Freitag, 22. Dezember 2006

Heiterer denn je: Glückwunschkarten als Zeitdokumente

Unter den persönlichen Weihnachtsbräuchen nehmen die Glückwünsche zu Weihnachten und Neujahr immer noch eine dominante Stellung ein. Das war schon in meinem Elternhaus so, auch wenn dort die Auflage der Kärtchen in Visitenkarten-Grösse viel kleiner ausfiel.

Damals wohnten wir noch im Zürcher Oberland. Dort besuchte die Vertreterin einer Druckerei die Familien und zeigte Anfang Dezember jeweils die neue Karten-Kollektion. Immer war das für mich ein emotionaler Moment, wenn sie ihr schwarzes Album durchblätterte und die verschiedenen Karten zeigte. Es waren Hufeisen und Marienkäfer, Kaminfeger, aber auch Glocken und Kapellen, die mir grossen Eindruck machten. Die Eltern wählten dann ein ihnen zusagendes Sujet, und der Drucker setzte unseren Namen dazu. Leider besitze ich kein solches Kärtchen aus dieser längst vergangenen Zeit, doch die inneren Augen können es immer noch sehen.

Primo und ich gestalten jedes Jahr eine eigene Glückwunschkarte. Er ist für das Bild, oft ein Holzschnitt, zuständig, und ich schreibe den Text. Sobald der Drucker die fertige Karte ins Haus geliefert hat, beginnt für mich die Weihnachtszeit. Einpacken, ausgewählte Briefmarken aufkleben und die Menschen, für die meine Post bestimmt ist, an mir vorbeiziehen sehen. Das beflügelt mich. Und da wir nicht allein sind mit dieser Tradition, erreichen auch uns Glückwünsche aus aller Welt. Dieser Brauch, einander schriftlich Glück und Segen zu wünschen, hält viele Kontakte wach. Und er ist Ausdruck unserer Kultur.

Seit 45 Jahren sammle ich diese Karten und Glückwunschbriefe. Es sind bereits 2 Truhen im Format alter Wäschetruhen gefüllt. Meine Töchter haben mir versprochen, die Sammlung nach meinem Tod weiterzuführen und sie dann einmal einem Museum zu übergeben.

Eine solche Sammlung ist selbstverständlich in erster Linie ein emotionaler Wert für mich. Sie drückt die Verbundenheit mit nahestehenden und befreundeten Menschen aus, die ebenfalls Weihnachten feiern und einem neuen Kalenderjahr Glückwünsche vorausschicken wollen.

Darüber hinaus kann die Sammlung für Aussenstehende als ein Zeitdokument betrachtet werden. Je älter sie wird, desto besser kann sie darstellen, mit welchen Illustrationen wir unsere Wünsche ausdrückten und was uns die beiden Feste am Jahresende bedeuteten.

Vom handwerklichen und drucktechnischen Standpunkt aus wird der Blick auf Papierqualitäten, Farben, Lackierungen, Gold und Silber fallen. Mir fällt auf, dass die Farben heiterer geworden sind. Es gibt Holz- und Linolschnitte zu finden, ebenso Karten mit Fadengrafik, die eine Zeit lang in Mode war. Und immer gibt es aus der Fülle eines Jahres eine Karte oder eine Aussage, die herausragt und einen eine Zeit lang begleitet. Mehr und mehr treten Glückwunschkarten von Hilfswerken auf. Diese haben Doppelfunktion. Sie bringen Festtagsgrüsse und der Erlös ihres Verkaufs ermöglicht, dass Menschen in Not geholfen werden kann. Solidarität ist zu einem starken Aspekt von Weihnachten geworden. Jetzt fällt mir gerade ein, dass die vielen Sammelbriefe eigentlich auch in eine Weihnachtskarten-Truhe gehörten.

Weiter können Handschriften ein spannendes Kapitel der Kartensammlung sein und die Briefmarken mit und ohne Weihnachts-Sujets darüber Aufschluss geben, wo die religiösen Motive noch selbstverständlich weitergetragen werden.

Nach meinem Empfinden verstanden es die Graphiker von einst besser, warme Gefühle und staunende Kinderaugen darzustellen.

In die Schatztruhen habe ich zu den einzelnen Karten-Jahrgängen auch Weihnachtsgeschichten aus Zeitungen oder Zeitschriften abgelegt. In letzter Zeit stelle ich fest, dass viele wiederkehren. Es entsteht nicht viel Neues zu diesem Thema. Es ist offensichtlich eine Scheu der traditionellen Weihnachtsgeschichte gegenüber entstanden. Auch in den Schaufenstern der grossen Warenhäuser von Zürich fehlen jetzt definitiv Bilder jener Geschichte, die Weihnachten zu Grunde liegt. (Früher ein Ort, wo Eltern die verschiedenen Etappen der Weihnachtsgeschichte mit ihren Kindern verfolgen konnten.) Offenbar haben junge Dekorations-Verantwortliche keinen Bezug mehr zu ihr. Was jetzt wichtig ist, ist Glamour, der persönliche Auftritt und die mit Glitzer und Glimmer gestaltete Ambience.

