Dienstag, 20. Januar 2009

Skypen: Ein neues Programm mit Nähe zu den Enkelinnen

Plötzlich erinnere ich mich wieder an die kybernetische Grossmutter, die ich im Blog vom 22.05.2005 beschrieb. Ich komme ihr immer näher, auch wenn sie ein Kunstgebilde ist. Als künstliche Grossmutter, über der Erde schwebend, überwacht sie die Enkel und hilft ihnen, wenn es nötig ist.

Noch vor Weihnachten, im Blog vom 23.12.2008, dachte ich darüber nach, wie technische Errungenschaften Zwänge auslösen. Kaum ausgesprochen, klopfte ein weiterer an meine Computer-Tür. Er kam aus Paris. Mena wünsche sich, dass bei mir das Skype-Programm installiert werde. Sie möchte nicht nur mit mir telefonieren. Sie möchte mit mir reden und mich sehen.

Schön, wenn Enkelkinder solche Kontaktwünsche aussprechen. Und doch war ich im ersten Moment gar nicht begeistert. Wieder etwas Neues installieren, wieder etwas lernen, wieder Fehler machen und wieder auf die Töchter abstellen müssen, wenn ich nicht mehr weiter weiss. Und wenn etwas gratis zur Verfügung gestellt wird, bin ich zusätzlich skeptisch. Menas Mama konnte mir alle Fragen beantworten und Zweifel auflösen. Und schon ist das Skype-Programm installiert und die neuartigen Kontakte sind angelaufen.

Wie leicht man zueinander findet. Ein Klick nur – und es läutet im Computer der Ansprechperson. Der Name erscheint. Ist der Skype-Besuch willkommen, öffnet wieder ein Klick die Tür. Und schon ist die Verbindung hergestellt. Das Gespräch kann beginnen. Die anrufende und die angesprochene Person können sich sehen. Mena begrüsste mich. Zuerst etwas verlegen, doch schnell auch wieder mit mir vertraut.

Unser erster Austausch im Skype-Programm ist für mich sofort zur Französisch-Lektion geworden. Mena ist Schülerin der 1. Primarklasse und wollte mir zeigen, was sie schon alles gelernt hat. Sie las mir Geschichten aus ihrem Lesebuch vor. Um die Texte besser zu verstehen, hielt sie von Zeit zu Zeit das Buch so vor sich hin, dass ich die farbigen Illustrationen sehen konnte. Ich lernte die grüne Ratte kennen und um sie herum verschiedenfarbige Katzen und einen Hund. Ich notierte ihre Namen: Mina, Marou, Belo und Victor. Ratus offenbar der Chef.

Ob ich diese Geschichten auch richtig verstanden habe, werde ich nach weiteren Lesungen überprüfen. Es mangeln meinem Französisch viele Worte aus der Kinderwelt. Mena wird mich dahin führen. Sie dürfe meine Lehrerin sein, anerbot ich ihr.

Was ich aber schon gespürt habe: Diese Geschichten sind kindergerecht, voll von einfallsreichem, also kreativem Blödsinn und seinen Folgen. Ich bin begeistert.

Ratus nahm z. B. täglich Vitamine zu sich und folgerte, wenn ihn diese stark machten, würden sie gewiss auch seinem Motorrad helfen. Zum Benzin oder an deren Stelle wurden die Vitamine in den Tank geschüttet. Sie wirkten. Der «Töff» (Motorrad) sprang an, galoppierte wie ein junges Pferd.

Ich könnte mir vorstellen, dass die verschiedenen Farben der Katzen verschiedene Temperamente verkörpern. Das möchte ich noch ergründen. Dass der Hund sehr stark sei und etwas mit «fortune» (Glück) zu tun habe, ist mir nicht entgangen. Schon freue ich mich auf die Fortsetzung.

Die nächste Skype-Stunde wird aber vorher noch Nora gehören. Sie ist 2½-jährig und ihre Sprache erst ein lebhafter Klang. Einzelne Worte sind erkennbar. Sätze noch unverständlich. Ich freue mich, die Sprachentwicklung über das neue Medium ganz nahe mitzuerleben. Nora ist auch schon mit dem Skype-Programm vertraut. Während der Schulferien durfte sie bereits mit ihrer Freundin im Ausland skypen und auf ihre für uns unverständliche Art Geschichten erzählen. Die kleinen Mädchen sahen sich im Computer und waren sich nahe.

