Donnerstag, 31. Januar 2008

Wo in Zürich finden wir eine 3- bis 4-Zimmer-Wohnung?

Heute Morgen, als ich das Haus verliess, schienen die Füsse zu sagen: Auf diesem Weg gehst du nicht mehr lange. Ich spürte den Kies unter den Füssen, obwohl ich nicht barfuss unterwegs war. Bis dahin freute ich mich jeweils nur über die Fussmassage. Heute aber nahm ich eine weitere Facette des bevorstehenden Abschieds wahr.

Seitdem der Auszug aus dem Bernoullihaus an der Hardturmstrasse in Zürich in meinem Hirn gespeichert ist, werde ich immer wieder aufmerksam auf das, was ich zurücklassen muss. Noch weiss ich nicht, wohin es uns verschlägt. „Verschlagen“ bezeichnet unsere Situation ganz richtig. Eine Wohnung zu finden, ist an den Zufall gekoppelt. Eine mir nicht bekannte Macht wird uns hoffentlich zum rechten Zeitpunkt in die richtige Richtung stossen.
Ich habe letztes Jahr im Zürcher Oberland eine Aufführung der 3 welschen Künstlerinnen Anne-Sylvie Casagrande, Edmée Fleury und Gisèle Rime erleben können. Ihr Ensemble nennen sie „Vokal-Trio NORN“. Sie verkörpern die aus der germanischen Mythologie bekannten Schicksalsgöttinnen, die die Fäden des Schicksals spinnen und weben.

Ihr Gesang, ihre wunderschönen Filzkleider, ihre Bewegungen und Tänze sind mir vor Augen, wenn ich versuche, mir eine Schicksalsmacht vorzustellen. Mit ihren seltsamen Klängen und der Kunstsprache, aber auch mit ihren Bewegungen nahmen sie uns in ihre Sphären und ihr Arbeitsfeld mit. Da lachten sie, wenn sie Wege zeigten oder grinsten, wenn sie solche abschnitten, wohl wissend, was das für den Menschen bedeutet.

So erlebe ich jetzt meine Wohnungssuche. Ich befinde mich oft auf einer Achterbahn, dann wieder auf einem scheinbar guten Weg, obwohl sich dieser bis heute noch nicht als der richtige erwiesen hat. Immerhin habe ich schon viele wertvolle Erfahrungen gesammelt.

Dass ich jetzt innerhalb des Blogateliers mein Anliegen formulieren darf, freut mich riesig.
*
Für unseren 2-Personenhaushalt suchen wir eine
3-, 3 ½- oder 4-Zimmer-Wohnung

Stadt Zürich, Kreise 2, 3, 4, 5, 8, 9, 10.
Nicht am Berg. Wir möchten noch lange Velo fahren.
Mit Lift.

Nicht an einer stark befahrenen Strasse.
Mindestens 1 Baum möchte ich in meinem Blickfeld haben.

Monatliche Miete bis CHF 1500.–.

Bis Ende September sollten wir das jetzt bewohnte Haus spätestens verlassen.
Wir können aber sofort ausziehen, wenn eine neue Wohnung gefunden worden ist.
Vielleicht sind wir als „Nachmieter“ interessant.

Nachtrag vom 20.02.2008
Jetzt ist das Rätsel schon gelöst, der neue Mietvertrag unterschrieben.
Es scheint, dass unsere Vorgaben mehr als erfüllt worden sind.
Rita Lorenzetti

Freitag, 25. Januar 2008

Bern: Vom Rosengarten über den Friedhof zu Paul Klee

Auf gut Glück sind wir in Bern zum Rosengarten gepilgert, doch die Ahnung bestätigte sich. Das Restaurant befindet sich noch bis März im Winterschlaf. Gleichwohl ist ein Spaziergang auch im Winter lohnenswert, denn die Aussicht auf Bern, auf ihre Altstadtreihen und den sie umfliessenden Aareschlauf ist einfach wunderschön.
 