Das Titelblatt des „Tages-Anzeigers“ 24.12.2005 mit seiner Karikatur zu Weihnachten befindet sich auch in der Schatztruhe. Letztes Jahr erschreckte uns die Vogelgrippe. Unter diesem Einfluss sind Bild und Text zu verstehen. Im Stall haben sich Maria, Josef und das Kind gut eingerichtet. Es ist hell und sauber, und sie haben ausreichend Platz. Sie scheinen zufrieden. Auf dem Stalldach sitzen viele Engel eng beisammen und beschützen sie. Josef sagt erleichtert: „Wie gut, dass wir das Geflügel endlich wieder ins Freie entlassen konnten“ (Text aus der Erinnerung geschrieben).

Als ich zu sammeln begann, behielt ich nur die sogenannt schönen Karten, und das waren schlichte moderne oder solche mit einem tiefsinnigen Text. Sehr bald aber nahm ich alle auf, auch wenn es kitschige waren. An einem Fest wie Weihnachten soll sich der ihm eigene Zauber in vielen Geschmacksrichtungen ausdrücken dürfen.

Und jetzt wünsche ich übers Blog-Atelier allen Leserinnen und Lesern, wie es in einem alten Lied heisst „Frö-ö-ö-liche Weihnacht – überall“ und alles Gute für ein spannendes und menschenfreundliches Jahr.