So erging es mir auch. Ich bin erstaunt, wohin ich vorgestossen bin. Genau gesagt, gestossen wurde. Menas Wunsch war ausschlaggebend. Sie hat mir die Zukunft ein Stück weiter geöffnet. Und dort habe ich, wie eingangs erwähnt, sogar noch die kybernetische Grossmutter getroffen.

Hinweis
Informationen zu Skype: www.skype.com
... und bei Wikipedia: www.wikipedia.org

Mittwoch, 7. Januar 2009

Meine Bäume: Der Schnee deckt zu und deckt auch auf

Zum Jahresende 2008 wurde uns noch eine weisse Decke geschenkt. Schnee bis in die Niederungen. Dicke, weiche Flocken fielen vom Himmel. Ein seltener Moment wahrer Ruhe. Er dauerte über eine Stunde. Und ich sass nur da und schaute diesem Treiben zu.
 
Die beiden Bäume, eine Aspe und eine Hagenbuche, am Rand von Nachbars Wiese, müssen mich schon gut kennen. Ich schaue immer nach ihnen aus. Ich bewundere sie. Sie sind meine Freunde. Nun hat mir der Schnee zum Neujahr ein Geschenk gemacht. Er setzte sich auf gebogene Äste und markierte ein grosses Herz. Ich habe es fotografiert. Es ist keine Illusion. „Meine“ Bäume zeigen mir ihr Herz. Der Schnee macht es möglich.

Auch auf der Westseite unseres Hauses ist die verschneite Welt nun eine andere, eine weichere. Hier milderte die weisse Pracht den radikalen Schnitt der üppig gewachsenen Sträucher, rund um die Einfahrt in die Höhle des Zivilschutzes. Bis anhin wusste ich nur, dass sich hinter „meinem“ grünen Hain, den ich vom Büro aus sehen konnte, eine Einfahrt in den kleinen Berg befinde. Jetzt sehe ich sie. Ich konnte zuschauen, wie sich die Landschaftsgärtner, vermutlich von „Grün Zürich“ an die Arbeit machten und den ganzen Wall zwar professionell, aber doch schonungslos zurückschnitten.
 
Während dieses Abholzens dachte ich manchmal: So jetzt reicht es. Und wusste doch, dass ich da nichts zu bestimmen habe.
 
Der neue Anblick war anfänglich brutal. Doch entdeckte ich bald, dass ich jetzt auf den Waldboden sehen kann. Jenseits der Zivilschutz-Einfahrt sind ein Dutzend stramme Hagenbuchen herangewachsen und bilden ein Wäldchen als Abschluss des Schulhausareals uns gegenüber. Wenn die Sonne langsam untergeht, berührt sie diesen Waldboden und bringt mir Lichtstrahlen auf den Schreibtisch. So kann ich den Schmerz loslassen und die Sträucher ermuntern, wieder neu aufzublühen. Der Schnee unterstützt mich. Er mildert alles. Und ich glaube, dass sich das Grün eines Tages auch wieder zeigen wird.
 
Der Schnee plaudert auch Geheimnisse aus. Wir bemerkten schon beim ersten Schnee Angang Dezember 2008, dass der Fuchs vom neuen Zaun quer durch die grosse Wiese überrascht worden ist. Seine Spuren deckten auf, wie er die Grenze spürte, sich irritiert abwandte, im Kreis herum ging, bis er einen neuen Weg in gewohnter Richtung gefunden hatte.
 
Spuren von Kindern, die unserem Haus entlang schleichen, um den Schulweg abzuschneiden sind auch sichtbar, ebenso jene einer dicken grauen Katze, die so gar nichts Liebenswertes an sich hat.
 
Komme ich nach dem Kern von Altstetten, fallen mir an den Tramstationen die vielen Zigarettenstummel auf, die jetzt gefroren sind und erst nach dem Abtauen weggewischt werden können.
 
