Donnerstag, 24. Juni 2010

Jahreshöhepunkte: Mittsommer, längster Tag, Johannifest

Da lag ein Blatt auf dem Trottoir und verkörperte genau das Thema meines für heute vorgesehenen Blogs. Ich bückte mich, hob es auf und fühlte seine pelzige Rückseite. Es war aber die Oberfläche, die mich angesprochen und beinahe elektrisiert hatte. Linke Seite grün, rechts der Hauptrispe gelb und braun. Den Namen seines Baumes kenne ich nicht. Ich stellte nur fest, dass mehrere dieser Art unsere Strasse säumen. Es wird Zeit, sie noch richtig kennen zu lernen.

Nach unserem Kalender markiert der 21. Juni die Sonnenwende, den Übergang vom Grünen, Blühen und Aufwachsen hin zur Vergänglichkeit. Eindrücklicher könnte mich die Natur heute nicht informieren. Das aufgehobene Blatt zeigt mir nicht nur Grün auf der einen, Gelb und Braun auf der anderen Rispenseite, sondern beidseitig auch schon viele braune Tupfer, die bereits das spätere Absterben ankündigen. Dass dieses Blatt schon abgefallen ist? Extra für mich? Zu meiner Belehrung? Ich freue mich über diesen Fund.

Am 24. Juni wird das Johannifest gefeiert. (Nach kirchlichem Kalender Festtag Geburt Johannes des Täufers). Auch dieses Datum weist auf den Höhepunkt des Sommers hin. Die Johannisbeeren werden reif, das Johanniskraut blüht, und die Glühwürmchen, die an vielen Orten Johanniskäfer heissen, schwirren umher. Von den Silberlinden weiss man, dass sie um diese Zeit ihre Blätter wenden. Die dunkelgrünen Blätter zeigen dann ihre helle Rückseite. Auf dem Hintergrund der dunklen Blätter nehmen wir sie als Silber wahr. Dieser Prozess vollzieht sich geruhsam, eben natürlich. Nicht alle Blätter wenden sich auf einen Knopfdruck am 24. Juni. Die langsamen bilden den dunklen Hintergrund, auf dem die gewendeten silbern zur Geltung kommen.

In Skandinavien überlebte der Brauch des Sonnwendfests. Mit seinen Tänzen um das Feuer fasziniert es neuerdings auch Menschen in unseren Breitengraden. In Norwegen habe ich zu diesem Thema verschiedene Gemälde gesehen, die mein Interesse weckten. Da ich selbst zur Sonnwende geboren wurde, möchte ich noch manches Wissen zu dieser Zeit entdecken.


2008 lud die Ökumenische Tisch-Gemeinschaft Symbolon meines Wissens erstmals zu einem ökumenischen Johannifest nach Gfenn ein. Man traf sich im Umfeld der Lazariterkirche und wanderte dann in dieser schönen Landschaft zu 4 Stationen und hörte dort etwas über die 4 Elemente: Erde, Wasser, Luft und Feuer. Eine moderne Prozession, vielleicht 80 Leute, nahm teil. Ein Fernsehmoderator war dabei und stellte an den Stationen Fragen. Bei der Erde konnten alle einen Stein aufheben und mitnehmen. Die Veranstalter hatten einen Haufen hierher gekarrt. Es gab eine grosse Auswahl. Mir gefiel ein schweres Exemplar wegen seiner vielen Adern ganz besonders. Er hatte ein grösseres Mass als alle andern. Niemand berührte ihn, und mich sprach er an. Ich sah ihn bereits als Türstopper bei uns zu Hause. Er gefiel mir wegen seiner Wege und regt mich noch heute zu allerlei Gedanken an.

Am Weiher stehend, schöpfte eine Afrikanerin Wasser in einen Eimer und ihr Mann (ein Arzt und Entwicklungshelfer) nannte diese Portion den Tagesbedarf um zu überleben. (Trinkwasser und Wasser, um sich zu waschen). Er sprach über die Problematik unseres enormen Wasserverbrauchs in Europa und Amerika und von der Wasserarmut in Afrika. Und dass es ein Menschenrecht sei, zu Wasser zu kommen, ohne dafür bezahlen zu müssen. Diese Diskrepanz zu unseren europäischen Wasseransprüchen ist mir damals eingefahren.


Wir standen im Umfeld eines kleinen, natürlichen Biotops und hörten, dass man bei der Gemeindeverwaltung eine Bewilligung erbeten habe, hier einen Eimer Wasser schöpfen zu dürfen. Sie wurde mit der Verpflichtung erteilt, das Wasser dem Sumpf wieder zurückzugeben, weil es Lebewesen enthalte. Das wurde dann getreu gemacht, wieder von der afrikanischen Frau. Sie benützte eine Schöpfkelle, die aus einer Kalebasse hergestellt worden war. Sie gab dem Weiher das geliehene Wasser respektvoll zurück. Solche Erlebnisse graben sich tief ein und beeinflussen das Gewissen.

Es war ein feinsinniges Fest und das sonnige Wetter unterstützte es. Nach einem feierlichen Gottesdienst in der Lazariterkirche Gfenn (einem Wahrzeichen nationaler Bedeutung) setzte man sich an Tische im Freien, ass die mitgebrachten Brote und labte sich an verschiedenen Getränken. Musikalisch umrahmt von jüdischer Musik und der Folk-Gruppe Amix.

Menschen aus verschiedensten religiösen Ausrichtungen wirkten mit. Mich beeindruckten Frauen mit ihren Klangschalen, die die religiöse Feier umrahmten. Es gehörte auch ihr Singen dazu. Ganz unbekannter Art. Vielleicht Keltisch? Orthodoxe Priester trugen eine Johannes-Ikone vor sich her.

