Mittwoch, 30. November 2011

Farben: Rot leuchtende Lärchen erinnern an rotes Haar

In letzter Zeit fällt mir auf, wie viele Frauen meines Alters die Haare rot färben. Warum wohl? Fühlen sie sich so attraktiver? Werden sie jetzt mehr beachtet? Wollen sie noch jugendlich erscheinen, auch wenn sie das Pensionsalter schon erreicht haben? Oder soll diese Farbe die weibliche Kraft signalisieren? Ich weiss es nicht. Ich kann mich nur erinnern, dass eine meiner Schwestern, die mit rotem Haar auf die Welt gekommen ist, deswegen in der Schule gehänselt wurde.
 
Diese Haarfarbe gehöre zu den Hexen, meint der Volksmund. Man misstraute den Rothaarigen, fürchtete ihr aufbrausendes Naturell und vermutlich ihre Eigenständigkeit. Noch bevor sich die Frauenemanzipation durchsetzen konnte, machten temperamentvolle Frauen Angst. Als ich dann selbst ein Kind mit tizianblondem Haar (eine etwas mildere Farbe als das aggressive Rot) bekam, bemerkte ich, dass vor allem die Männer darauf reagierten. Das Kind wurde speziell beachtet. Fremde Männer sprachen mich begeistert darauf an.
Darüber sinnierte ich dieser Tage, als ich am Waldrand im Dunkelhölzli die rotgolden gewordenen Lärchen grüsste. Sie erschienen mir wie das erwähnte rote Haar. Auch hier oben sind sie die Ausnahmen. Ihre Gruppe ist klein. Umgeben von dunklen Tannen und Laubbäumen ohne Laub, kommt ihr inneres Licht wie brennende Fackeln zur Geltung.
 
Erst seitdem ich in Zürich-Altstetten lebe, bin ich den Lärchen näher gekommen. Bis heute bewunderte ich die Herbstfarben grosser Lärchenwälder hauptsächlich auf Fotos. Da, wo ich wohne, markiert eine einsame, hohe Lärche meinen Heimweg. Wie eine Wanderwegtafel steht sie exakt an der Abbiegung, die mich zu unserem Wohnhaus leitet. Damals, als wir hier einzogen, bestand in ihrer Nachbarschaft eine Baustelle. Spundwände leiteten das Grundwasser um. Der Baum litt. Es dürstete ihn. Er verlor seine aufrechte Haltung. Erst nachdem die Umbauarbeiten abgeschlossen waren, konnte er sich wieder aufrichten. Es dauerte mehr als ein Jahr, bis er wieder zu seiner selbstbewussten Haltung zurückgefunden hatte. Zur Zeit unseres Umzuges lagen dürre Äste mit kugeligen Zapfen um seinen Stamm. Ich hob sie auf. Sie dekorierten als erste unsere Stube.
 
Nachdem ich vom erwähnten Spaziergang ins Dunkelhölzli wieder nach Hause gekommen war, wusste ich nicht einmal, ob „meine“ Lärche auch in Flammen stehe. Sie ist so hoch gewachsen, dass wir sie nur von weitem ganz wahrnehmen können. Ich ging nochmals hinaus, schaute nach ihr aus. Ja, auch ihre Nadeln hatten sich verfärbt. Da sie aber vor einer Hauswand steht, fehlt ihr der dunkle Hintergrund, um ihre rötliche Ausstrahlung sichtbar zu machen. Es kommt also darauf an, wo Rot oder Rötliches auftrifft. Und um welches Rot es sich handelt.
 
Um zu den eingangs erwähnten Frauen zurückzukehren, erscheint die künstlich gefärbte Haarfarbe dominanter als sie in der Natur auftritt. Wie überall, wo Menschen der Natur noch etwas zufügen oder sie verbessern wollen, zerstören sie das Zarteste und Feinste an ihr.

Sonntag, 13. November 2011

Nora beschreibt den Ursprung und den Weg der Gedanken

Hinsitzen und Warten auf die Inspiration, das tue ich öfters, und mehr denn je erweist sich diese naive Art als untauglich. Das Wissen, es wäre an der Zeit, wieder einen Aufsatz abzugeben, genügt leider nicht, dass sich Ideen melden.
 
Heute ist so ein Tag. Ich wollte einen Beitrag ins Blogatelier abgeben, wusste aber lange nicht, was sich gerade jetzt als kleine Geschichte eigne. Zuvor habe ich die Schachtel mit den Zetteln konsultiert, auf denen Stichworte und Hinweise stehen, die einmal zur Sprache kommen könnten. Aber sie allein sind nur Gerüst.
 
Unter diesen Zetteln fand ich ein ausgedrucktes Mail, das mir unsere Tochter im Laufe des Jahres zukommen liess. Sie erzählte uns, dass Nora, damals 4 ½ Jahre alt, in noch ungelenkem Schweizerdialekt gesagt habe: 
Weisch du, wie hani dänkt?"
Mis Herz hät das gäh im Buuch,
und dä Buuch hät das gäh im Chopf,
und dänn han i d'Idee gha. 
In dieser Aussage legt sie offen, wie Herz, Bauch und Kopf zusammenwirken und Gedanken entwickeln.
 
Noras Denken ging schon immer durch den Bauch. Sie isst gern, ist eine lustvolle Geniesserin. Kein Wunder, dass ihre Ideen dem Bauch entspringen. Schon mit 3 ½ Jahren sagte sie einmal: Miin Buuch möchti Film luägä.
 
Und jetzt die Erfahrungen ihrer Grossmutter.
 
Wie gesagt, bewegte ich mich heute Morgen im Nebeldunst. Nichts von den Notizen versprach eine Geschichte. Ich gab auf, ging ins Schlafzimmer, öffnete die Fenster, lüftete die Betten, schüttelte die Decken, und während ich mich bewegte, stieg ein Bild in mir auf. Ich sah Zutaten für einen Kuchen. In einer Schale Mehl, Zucker, Butter und Eier. Vielleicht war auch Hefe dabei. Zutaten also, die noch gemischt und gerührt und erst dann zum Kuchen gebacken werden.
 
Und so lief heute auch der Prozess ab, dass dieser Beitrag entstehen konnte. Es brauchte offensichtlich die körperliche Anstrengung und das Loslassen meiner befehlenden Gedanken, heute müsse etwas herauskommen. Vorhandenes mischen, rühren und schütteln sind offensichtlich wichtige Voraussetzungen, dass sich ein Thema herauskristallisiert. Warten allein ist sinnlos.
 
Danke Nora! Grosy ist dir nahe. Auch sie hat über die Nahrung zur Idee gefunden, Deine und meine Erfahrungen aufzuschreiben.
 
Und: Es würde mich nicht verwundern, wenn man mir jetzt sagte: So läuft es auch bei mir.