Da, wo wir wohnen, wird der Schnee nicht sofort weggeräumt. Einerseits wird das Weiss lange erhalten, andererseits kann ich jetzt nicht mehr unbeschwert ausschreiten. Wenn ich einkaufen gehe, laufe ich auf der nicht stark befahrenen Strasse, vorsichtig bis ängstlich. Und warte, bis der Schnee schmilzt und bekomme eine Ahnung, wie Menschen, die in den Bergregionen leben, sich frühzeitig auf den Winter einstellen müssen.

Freitag, 2. Januar 2009

Jahresbeginn: Einkehr während der grossen Feiertage

Die zur Adventszeit montierten farbigen Lichter zucken immer noch an der Haustür einer portugiesischen Familie uns gegenüber und signalisieren, dass für sie das Fest noch nicht verklungen sei.
 
Auch für mich ist der Zwischenbereich Weihnachten/Neujahr immer etwas Besonderes, nicht alltäglich. Wie ein Nachhall nach einem schönen Konzert. Langsam kehrt Ruhe ein. Die Gäste sind weggegangen, die Wohnung ist aufgeräumt, aber der Christbaum ist noch da. Da sitze ich dann manchmal eine Weile zu ihm und sinniere über mein Leben, über die vielen Festvarianten und auch über die vielen Christbäume, die in unseren Stuben dekoriert worden sind. Und manchmal sehe ich ein inneres Licht, und dann weiss ich, dass ich auch diesmal Weihnachten wieder erlebt habe.
 
Diese Tage sind auch zum Aufräumen aller administrativen Arbeiten da. Rechnungen zahlen, um das neue Jahr ohne Schulden anzutreten. Nicht immer gelingt es, wenn Abrechnungen zu spät eintreffen. Die Post arbeitet nicht mehr so dienstfertig wie einst. Selber schuld, wird sie mir sagen. Ich könne mich ja mit dem E-Banking einlassen.
 
Schon als Jugendliche durfte ich für Mutter die Einzahlungsscheine ausfüllen. Ebenso war es meine Aufgabe, in den Tagen vor Neujahr die Adressliste unserer grossen Verwandtschaft neu zu schreiben und alle Änderungen, die sich im abgelaufenen Jahr durch Umzug oder Tod ergeben haben, zu berücksichtigen. Diese Arbeiten entsprachen mir schon damals und prägten sich zu einer Art Ritual aus.
 
Auch die Kalender gehören dazu. Sie abzunehmen und neue aufzuhängen, ist auch immer mit Blicken zurück und ein Stück vorwärts verbunden. Und der neue Tagebuchordner bekommt einen farbigen Rücken. Seit Jahrzehnten dekoriere ich die nüchternen A5-Ordner mit einem dekorativen Druckerzeugnis. Diese farbigen Bildausschnitte aus Zeitschriften, Glückwunschkarten oder Einpackpapier werden manchmal zum Programm. Letztes Jahr z. B., als wir noch nicht wussten, wann und wo wir eine neue Wohnung finden werden, wählte ich eine Foto aus einem Winterwald. Der Fotograf hatte exakt jenen Augenblick festhalten können, als die verschneiten Tannen ihre schweren Lasten abwarfen. Dieses Foto wird mich daran erinnern, dass die Hoffnung nicht vergebens war.
 
Spätestens am Neujahr kommt mir jeweils in den Sinn, dass ich als 6-Jährige am Neujahrsmorgen zum Milchmann geschickt wurde. Von ihm bekam ich unerwartet ein „Mödeli“ Butter geschenkt. Unfassbares Glück. Butterbrote waren und sind für mich die grössten Delikatessen. Mutter hatte einige Tage zuvor im Milchladen ausgesprochen, es sei traurig für sie, dass sie mir nicht jeden Tag ein Butterbrot geben könne. Die Lebensmittel waren damals wegen des 2. Weltkriegs rationiert. Der Milchmann erbarmte sich meiner. So etwas vergisst man nie.
 
Für mich brauchte es nun keine weiteren und gar noch grossartigen Veranstaltungen, um bereit zu werden für einen neuen Jahreslauf. Wie schon oft, haben wir am Silvester um 24 Uhr nur die Fenster geöffnet und das neue Jahr unter Glockenklängen einziehen lassen.
 
2009 hat begonnen. Es möge für alle Textatelier-Leserinnen und Leser ein gutes Jahr werden. Herzlichen Glückwunsch Ihnen allen.