, machte sie stolz. Sie durften hämmern, sägen und in den Hobelspänen wühlen. So redeten Männer und Frauen aus meiner Generation.

Die ruhige Präsenzzeit nützten wir Ausstellende für Gespräche. Wir kannten einander nicht, hörten hier manche Lebensgeschichte und Schicksalsschläge beruflicher Art. Alles ganz ungezwungen, schlicht, ehrlich und demzufolge echt. 2 Tage genügten, um sich auf ein zufälliges Wiedersehen zu freuen.

Etliche Besucherinnen oder Besucher klagten über Schwindel, als sie bei uns oben ankamen. Der schräge Dachboden und das ungewohnt rudimentäre Gebälk irritierten. Die unbewusste Raumorientierung funktionierte plötzlich nicht mehr. Kein Wunder! Das Haus zum Kranz besteht seit 1506.

Am Tisch in der Grossmannstube rückten wir abwechslungsweise zusammen und löffelten eine Suppe oder tranken Kaffee. 2 fürsorgliche Frauen sorgten für Wärme und Gemütlichkeit. Ob die Wärme aus dem alten Kachelofen strömte, habe ich nicht überprüft. Hier war es einfach angenehm warm. Gewiss auch darum, weil wir mit unseren Gesprächen und den dazugehörigen Gesten selbst Wärme erzeugten.

Während unser Ausstellungsnachbar in den letzten 5 Ausstellungs-Minuten noch ein Bild verkaufen konnte, packten wir die verbliebenen Schätze wieder ein und rüsteten uns für den Heimweg. Im Militärrucksack fanden die meisten den entsprechenden Platz. Primo freute sich speziell, wie sich dieser immer noch als anpassungsfähiger Freund an seinen Rücken schmiegt.

Sonntag, 11. November 2012

Wo wir mit Menschen und Emotionen zusammentreffen

In war noch allein im Wartzimmer, als ein Mann eintraf, seinen Rucksack auf einen Stuhl fallen liess und wieder hinausging – Hoppla! Ich erwachte sofort aus meinem dösenden Wartezustand. Wahrgenommen hatte ich nur die polternden Schritte. Die Person sah ich noch nicht. Ob da ein Mann aus den Bergen angekommen war?

Kurz danach kam er erneut ins Wartzimmer. In feines Tuch gekleidet und in schweren, offensichtlich massgeschneiderten Schuhen gehend, erschien mir da eine starke Persönlichkeit. Mit einem Auftritt wie auf einer Bühne. Er trug eine markante Corbusier-Brille, setzt offenbar überall auf saubere Form und Qualität. Er ging zur Fensterfront hin, kam zurück, sprach mich an. Ob er den Vorhang zur Seite schieben dürfe, ob das Licht meine Augen nicht störe. Er wolle die Sicht in die Weite prüfen. Ich hatte nichts dagegen, als er auch das Fenster öffnen wollte. Erst jetzt bemerkte ich, dass er keine normale Brille, sondern jenes metallene Brillengestell aus dem Untersuchungsapparat trug, das für den Aufbau eines Brillenrezeptes benützt wird. Für meinen Fall wickelte sich seinerzeit alles sitzend ab.

Dann sprach der Mann einerseits vor sich hin, aber auch zu mir, dass es ihm zu schaffen mache, dass er nun eine Brille benötige. Eine, die ihm zur klaren Sicht in die Weite verhelfe. Also eine, die er nun bis ans Lebensende immer tragen müsse. Nicht mehr nur eine Lesebrille. Er zeigte mir mit einer Geste den Raum, in dem er Geschriebenes noch lesen könne. Dann erzählte er mir, wie viele farbige Lesebrillen er besitze.

In diesem Mann erkannte ich ein Temperament, das ich sofort verstand. Ein ähnliches lebt auch in mir. Wenn Zwängen nicht ausgewichen werden kann, baut sich im Innern ein beängstigender Druck auf, den ich in diesem Augenblick mitfühlte. Es verjagte ihn beinahe, empfand ich. Ich konnte aber nichts mehr dazu sagen, denn die Ärztin stand unter der Tür und rief: Frau Lorenzetti!

Am Abend berichtete ich beim Essen von diesem Erlebnis. Ich schilderte den Mann, den ich weiter nicht kannte und verglich ihn mit einem Kunden, für den Primo vor etwa 30 Jahren ein exklusives Möbel herstellen durfte.

Hin und wieder dachte ich noch an ihn, besonders in jenem Augenblick, als bei mir ein zu hoher Augendruck festgestellt wurde und für mich plötzlich auch Zwänge anstanden. Da habe ich mich ähnlich verhalten und Widerstand markiert. Und bin dann später doch der Vernunft gefolgt.

Nach ein paar Monaten sass ich mit Primo in einem Gasthaus, als ein Mann in Begleitung anderer hier eintrat und entfernt von uns Platz nahm. Primo sass mit dem Rücken zu ihm, sah ihn nicht. Kurz musterte ich ihn und er auch mich. Beide mögen sich in diesem Augenblick gefragt haben: Wer ist das? Die oder den kenne ich doch. Könnte es jener Mann aus dem Wartzimmer sein, fragte ich mich. Eigenartig, wie in solchen Situationen eine Art Lampe im eigenen Inneren aufleuchtet und die Frage erhellt.

Als wir gegessen hatten und bevor wir das Lokal verliessen, schauten wir einander nochmals an und dann sagte er unverhofft zu Primo: Sali!

Und in diesem Augenblick waren alle Fragen beantwortet. Er war derjenige, mit dem er verglichen worden war.