Montag, 3. August 2015

Der vorgesehene Schlusspunkt war nur ein Etappenhalt

Es sind 363 Geschichten, die in mein Blog-Archiv überführt und zum Teil mit Fotos ergänzt worden sind. Alle erschienen einmal im Textatelier Hess von Biberstein, und sind dort auch heute noch abrufbar. Sie ruhten zudem in meinem Computer und auch in einem Ordner auf Papier. Bescheiden und still.

Seit Ende Juli befinden sie sich als Ausstellungsgut in lichtvollen Computer-Räumen. Nach Jahrgängen und Monaten geordnet. Zusätzlich auch über Themenbereiche, die unter dem Titel Labels erreichbar sind. Die meisten Geschichten sind in verschienen Rubriken zu finden, weil meine Gedanken immer aus dem Zusammenfluss verschiedener Quellen entstanden sind.

Diese Ausstellungsräume besuche ich jetzt spontan. Ich lese diesen und jenen Text. Es sind meine "Kinder". Ich schaue sie an, wie man ein Neugeborenes staunend betrachtet. Warum schreibe ich? So dachte ich auch wieder einmal. Und nahm dann das Heyne-Tierkreis-Taschenbuch für die astrologischen Zwillinge zur Hand.

Und wieder einmal staune ich, wie die Beschreibungen dieses Tierkreisabschnittes auf mich passen. Jedes Detail zur Symbolik der astrologischen Zwillinge trifft auf mich zu. André Barbault*, einer der ganz grossen Astrologen, geboren 1921, erklärt das luftige Element, nennt die prägenden Atmungsorgane. Ein Austausch finde statt: durch die Ein- und Ausatmung, die Sprache, die Hände, die Nerven, das Gehirn. Das Zeichen verkörpere alle Empfindungen des vielseitigen Menschen in all seinen Kontakten mit der Umwelt, dem unmittelbaren Austausch mit seiner Umgebung.

Mit dieser Veranlagung konnte ich meine Geschichten schreiben.

Mit dem Abschiedsblog vom 18.07.2015 wollte ich die Blog-Ära beenden. Als ein abgeschlossenes Werk. Da kam ich aber nicht gut an. Man erwartet von mir, dass ich weiter schreibe. Meine Töchter und auch einer der Brüder sprachen mich immer wieder in diese Richtung an. Und auch aussenstehende Leserinnen oder Leser äusserten sich zustimmend. Ein Freund unserer Familie schrieb "Dein Blog ist eine riesige Zauberkiste". Ursula Hirsch, bildende Künstlerin, schrieb, nachdem sie Beiträge zur Expo Milano gelesen hatte:

Ich mag deinen Stil, leicht staccato, viel Info und wenig schmückendes Beiwerk, nicht immer gleich wertend oder sonstwie mit all zu persönlicher Note, einfach gut. Jupp, ich war also in Milano.

Sie sinnierte zudem noch über unsere 2. Lebenshälfte und den dazugehörigen neuen Konzepten, solche, die uns noch besser unterstützen als die bisherigen und solche, die einfach nur uns gehören.

Und einer Bekannten, die mir unlängst am Telefon viel Leid und Mühsal beschrieb, schickte ich den Link zu meinen Texten und lud sie zum Lesen ein. Nach 3 Tagen rief sie mich an. Sie könne nicht mehr aufhören. Die Geschichten seien sooo spannend und würden ihr helfen, die Zuversicht nicht zu verlieren.

Und dann staunte ich auch über mich selbst. Als ich das Werk als vollendet ansah und zurücklehnen wollte, spürte ich ständig schriftdeutsche Sätze in mir aufsteigen. Solcherart, wie sie mir jeweils zugekommen sind, wenn ich nach einem Thema ausschaute und dann plötzlich wusste: Das ist es. Damit könne ich etwas anfangen. Darauf hatten meine Töchter nur gewartet. Also: Ich bin wieder da! Nicht jeder Tag wird eine neue Geschichte aufrollen. Aber nach und nach werden sich neue im Archiv einfinden. Alle gespeicherten Texte sind jederzeit abrufbar. Lesestoff für manche Stunde.

Fantasie wird gewiss auch Popi beisteuern. Der gestrickte Kerl ist bereits 45-jährig und in unserer Familie eine Autorität. Um ihn ranken sich allerlei Geschichten. Auf seine Art ist er eine moralische Figur und doch auch ein lustiger Kerl.

*Das Heyne-Tierkreis-Taschenbuch (erschienen 1961) besitze ich seit Jahrzehnten. Sein Inhalt gab mir in den 70-er-Jahren den Schub, mich mit der Astrologie anzufreunden. Dank ihr habe ich verstehen gelernt, wie verschieden wir Menschen sind. Und weiter habe ich die Anlagen und Talente in meinem Mann und den Töchtern verstehen und mehr schätzen gelernt.

Dienstag, 21. Juli 2015

Herzlich willkommen in Ritas Blog-Archiv


Es hütet meine Beiträge, die ich während 10 Jahren für das Textatelier Hess von Biberstein geschrieben habe. Es darf und soll besucht werden. Die Geschichten entstammen meinem persönlichen und unserem Familienleben. Angeregt von der Tochter Letizia, entstand diese Sammlung.

Das Tor ist nun allen Interessierten zugänglich.

Ich freue mich auf Besuche, auf Echos. Und hoffe, dass sich unsere Gedanken da und dort treffen.

Rita Lorenzetti-Hess, Zürich

Samstag, 18. Juli 2015

Rita Lorenzetti: "Jetzt sage ich adieu!"