Hier oben auf dem Hügel, der sich vom Bärengraben her auf dem Fussgängerweg „Aargauerstalden“ erreichen lässt, befindet man sich in einer Parkanlage, von der es heisst, sie sei ein Mekka für jeden Blumenliebhaber. Hier blüht vom Frühling bis zum Herbst immer etwas. Rosen, Rhododendren, Azaleen und Iris, geben den Ton an. Der Park ist auf einem alten (17651877), still gelegten Friedhofgelände angelegt. Eine Oase. Ein Ort fern von hektischem Stadtleben und der Stadt doch nahe.
 
Wir waren zur Buchpräsentation ins ehemalige Pförtnerhaus am Rande des Schlosshaldenfriedhofs gekommen, wo der „Verlag Rothe Drucke“ die bibliophile Ausgabe „Wer auch immer“, eine Grafikedition mit Werken von Alois Lichtsteiner, auflegte. Der Weg dorthin liess sich gut mit dem Besuch im Rosengarten kombinieren. Später bereicherten noch der Spaziergang durch den angrenzenden Friedhof und einige Zufälle unser ursprüngliches Ziel.
 
Da war einmal der Bereich der Gräber für Kinder. Mit seinem Sammelsurium von sich bewegenden Elementen, Windrädern, Blumen, Figuren, Worten und Bildern war eine frohe Stimmung auszumachen, obwohl der Tod von Kindern etwas Tieftrauriges ist. Hier wehte ein versöhnlicher Geist. Gleich daneben fanden wir unerwartet das Grab von Paul Klee und seiner Frau und realisierten bald einmal, dass wir uns im nahen Umfeld jenes Zentrums befanden, das 2005 für seine Werke geschaffen worden war.
 
Der Text auf der Grabplatte ist anrührend. Es heisst da:
 
„Hier ruht der Maler Paul Klee 18.12.1879–29. Juni 1940
 
Diesseitig bin ich gar nicht fassbar. Denn ich wohne grad so gut bei den Toten, wie bei den Ungeborenen. Etwas näher dem Herzen der Schöpfung als üblich. Und noch lange nicht nahe genug.“
 
Gleich nebenan ist der Weg zur Luft-Station angelegt. So lautet auch der Name eines Werkes von Klee. Um die Form eines Kegels führt ein Pfad spiralförmig nach oben und belohnt alle, die diesen kurzen Weg gehen, mit der grossartigen Aussicht zum Alpenkranz hin.
 
Die gute Stimmung blieb um uns auch im „Zentrum Paul Klee“, beim Essen und später im Gespräch mit einer Museums-Angestellten, die auf den Auftakt zum Ausstellungsjahr 2008 hinwies. Die neue, am 26. Januar 2008, anlaufende Ausstellung widmet sich der GENESIS und behandelt das Thema „Die Kunst als Schöpfung“. Die Themen sind weitreichend und spannend. Sie können unter www.zpk.org aufgerufen werden. Zu dieser Ausstellung würden auch lebende Hühner gehören, sagte uns diese Frau. Man sei eben daran, den Hühnerhof aufzubauen. Gerade vorhin seien die Hühner angeliefert worden. Da fanden wir sie dann draussen, noch in ihren Plastikkörben, eng zusammengepfercht, wartend, was da kommen soll. Sie dauerten mich. Es waren schöne Exemplare, auch ein Perlhuhn und farbig schillernde Hähne. Sie dürfte es wenig interessieren, was die Menschen im Gesprächslabor dann miteinander beraten und zum Thema „Vom Urknall zum Homo Sapiens“ denken werden. Hoffentlich wird ihnen ein artgerechter Hühnerhof aufgebaut, in dem sie ein anständiges, ihnen entsprechendes Leben führen können. Was nützen alle Worte, wenn sie nicht auf die Bedürfnisse des Lebendigen eingehen?
 
Im Laufe des vergangenen Jahres kam ich erstmals ins Zentrum Paul Klee. Die Frauengruppe, der ich angehörte, wurde von 2 verschiedenen Personen (eine Frau und ein Mann) durch die Ausstellung geführt. Ich war jener zugeordnet, die von einem Kunsthistoriker betreut wurde. An ihn dachte ich bei diesem erneuten Besuch und dem Anblick der Hühner. Zu viel Wissen und zu viele Worte können schädlich sein. Wir wurden damals mit kunsthistorischem Wissen geradezu übergossen. Es gab im Referat keinen überflüssigen Atemzug. Eine echte Begegnung mit einem Bild war für mich unmöglich. Ich bekam Kopfweh und beneidete die andere Gruppe, die auf ganz ruhige Weise den gefühlsmässigen Zugang zu Klee fand.
 