Donnerstag, 14. Dezember 2006

Emmentaler Puppenhaus in der „rundumholz“-Schreinerei

Eine solche Arbeit ausführen zu dürfen, sei ein absoluter Glücksfall, eine grosse Seltenheit. Das war die Meinung aller, die das im Massstab 1:12 fertiggestellte Emmentaler Bauernhaus mit seinem traditionellen Walmdach sehen konnten.
Die Anlage beansprucht einen Platz von ungefähr 3 Metern Länge. 4 Dachteile können abgedeckt und einzelne Fronten ausgehängt werden, wenn alle Räume besichtigt oder vielleicht sogar das Puppenspiel in diesem Haus beginnen soll.
Der mit Rosen bewachsene Torbogen führt in den vorgelagerten Garten, der den richtigen Abstand zur prächtigen Hausfront schafft. Es wachsen da Gemüse und Blumen. Ein Baum scheint alles Wachstum beschützen zu wollen.
Auf der Wiese nebenan grasen Kühe. Und es springen Ziegen herum. Schwungvoll um die Linde herum angelegt, führt ein breiter Fahrweg nach oben in die Scheune. Sein geschlossenes Tor wirkt auf mich wie ein Gesicht.
Alle Details an diesem Bauernhof sind getreu nachgebildet, auch Innenarchitektur und Möblierung. Sprossen-Fenster, Fensterläden und Türen können geöffnet werden. Mit Taschenlampen leuchteten wir dort, wo die Fassade festgefügt war, durch Eingänge ins Innere und bewunderten Parkettböden und Täfer nach alter Manier. Die Erbauerin redete von „Tausenden liebevoller Details“, die sich hier aufgedrängt hätten. Es ist mir also unmöglich, sie alle aufzuzählen. Nur eines noch: Auf der Kommode stehen sogar die Hochzeitsfotos.
Wer bestellt ein solches Haus? Herr M. hat sich im Alter von 60 Jahren einen Kindheitstraum erfüllt. Auf Umwegen fand er zu „rundumholz“, brachte eine kleine Holzkuh mit und bestellte für sie den passenden Bauernhof. Und er wünschte, es solle ein Emmentaler Bauernhaus werden.
Zu den Vorarbeiten gehörten Forschungen in Büchern, aber auch solche vor Ort im Emmental selbst. Herr M. begleitete den Bau mit seinem Wissen und der ihm eigenen Begeisterung. Der Auftrag vergrösserte sich laufend.
Ihm ist zu verdanken, dass auch die Tierhaltung auf dem Hof richtig dargestellt ist. Es gibt hier Ställe und Futtertröge für die Kühe, für das Pferd, für die Schweine und Hühner. Ein liebenswürdiger Blickfang auch der Brunnen für die Tränke oder der Miststock, auf dem die Hühner ihr Futter finden. Es gehört zum Emmentaler Bauernhaus, dass Mensch und Tier unter dem gleichen Hausdach wohnen.
Christina Kundert durfte dieses Haus bauen. Sie wendete dafür mehr als 300 Arbeitsstunden auf. Sie und Claudia Furrer führen die Schreinerei und den Laden „rundumholz“. Sie sind Geschäftspartnerinnen, doch jede der Schreinerinnen betreue ihre eigene Kundschaft.
Kundert sagte, nur dank Furrer habe sie diese Arbeit vollbringen können, weil sie sich den normal anfallenden Arbeiten gewidmet habe. In diesem Sinne sei es Zusammenarbeit und Furrer habe demzufolge auch Anteil am Erfolg.
Die beiden Frauen arbeiten in einer mehr als 100-jährigen Schreinerei-Liegenschaft, zu der auch ein Laden für Schreinereizubehör gehört. Kundert sagte, sie habe die Werkstatt mit dem Laden übernommen, weil dieser doch nicht sterben dürfe. Er ist ein Original und hat den alten Charme bewahrt. In Fachkreisen ist er gut bekannt. Bei „rundumholz“ kaufen Schreiner und Heimhandwerker gleichermassen Grundprodukte für ihre Arbeiten ein. Getreu dem alten Leitsatz „Gute Arbeit mit guten Werkstoffen“. Das Schaufenster mit Blick in den Ladenraum wird viel beachtet. Fertige Arbeiten warten hier, bis sie abgeholt werden. Aber auch das Angebot hinter den Türen der verglasten Schrankfront fasziniert. Ähnlich könnte eine alte Apotheke ausgesehen haben. Allerlei Produkte (Leime, Lacke, Beizen) und vorfabrizierte Holzteile (hölzerne Griffe, Knöpfe. Kugeln usw.) liegen da bereit. Ebenso können hier verschiedenartigste Leisten eingekauft werden. Tausende von Einzelteilen in Schränken und Schubladen, auch hier. Vielleicht baut Christina Kundert eines Tages auch ihren Laden in Puppenhausgrösse nach.
Hier brennt das Licht am Abend auch über die Weihnachtszeit hinaus. Er ist ein richtiger Anziehungspunkt und wertet die eher graue Müllerstrasse in CH-8004 Zürich auf.
Die beiden Schreinerinnen erzählen mehr über sich und ihre Arbeit auf www.rundumholz.ch
Ein Gast sagte zu mir: „Dieses Puppenhaus sollte an einem Ort stehen dürfen, wo Gotthelf-Lesungen stattfinden.“ Die Nachbildung dieses traditionellen Emmentaler Bauernhofs löste auch bei anderen Gästen ähnliche Reaktionen aus. Die Geschichten des wortgewaltigen Albert Bizius, besser bekannt als Jeremias Gotthelf, lebten auf. Figuren aus verschiedenen Werken feierten an diesem Abend im Hause „rundumholz“ ihre Auferstehung.
Der Kunde, Herr M., der an diesem Abend zwar anwesend war, aber unerkannt bleiben wollte, nimmt nun das Werk zu sich. Es wird ihn glücklich machen. Christine Kundert aber muss Abschied nehmen. Das falle ihr nicht leicht, gestand sie mir im Gespräch. Es werde ihr fehlen.
Diese schöne und mit Liebe geschaffene Arbeit wird eines Tages gewiss noch eine weit grössere Aufmerksamkeit und Zuneigung erfahren, denn sie ist Trägerin einer alten Wohn- und Lebenskultur.

