Letzte Woche haben wir eine neue Brücke bekommen. Den Ampèresteg für Fussgänger und Velofahrende über die Limmat. Er verbindet Zürich-West mit Wipkingen.
Als die Betonpfeiler geschaffen und im Fluss verankert waren, wurden
die beiden Brückenelemente angeliefert. Das Regionaljournal berichtete
über das Schauspiel, als der grösste in der Schweiz verfügbare Baukran
die eine Brückenhälfte durch die Lüfte hievte. Es musste dann leider
vorzeitig abgebrochen werden. Die Bohrungen im Pfeiler entsprachen nicht
den Verankerungsteilen am 2. Element. Dieses konnte erst später
eingesetzt werden.
Vorerst also nur eine halbe Sache. Der Radio-Berichterstatter
befragte dann einzelne Zuschauer, wie ihnen das Werk gefalle. Da hörte
ich einen Mann voller Abscheu sprechen: Es handle sich bei dieser
Brückenkonstruktion um ein U aus Beton. Die Seitenwände seien extrem
hoch, aber mit Löchern versehen, damit wir Ausblick aufs Wasser fänden.
Eine Betonbrücke! Ich war enttäuscht und rechnete mir aus, dass mich
dieser neue Schandfleck überleben werde. Solche Arbeiten können nicht
sofort entsorgt werden, wenn sie den Anwohnern nicht gefallen. Als ich
am Mittagstisch davon berichtete, stand ich auf und stellte mich in den
Türrahmen meiner Küche und zeigte meinem Mann, wo ich die Ausgucklöcher
vermute. Auf Augenhöhe – natürlich auf der meinen!
Am Nachmittag schaute ich mich einmal auf dem Bauplatz um. Die eine,
schon gesetzte Hälfte wirkte nicht plump. Der andere Teil jedoch, auf
der Ampèrestrasse liegend, wies viel höhere Seitenwände auf als ich sie
mir vorgestellt hatte. Doch war die Brücke nicht aus Beton, sondern aus
Stahl geschaffen. Trotz der grossen Ausmasse wirkte sie leicht. Und ich
fand viele Löcher in den Seitenwänden, für viele Augenhöhen, nicht nur
für die meine.
Jetzt ist der Steg eingeweiht. Dass er mir gefällt, verdanke ich
jenem Mann, der sich übers Radio sehr abwertend äusserte. Das Vorurteil
mit allen bösen Befürchtungen traf nicht zu. Darum freue ich mich. Die
schwungvolle Konstruktion, die auf der Wipkingerseite schmal beginnt und
sich nicht nur nach Zürich-West, sondern auch in die Höhe schwingt,
gefällt mir jetzt. Sie deckt sogar noch die Brücke der Westtangente
vorteilhaft ab. Noch meckern etliche Anwohner. Sie mussten keine
Vorurteile ablegen wie ich, sehen die Sache unbeeinflusst an. Unter
einem Steg verstehen sie etwas Bescheideneres. Aber er dient uns allen,
erleichtert uns den Flussübergang. Ich würde mich nicht wundern, wenn er
nach Jahren zu den schützenswerten Bauten gehören sollte.
Nur eines missfällt mir: 3 Tage nach der Einweihung finde ich schon
schwarze Sprayer-Motive auf der roten Innenwand. Nichts wird von diesen
Schmierern verschont. Ein Spatz versöhnt mich dann. Aus dem Flussraum
angeflogen, pfeilt er durch eines der Gucklöcher, schwingt sich über den
Steg und setzt sich in ein gegenüberliegendes Loch ab. Da sitzt er.
Interessiert schaut er zu, wie Menschen vorübergehen. Es gefalle ihm
ausnehmend gut hier, vernehme ich. Prima Plattform, der Sitz im Rund wie
für ihn geschaffen.
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