2 Tage verfolgte uns dieses Thema. Aus der Rückschau:
Wir waren sorglos und nachlässig. Im Augenblick grosser
Orientierungslosigkeit fühlten wir uns beinahe wie verhext.
Wir wollten Freunde besuchen, die nach Zürich-Höngg umgezogen sind,
vergassen aber den Zettel mit der genauen Adresse mitzunehmen. Diese
besteht aus einem Eigennamen und der Endung -steig. Mit gleichem
Namen sind eine -Strasse, ein -Weg und eine -Halde bezeichnet. Es half
uns die Erinnerung, dass es sich um den Steig handle, aber die
Hausnummer fehlte. Ebenfalls aus der Erinnerung meinte ich, das Haus
finden zu können. Ich hatte es auf dem Kartenausschnitt im Internet
gesehen. Da aber die Gastgeber ihren Briefkasten noch nicht
ordnungsgemäss angeschrieben hatten, fanden wir sie lange nicht.
Wir irrten eine Stunde lang umher, bis wir dort eintrafen, wo wir erwartet wurden. S., ein Psychologe, musterte uns kritisch. Primo
und ich lösten die Spannung aber mit Lachen auf. Als wir erzählten, wie
sich unsere Suche gestaltete und wie wir uns beide noch eine lange
Zeitspanne aus den Augen verloren hatten, sagte er streng: „Man trennt sich nicht.“ Und später, als wir alle Details unserer Irrwege aufzeigten, diagnostizierte er eine „kognitive Dissonanz.“
Stimmt. Primos und meine Vorstellungen sind selten deckungsgleich.
Und zusätzlich hatten wir unsere Abmachungen nach eigenem Gutdünken noch
etwas ausgedehnt.
Am andern Morgen dann, beim sonntäglichen Auslaufen im Wald unserer
Umgebung, beschäftigten wir uns nochmals mit dem Durcheinander vom
Vortag. Ich wollte den Fehlern und Nachlässigkeiten nachspüren. Im Gehen
lassen sich Probleme besonders gut besprechen. Es gab an diesem
Sonntagmorgen viel zu bereden. Nicht nur zu den Irritationen von
gestern. Besonders die Sorgen um einen Ersatz für Primos Werkstatt
nahmen uns ganz gefangen. Vor 2 Tagen wurde nun das Baugespann für den
Neubau aufgestellt. Der Auszug ist unausweichlich, und wir haben noch
keine Lösung. Obwohl wir gingen, waren wir in Fahrt.
Mehr als 1½ Stunden wanderten wir durch den Wald. Wir können uns
nur an eine Weggabelung erinnern, die wir bewusst wählten. Alle anderen
Abzweigungen hinterfragten wir nicht mehr. Und so kam es, dass wir immer
höher stiegen und dass sich der Regen in Schnee verwandelte und den
Wald verzauberte, ohne dass wir das bemerkten. Irgendwann blieben wir
dann doch stehen und bewunderten diese Pracht. Und wir waren uns einig:
Da sind wir noch nie gewesen. Jetzt wollte ich wissen, in welcher
Richtung der Heimweg anzutreten sei. Primo zeichnete mir im frisch
gefallenen Schnee unsere angeblich gegangenen Wege und die Richtung
heimwärts. Ich war nicht einverstanden. Mein innerer Kompass meldete mir
etwas anderes. S. hätte in diesem Augenblick wohl wieder
diagnostiziert: „Kognitive Dissonanz!“
Irritiert gingen wir nach Primos Vorgabe weiter und erreichten bald
einen schönen Platz mit Tischen und Bänken, alle mit gemütlichen
Schneepolstern bedeckt. Daneben das angeschriebene Forsthaus Frauenmatt.
Ihm gegenüber verlässliche gelbe Wanderwegtafeln, in 3 Richtungen
weisend. Primo war sprachlos. Es dauerte eine Weile, bis er seine
Vorstellungen fahren liess. Dem Wanderweg nach Schlieren hätten
wir folgen können, doch das wollte er nicht. Und er fand denn auch bald
eine Holztafel, die den Weg nach Altstetten wies. Schon von weitem
erspähte ich eine Abzweigung, die uns erneut verunsicherte. Erst als ich
den Schnee mit meinem Handschuh von einem versteckten Wegweiser aus
Holz abklopfte und das Wort Salzweg erschien, wussten wir, dass wir den besten Heimweg gefunden hatten. Der Salzweg
führt beinahe vor unsere Haustür. Die Übersicht war wieder hergestellt.
Gleichwohl rieben wir uns die Augen. Wo waren wir gewesen? Nach Primo
in einem verwunschenen Wald. Er nennt es ein „Hänsel-und-Gretel"-Erlebnis.