Montag, 4. Dezember 2006

Feuer und Flamme für Zürich und für die Freiwilligenarbeit

Heute Montagmorgen hatte ich gerade noch Zeit, den heute erschienenen Beitrag im Blogatelier zu lesen, bevor ich in die Stadt fuhr. Der beschriebene Besuch von Walter Hess in Zürich regte mich zu allerlei Gedanken an. Was hätte ich ihm und seiner Frau gezeigt, wenn wir uns getroffen hätten?
In Gedanken begleitete ich dann die (fiktiven) Gäste aus dem Aargau auf den Lindenhof. Ich wollte ihnen Aussicht und Übersicht vermitteln. Also gingen wir am Fraumünster vorbei nach St. Peter und hinauf zum Lindenhof. Gerade dieser Tage hatte mir ein Freund erzählt, dass der berühmte Geomantiker und Landschaftsheiler Marco Pogacnik hier oben auf diesem kleinen Hügel auf ein vital-energetisches Zentrum gestossen sei. Wie gut, das zu wissen.
Wir schauten einfach einmal aus. Zum Zürichberg hin, zu all den Gebäuden und Türmen. Zu den Spitalbauten, zur Universität, zur Eidgenössischen Technischen Hochschule ETH usw. Auch die verwinkelten Hausdächer mit ihrem Charme faszinierten uns. Und natürlich der Lauf der Limmat und der Blick über sie Richtung See. Auf das selbstbewusste Grossmünster musste nicht speziell verwiesen werden. Es steht da und alle wissen: Das ist es.
Wir standen hier oben der Predigerkirche, die im Niederdorf angesiedelt ist, direkt gegenüber. Und da konnte ich ausführlich erzählen: In dieser Kirche gehöre ich zum so genannten Präsenzdienst. Das heisst, ich hüte die Kirche. Ich bin die erste Ansprechperson für Frauen und Männer, die hieher kommen, um etwas zu fragen oder zu plaudern oder sich in der Stille zu erholen. Für Menschen in seelischen Nöten stehen Seelsorger zur Verfügung. Ich beantworte Fragen zu Gottesdiensten oder zur Kirche, Fragen auch, die Touristen stellen. Die bewegte Geschichte dieses Orts ist oft ein Gesprächsthema. Auch Fragen zur Bibliathek (so heisst sie), die zur Verfügung steht. Eine Lese-Insel, reich an deutsch- und fremdsprachigen Bibelübersetzungen, modernen Nachschlagewerken sowie wissenschaftlicher Literatur stehen zur Verfügung. Und moderne Polstermöbel dazu. Kinder können auf kleinen Stühlen und an passenden Tischen die schönsten illustrierten Kinderbibeln und auch sonstige Kinderbücher anschauen. Randständigen, die um Almosen betteln, kann ich Gutscheine fürs Essen abgeben. In Notfällen auch für eine Übernachtung.
Ich habe eine Wächterfunktion, ähnlich der in einem Museum. Je nach Dienstzeit öffne oder schliesse ich die Kirche. Es sind Lichter und Kerzen anzuzünden oder auszulöschen. Am Abend gilt es Kontrollgänge zu machen, damit niemand eingeschlossen wird.
Ich sitze an einem alten, langen Refektoriumstisch, auf dem meist frische Blumen stehen und eine Kerze brennt. Vor mir das Telefon für Notfälle und ein Ordner mit wichtigen Adressen und Hinweisen. Hier fühle ich mich wohl und am rechten Platz. Ich schätze Kontakte, höre zu, was die Mitmenschen beschäftigt. Oft kann ich nicht helfen, kann ihre Probleme nicht lösen. Aber ich spüre immer wieder, was Zuhören bewirken kann. Die Menschen, die ihre Sorgen aussprechen dürfen, hören sich selber zu und ordnen oft ganz von allein verworrene Gedanken und gehen etwas erleichtert weiter.
In dieser evangelisch-reformierten Predigerkirche weht ein guter, offener Geist. Es arbeiten hier auch katholische Christen. Wir sind etwa 45 Personen, die diesen Dienst tun. Zum Präsenzdienst gehören auch katholische Nonnen, und die ökumenische Seelsorge für Menschen in Not wird von Pfarrern beiderlei Geschlechts und auch von katholischen Ordensleuten getragen.
Es besteht eine Zusammenarbeit unter den Konfessionen. Das gefällt mir speziell. Es weht hier ein offener Geist. Das spüren sogar Touristen.
Morgen, am 5. Dezember 2006, dürfen wir Freiwillige feiern. Es wird der internationale UNO-Tag der Freiwilligen begangen. „Feuer und Flamme“ ist sein Thema. Die Freiwilligen aus der Predigerkirche und dem Grossmünster treffen sich mit jenen aus dem Universitätsspital und dem Bewährungsdienst. Es ist eine ökumenische Feier geplant, mit der die Freiwilligenarbeit gewürdigt, aber auch auf sie aufmerksam gemacht werden soll.
Das Programm: Beginn der Feier um 17.30 h im Grossmünster, anschliessend Apéro um ein wärmendes Feuer auf dem Zwingliplatz. Es werden mitwirken: Der afrikanische Chor von der Mission catholique de langue française, alt Nationalrätin Angeline Fankhauser, 4 Freiwillige und Pfarrerin Käthi La Roche.
Zum Abschluss meines fiktiven Besuches umrundeten wir noch das Areal der Predigerkirche und der Zentralbibliothek. Wir wählten den Weg via Mühlegasse, durch die Predigergasse, dem neuen Zentralbibliothek-Gebäudes entlang und schauten auf den Bibliotheks-Hof mit seinen Zeugen aus allen Bauepochen vom einstigen Dominikanerkloster bis zur heutigen Kirche. Die Rückkehr ins Niederdorf mit Blick zu den niederen Häusern liess uns beinahe vergessen, dass wir uns in der Grossstadt Zürich befinden.
Herzlich willkommen ein andermal!