Der erneute Besuch in denselben Hallen hat nun einen Ausgleich geschaffen. Primo und ich liessen uns von Bildern gefühlsmässig leiten. Wir schauten und hörten. Heisst es nicht: Ein Bild spricht mehr als 1000 Worte?
 
Literatur zu Ausstellungen und Künstler-Biografien interessieren mich auch. Aber erst, wenn ich wieder zu Hause bin und ich das Geschaute verinnerlicht habe.
 
Ganz anders die Situation, wenn Kühe sich mit Kunstbüchern befassen. Ein Lieblingswitz von mir lautet so:
Auf der Wiese, in zartem Gras liegend, vertieft sich eine intellektuelle Kuh in die Betrachtung eines Bildbandes. „Was siehst du dir an?“ fragt der Ochse. „Etwas Faszinierendes von meinem Lieblingsmaler.“ „Wie heisst er denn?“ „Klee.“

Sonntag, 20. Januar 2008

Überforderte Ohren streikten und erschreckten mich bös

Nach diesem Telefongespräch fühlte ich Panik. Letizia hatte angerufen und mir die erwartete Information geliefert. Sie war zu Fuss auf dem Heimweg und in heiterer Stimmung. Ich hörte sie schlecht, machte darauf aufmerksam. Der hektische Verkehr werde mich stören, folgerte sie. Und ich, etwas aufmüpfig, verwies auf den Akku ihres Natels. Der sei offenbar am Auslaufen. Nein, keine Anzeige. Alles in Ordnung.
 
Als ich aufgelegt hatte, änderte das gar nichts. Das Knistern im Ohr ging weiter. Jetzt wurden die Nachrichten aus dem Radio zerhackt. Unerträglich. Beängstigend. Mit den inneren Augen „sah“ ich dann meine Ohren als verschlossene Tore, an denen die Schwingungen von Worten aufschlugen, schepperten und zu Boden fielen. Noch nie so erlebt, obwohl ich Schmalzpfropfen kenne.
 
Ich musste mich in einen stillen Raum zurückziehen, um nicht verrückt zu werden.
 
Am andern Morgen säuberte der Arzt meine Ohren. Jetzt fühle ich wieder eine Kathedrale um mich. Viel Raum für Worte und Klänge. Jetzt können sie wieder schwingen und ausklingen. Aber schrille Töne, wie sie beispielsweise Kabarettisten alter Schule noch gebrauchen, irritieren sofort. Das wird eine Alterserscheinung oder vielleicht sogar ein Zeichen für die zurückgewonnene Hellhörigkeit sein.
 
Wieder zu Hause, sandte ich Letizia ein Mail: Nicht dein Natel war schuld am gestörten Empfang, sondern der Schmalz in meinen Ohren. Fazit: Immer zuerst den Fehler bei sich selber suchen, nicht bei den andern!
 
Und sie meldete zurück: Ich musste herzhaft lachen!

Freitag, 11. Januar 2008

In meiner Rückschau gäbe es da und dort viel zu danken

Ruedi war Buchdrucker und Fotograf alter Schule, als er noch im gleichen Gebäude arbeitete, in der sich auch unsere Werkstatt befand. Ein begeisterungsfähiger Mann, der keine Mühe hatte, sich auf Experimente einzulassen, auch wenn sie auf den ersten Blick nicht berufskonform waren. Er druckte uns verschiedenste Geschäftspapiere, Holzschnitte und ebenso Holz als Struktur.
 
Dann trennten sich unsere Wege, weil er an einem anderen Ort Arbeit fand. Jetzt, nach über 20 Jahren, meldete er sich wegen einer Schreinerarbeit wieder bei uns. Sein Besuch liess viele Erinnerungen aufsteigen. Ich freute mich, ihm zu sagen, dass wir seine Arbeiten immer noch schätzten und dass ich mir bewusst sei, wie viel er für uns getan habe.
 