In Erinnerung ist mir ein junger, fröhlicher evangelischer Pfarrer geblieben, ebenso eine Pfarrerin und ein Pfarrer aus Schweden. Primo und ich kamen mit einem Vertreter der Herrnhuter-Brüdergemeinschaft ins Gespräch, und wir trafen Dominikanerpatres aus unserem Bekanntenkreis. Solche Feste nähren die Lebensfreude und fördern das Verständnis unter den Kulturen.

Nun liegt eine neue Einladung auf dem Tisch:

Es heisst da:

GFENN BEI DÜBENDORF

Samstag, 26. Juni 2010

17.00 bis 22 Uhr

Interreligiöses Mittsommerfest

zu Johannis in der

romanischen Lazariterkirche

Mystik in Islam und Christentum

17:00: Drehtanz mit Sufi-Scheich Peter H. Cunz
18:00: Mystischer Stationenweg
19.00: Ökumenische Liturgie-Feier
20–22 Uhr: Fest am Johannisfeuer mit Picknick
Veranstalter: Ökumenische-Tisch-Gemeinschaft Symbolon

Dienstag, 15. Juni 2010

Putzaktion für einen Gast wurde zum Geschenk für mich

Die Balkontür blieb offen, als ich das Haus verliess. Nur kurz. Nur um die Briefe in den gelben Postkasten zu werfen. Als ich zurückkam, traf ich auf einen Windstoss, der nur darauf gewartet hatte, als Durchzug durch Korridor, Stube und Balkon wieder ins Freie zu sausen. Hätte ich die Tür nicht richtig im Griff gehabt, sie wäre schletzend ins Schloss gefallen. Und genau das soll vermieden werden. Betonhäuser schlucken den Lärm nicht. Sie lassen ihn den Wänden entlang hochgehen und stören dann jene Leute, die in oberen Regionen zu Hause sind. In unserem Wohnhaus wird explizit daraufhin gewiesen.
 
Ich schätze den Durchzug als Lufterfrischer und organisiere ihn immer von Zeit zu Zeit. Da ich an diesem Tag Stunden zuvor zusätzlich die Wohnung gründlich ordnete und reinigte, fühlte ich mich jetzt beim Eintreten wie am Meer. Diese Frische, wie eine Meeresbrise!
 
Wie gut, dass ich von Zeit zu Zeit das Haus verlassen muss, um dann festzustellen, wie angenehm mein Raumklima nach einer solchen Putzaktion ist.
 
In der Stube hatten die orangefarbenen Sonnenstoren mit der Sonne zusammen noch ein südliches Licht entwickelt. Und der Föhnwind wiegte die Gräser in den Balkonkisten hin und her. Die reinste Seligkeit. Ich freute mich über diese Ferienstimmung. Ich erwartete Besuch und war mit meinen Vorbereitungen zufrieden.
 
Aber Ursula kam nicht, verunfallte an diesem Tag. Ein Hund sprang aus einem toten Winkel heraus auf die Strasse, direkt ins Vorderrad ihres Velos. Sie stürzte. Glücklicherweise wurde nur das Rad verletzt. Aber von einem Ausflug nach Zürich-Altstetten wollte sie nichts mehr wissen. Der Schock sass ihr im Nacken.
 
Allein trank ich den vorbereiteten kühlen Tee, ass eine Schnitte Kuchen und sinnierte dann über meine Putzaktion. Ich konnte sie geniessen, auch wenn sie ursprünglich nicht für mich, sondern als Geschenk gedacht war.
 
In jungen Jahren meinte ich einmal, ich hätte jetzt genügend geschrubbt, gewischt, gewichst, abgestaubt usw. Es gäbe doch wahrhaftig im Leben Schöneres als für Ordnung und Reinlichkeit zu sorgen. Als Familienfrau weiss ich aber längst, dass sie die Basis für die Gesundheit bilden.
 
Meine Eltern hatten zusätzlich zur Arbeit des Vaters noch die Hauswartung in einem Fabrikgebäude übernommen. Dort wohnten wir auch. Und das hiess, dass wir Kinder – 5 an der Zahl – alle mitarbeiten mussten. Heute würde man vielleicht von Kinderarbeit reden. Doch war unsere Chefin die Mutter, nicht ein fremder ausbeuterischer Fabrikbesitzer. Sie brauchte unsere Unterstützung, und uns schadete die Mitarbeit nicht. Unsere Aufgaben: Papierkörbe leeren, Büroböden wischen, Pulte abstauben, Fenster und Treppen reinigen, den Steinboden auf den Knien schrubben, den grossen Hof wischen, Holz zum Feuern in die Winde tragen. Diese Arbeiten führten zu einem sauberen Raumklima, das uns allen zur Norm geworden ist. Sie bewirkten das Sonntagsgefühl. Denn die Hauptarbeit wurde am Samstagnachmittag verrichtet.
 
Das heutige Alltagsklima darf bei mir hin und wieder auch bedürftig sein. Nur so komme ich dazu, Blogs zu schreiben. Aber für einen lieben Besuch strebe ich immer noch diese gewisse festtägliche Ordnung und Frische an. Und manchmal denke ich, ich würde gerne nochmals mit Mutter Büros putzen. Sie verteilte die Arbeit so, dass wir das Ende absehen konnten. Mir gefiel es, die Wasserhahnen an den Lavabos zu polieren oder Fenster zu putzen, bis die Scheiben auch an den Übergängen zum Fensterkitt klar waren. Wir arbeiten ruhig und ohne Zeitdruck. Das kann ich nicht mehr. Heute sehe ich schon während einer Putzarbeit die nächste vor mir.