Freitag, 27. Mai 2016

Velofahrt der Limmat entlang und Znüni in Wipkingen

Blumen, frisch vom Markt, standen schon auf dem Tisch, als wir bei ihr ankamen. Tochter Letizia feierte Geburtstag. Wir trafen uns zum Znüni, der Zwischenmahlzeit am Vormittag. Das immer noch gebräuchliche Wort trägt die Zahl 9 (nüni) in sich und verweist auf den Zeitpunkt der Pause, als man früher den Bauern eine Stärkung aufs Feld brachte. Ungefähr um 9 Uhr.

Mohn und Rosen sorgten an diesem Tag für festliche Stimmung. Ihre Farben strahlten. Ich dachte bei mir: So kann Lebensfreude ausgedrückt werden. Wir fühlten uns wohl in ihrer Anwesenheit, doch haben wir die Blumen nicht ständig beobachtet.

Blumen sind geheimnisvolle Wesen, und wir sind kaum fähig, ihre Entfaltung sehend mitzuerleben. Wer weiss, vielleicht profitierten sie von unserer Energie, wenn wir redeten und lachten. Und vielleicht war es auch wichtig, dass wir sie nicht dauernd anschauten. Auf einmal entdeckte Letizia aufgesprungene oder abgefallene Hüllen, in denen die Blütenblätter geschützt wachsen konnten. Wir staunten und betrachteten die zerknitterten Blütenblätter, die jetzt hervortraten und sich aus ihrem Wachstumsgefängnis befreiten. Passend zum Geburtstag. Erinnerung an Letizias Geburt.
Primo und ich waren mit den Velos nach Wipkingen gekommen. Wieder einmal dem Limmatufer entlang. 37 Jahre war der Fluss unser Nachbar und auf seine Art ein Freund. Wir schätzten seine beiden Uferbereiche als unser persönliches Naherholungsgebiet. An diesem Morgen mussten wir feststellen, dass der einstige romantische Fischerweg aber zu einer Velostrecke geworden ist. An diesem Morgen, etwas nach 8 Uhr, pfeilten viele junge Leute auf ihren Rädern an uns vorbei. Ich mag ihnen diesen gesunden Weg zur Arbeit gönnen. Aber die Hektik, die sie entwickeln und die Rücksichtslosigkeit im Fahren und Überholen, sie schmerzen. Ich nahm mir vor, am Nachmittag nochmals hieher zu kommen, um diesen Ort zu erleben, wenn alle an ihren Arbeitsplätzen «versorgt» sind.
Ich hatte schon am Morgen die neu entstandene Insel im Fluss bemerkt. Lange Zeit vor unserem Umzug nach Zürich-Altstetten (2008) fotografierte ich 2 heranwachsende Grünpflanzen, die sich in einem Kies-Grund in der Mitte des Flusses festgekrallt hatten. Ob der Fluss die Steine dorthin gebracht hat, oder ob sie von Menschen dorthin verfrachtet worden sind, weiss ich nicht.
Was meine Foto jetzt zeigt: Die Insel hat sich halten und entfalten können. Heute wachsen hier 3 Gebüsche. An der Spitze eines, das die Mutter darstellen könnte, dahinter 2 Kinder. Ein Bild, wie wir es von Enten kennen.

Eine andere Erinnerung: Eine Nachbarin aus der Bernoulli-Siedlung mit einer verantwortungsvollen Aufgabe in einer sozialen Institution betraut, erzählte mir einmal, was sie in einer Weiterbildung zum Thema «Inneres Gleichgewicht» gelernt habe.

Um dieses zu stärken oder überhaupt aufzubauen, wurden Spaziergänge am Fluss empfohlen. 1. Mit ihm in der Fliess-Richtung gehen. Ihm alle Sorgen und Unsicherheiten übergeben, dass er sie forttrage. 2. Auf dem Rückweg – gegen dem Strom laufend, sich ihm zuwenden – von Zeit zu Zeit stehen bleiben und bewusst frische Energie empfangen. Dazu streckte sie noch ihre Arme aus.
Am Nachmittag hielt ich mich erneut an der Limmat auf. Im Bereich Hardeggbrücke— Hardturm. Da empfing mich eine mit meinen Erinnerungen deckungsgleiche Atmosphäre. Ruhig und friedlich, wie es der Natur an einem Sommertag eigen ist. Einige Jogger unterwegs, ein junger Mann lesend auf einer Bank beim Hardturm sitzend, Kinder mit Hortnerinnen und ein einzelner Velofahrer unterwegs. Ich ging grösstenteils auch zu Fuss, stellte mein Fahrrad immer wieder ab. Und suchte nach Orten, die mich an die alte Heimat erinnern können.
Nach dem Gesteinsüberrest einer ehemaligen Uferverbauung musste ich suchen. Die Bäume am Ufer verstecken ihn jetzt. Dieser erinnert noch an das alte Wehr für die Wasserkraftwerkbauten im vorletzten Jahrhundert. Diese Restanz verfügt immer noch über eine funktionierende Fischtreppe. Hier sassen wir manchmal an schwühlen Sommerabenden und schlenkerten die Beine im Flusswasser.

So war das damals.