Er schmunzelte, denn er wusste das selber auch. Nur ist es so, dass wir manchmal gar keine Möglichkeit haben, solche Einsichten auszusprechen. Ruedi war weggezogen. Wir hatten keine Adresse mehr von ihm. Er kreuzte unsere Wege nicht mehr. Und selbst wenn in Gedanken die Zusammenarbeit manchmal als wertvolle Erinnerung aufblitzte, setzte ich mich nicht hin und schrieb ihm. Die Rechnungen waren ja bezahlt. Und doch wünsche ich mir manchmal, die besondere Leistung, die wir anderswo nicht bekommen hätten, zu erwähnen.
 
Maurice, dem Südfranzosen, konnte ich nie danken, denke aber immer wieder einmal an ihn. Wir arbeiteten in Paris im selben Buchverlag. Ich war dort als Stagiaire angestellt, bearbeitete die eingegangenen Bestellungen, und er verpackte die Bücher. In der Pause holte er seine Gitarre und spielte hingebungsvoll Stücke von Manuel de Falla. Zum Ritual gehörte auch ein Apfel, den er anschliessend ass.
 
Von ihm hörte ich erstmals von den schädigenden Spritzmitteln, die über die Obstbäume gesprüht würden. Darum wusch er den Apfel jedesmal mit der unparfümierten Marseille-Seife und polierte die Haut des Apfels mit einem sauberen Tuch, bis sie glänzte. Das mache ich seither auch so. Und dafür möchte ich ihm danken. Er vermittelte mir, damals 19-jährig, die ersten Ansätze für eine bewusste, gesunde Ernährung.

Dienstag, 8. Januar 2008

Während der Bahnfahrt wird geplaudert und ausgeplaudert

Im Eisenbahnabteil neben den Einrichtungen für den Velo-Transport waren Primo und ich die einzigen, die keine SMS erhielten oder abschickten, nicht am Computer arbeiteten und auch keine Musik oder Botschaften über Kopfhörer empfingen.
 
Uns vis-à-vis arbeitete ein Mann am Computer und trug diesen von Zeit zu Zeit in den Bereich des Gepäckwagens, wo er ihn vermutlich an eine elektrische Steckdose anschliessen und seine Botschaften loslassen konnte.
 
Später telefonierte er seiner Frau oder Freundin, meldete die Zugsankunft und überliess ihr grosszügig die Menuwahl für das Abendessen. Er meldete, dass er sich darauf freue. Dann klingelte sein Handy, und er musste Fragen von einem Mitarbeiter beantworten. Unmöglich, dass ich das Gespräch hätte ignorieren können. Er sprach in normalem Konversationston über die Möglichkeit von Kunstgriffen in der Buchhaltung oder vielleicht von einer Daten-Erhebung, die noch etwas zurechtgebogen werden musste. Es war Jahresende und ein anderer Mitarbeiter hatte diese Eingriffe verschlafen. So verstand ich die Geschichte, die mich grundsätzlich nichts angeht, die ich aber zwangsläufig mithören musste. Was würde wohl ein Vorgesetzter dazu sagen? Ich stellte mir zeitweise vor, dass hinter seinem Rücken ein Mann aufstehen und ihn zur Rede stellen könnte.
 
Was ich als Zumutung empfinde, scheint aber normal zu sein. Dieser Mann war nicht der einzige, der uns Bahnfahrende mit einer Art Hörspiel unterhielt. Dominant auch eine junge Frau, die mit einer Freundin telefonierte und ihr die Wettersituation in jenen Städten schilderte, in denen sie sich in den vergangenen Wochen aufgehalten habe. War sie vielleicht eine Flugbegleiterin? Es tönte trotzdem unglaubwürdig und vor allem laut.
Und ich schaute unentwegt in die verschneite Landschaft und wie sich die Nebelschwaden vor den schroffen Felsen der Churfirsten bewegten und uns sogar eine Durchsicht in hintere Welten öffneten, wo die untergehende Sonne einen Felszacken berührte und ihn kurz aufblitzen liess.
 
Primo und ich verständigten uns während der ganzen Fahrt höchstens mit bedeutungsvollen Blicken. Erst später habe ich realisiert, dass wir unsere Empfindungen zu den schönen Landschaftsbildern wohl hätten aussprechen können, denn die meisten Mitreisenden waren ja verkabelt und hätten uns gar nicht gehört.