Dienstag, 4. September 2018

Ansichtspostkarten graben Erinnerungen aus

Dieser Tage nun ist eine schöne Ansichtskarte von Langres in meinen Briefkasten gefallen. Madame Nelly brachte mit dieser Karte eine Art Schlüssel mit, um ein eingeschlafenes Ereignis aufzuwecken. Ohne es zu wissen.

Da sind die Bilder:
Meine Karte, die ich in Langres mit anderen Sujets zusammen gekaufte habe, spricht von Langres als Stadt der Kunst und Geschichte, jene von Madame Nelly weist auf den in Langres geborenen Philosophen und Schriftsteller Denis Diderot hin.
Wie im vorherigen Blog berichtet, kam ich letzthin in Frankreich erstmals in die Stadt Langres. Dort lernte ich die hochbetagte Madame Nelly kennen, die am Place Diderot immer noch eine Baby-Boutique betreibt. Unsere Freunde sind mit ihr bekannt. Wir wurden einander vorgesestellt und Ich konnte mit ihr unter der Eingangstür parlieren. Und danach auch noch ihr Ladenlokal anschauen. Ohne es zu bemerken, wurden wir fotografiert. Die Bilder machen uns Freude.
Auf beiden Ansichtskarten sehen wir Teile hoher Stadtmauern, Türme und Tore einer stolzer Festung. Sie besitzt 12 Türme, 7 Tore und zahlreiche Glockentürme.

Auf meiner Karte ist der eine Baum rechtsseitig und auf Madame Nellys Karte linksseitig zu sehen. Diese beiden Karten nebeneinander signalisieren mir die Eingänge und Ausgänge aus oder in die Stadt. Der jeweils einzelne Baum rechts oder links auf den Karten weist darauf hin.

Und jetzt zur Hintergrundgeschichte: Vor 60 Jahren
Nach der kaufmännischen Lehrabschluss-Prüfung konnte ich nach Abschluss der Lehre in der Filiale desselben Buch-Verlages in Paris als Stagiaire arbeiten und französisch lernen. Da der Schweizerische Direktor monatlich einmal nach Paris fuhr um die Geschäfte dieser Filiale zu prüfen, konnte ich in seinem Auto von Zürich nach Paris mitreisen. Da tat sich für mich erstmals weites Land auf, aber ich sah auch eine Art Armut in kriegsgeschädigten Dörfern.

Genau kann ich mich nur an einen Blickfang richtig erinnern: Wir fuhren im Auto in einen prächtigen Torbogen hinein, um die Stadt zu durchfahren. Sie beeindruckte mich weniger als der mächtige Eingang selbst. Das Bild dieser Einfahrt ist tief in mir drinnen wach geblieben. Trotzdem konnte ich den Ort bisher nicht finden. Ich habe immer wieder nach ihm gefragt. Und jetzt: Ich hatte meine in Langres gekaufte Ansichts-Karte im Büchergestell vor die Bücherreihe gestellt und jetzt, ein paar Wochen später, jene von Madame Nelly als eine Verwandte dazu. Und wieder ein paar Tage später wurde das Rätsel dann gelöst. Diese beiden Karten, denen ich beim Vorbeigehen manchmal einen Blick schenkte, überraschten mich plötzlich. Alles klar! Damals auf der Reise nach Paris im Auto des Direktors durfte ich eines dieser grossartigen Tore und die Stadt durchfahren. An sie selbst aber erinnere ich mich nicht.
Eine weitere Geschichte gehört noch dazu:
Bevor ich abreiste, wurde mir aus der Filiale Paris mitgeteilt, man hätte für mich eine gute Unterkunft gefunden. Ein Zimmer bei einer alten Dame. Ich sei angehalten, Leintücher und Bettinhalte mitzubringen. In Paris müssten alle Mieter die Leintücher mitbringen. Damit ich nicht frieren müsse, kaufte mir meine Mutter Barchent-Leintücher (Barchent: beidseitiger aufgerauter Baumwollstoff).

Diese Aussteuer und meine Winterkleider konnte ich dem Chauffeur abgeben, der in den nächsten Tagen Bücher nach Paris liefern musste.

Es war für alles gut gesorgt. Aber leider verunfallte der Bücher-Chauffeur, der nach Paris fahren musste. Bücher, Leintücher, Kleider und Schuhe durften nicht ausgeladen werden. Alle Gegenstände wurden zurückbehalten. Der französische Chef der Filiale brachte mir Leintücher von seiner Familie, die ich ein paar Wochen lang benützen konnte.

Ich wurde gut behandelt und die 18 Monate in Paris gehören bis heute zu einem Lebensabschnitt, den ich nicht vermissen möchte.