Ich grüsse die Leserinnen und Leser dieses Blogateliers

Und sage es gleich zu Beginn: Es ist ein Abschiedsgruss. Einer der nicht leichtfertig ausgesprochen wird. Ich verlasse das Textatelier Hess von Biberstein.

Ich spüre mein Alter und dazugehörige Beschwerden. Ich spüre und erlebe, wie sich die Welt verändert und damit beschäftigt ist, einer neuen Epoche das Gepräge zu geben. Ich bin ein Auslaufmodell geworden und für neue Gesellschaftsordnungen gewiss nicht zuständig.

Schon seit Wochen dachte ich darüber nach, aus der Textatelier-Gemeinschaft auszusteigen. Den Schlusspunkt nach 10 Jahre Mitarbeit setzte nun der Tod von Walter Hess.

Gerne denke ich an die gute Zusammenarbeit mit ihm. Er schenkte uns viel freien Raum für unsere Gedanken und Texte. Er schätzte unsere Verschiedenheit und lobte dementsprechende Beiträge. Er zeigte seine Begeisterung. Manchmal wies er auf Themen hin, die im Blogatelier noch nicht behandelt wurden. Meist aber schrieben wir, was uns gerade umtrieb.

Die Arbeit ist das Eine. Die Leserschaft das Andere. Ihr danke ich gern. Das Echo auf unsere Beiträge, ablesbar an den Zahlen der Textatelierbesuche, sprachen immer eine deutliche Sprache. Unsere Arbeit wurde offensichtlich geschätzt. Sie interessierte. Man konnte sie gebrauchen.

Jetzt sage ich adieu!
Danke für die Wertschätzung unserer Arbeit.
Ihnen allen: Ein gutes Leben. Alles Gute.

Damit die Beiträge für die Enkelinnen nicht verloren gehen, hat meine Tochter Letizia ein Archiv für meine Blogs aus dem Textatelier Hess von Biberstein erstellt.

Der Schlüssel zu ihm lautet ritas-blog-archiv.blogspot.ch
Es darf besucht werden.

Sonntag, 12. Juli 2015

Die alte Dame, der Schauspieler und Erinnerung an sie

Die folgende Erzählung hörte ich im Jahr 1987 im Schweizer Radio. Wolfgang Stendar, der bekannte deutsche Schauspieler, erzählte sie.

Eine persönlich erlebte Geschichte mit einer alten Dame, die er nach einer Vorstellung zum Bahnhof begleitete.

Sie geht mir immer noch nach. Besonders wenn ich irgendwann und ohne einen Zusammenhang mit mir das Wort Kassel höre.

Die Dame erkannte den Schauspieler nicht, als er sich anerbot, sie im Auto zum Bahnhof zu führen. Sie sollte einen bestimmten Zug noch erreichen können. Sie war etwa 70 Jahre alt und ging am Stock. Als sie ihn fragte, ob er auch im Theater gewesen sei, gab er sich als "der König" zu erkennen.

Sie freute sich über diesen besonderen Tag, an dem ihr eine Freilichtaufführung geschenkt, und an dem sie von einem König zur Bahn gefahren wurde.

Sie war Wittwe und hatte im Krieg ihre Söhne verloren. Ein gelegentlicher Theaterbesuch schenkte ihr grosse Freude. Sie lebte in einem Altersheim.

Gerne hätte sie dem Schauspieler etwas geschenkt. Kurz bevor der Zug einfuhr, öffnete sie die Tasche, um die Fahrkarte herauszunehmen. Da sah sie das belegte Brot, das ihr die Wirtschafterin im Heim liebevoll vorbereitet hatte. Sie schenkte es ihm.

Er erzählte diese Episode warmherzig und spannend. Gebannt sass ich vor dem Radio, als eine meiner Töchter die Stube betrat. Und auch sie wurde von den Worten und der darin enthaltenen Menschlichkeit sofort ergriffen und blieb unter der Tür stehen.

Da hörten wir zusammen noch den letzten Satz: "Sie winkte aus dem Zug, der um Mitternacht wegfuhr. Nach Kassel."

Mittwoch, 1. Juli 2015

Güterhof Schaffhausen, der Rheinfall und das grosse Los

Als wir in Schaffhausen unterwegs waren, kamen wir an einem Kiosk vorbei. Primo sagte unerwartet: Hier wäre ein Lotterie-Los für mich passend. Es war mein Geburtstag. Letizia griff die Idee auf, wandte sich an die Kioskfrau. Diese riet zu einem Swisslos. Sie fragte nach dem Sternzeichen und gab mir eines aus der Rubrik Zwillinge. Es kostete 10 Franken. Letizia spendierte es. Ich öffnete es und sah, dass ich gewonnen hatte. Wie viel? 10 Franken. Und dazu ein fröhlicher Moment. Wirklich lustig. Wir konnten herzhaft lachen.
Schaffhausen am Rhein ist die nördlichste Stadt der Schweiz. Ein Ort mit gepflegter und verkehrsfreier Altstadt. Für uns immer wieder einen Besuch wert. Besonders auch wegen der Geschichte jener jungen Forelle, die ich im Blog vom 25.03.2007 erzählt habe.

Diesmal wollten wir den Güterhof im Hafenviertel kennenlernen. Ein Gastronomiebetrieb, der in einer ehemaligen Lagerhalle eingerichtet worden ist. Im Hafenviertel, wo einst Salz, Getreide und Rohstoffe für den Transport auf dem Rhein gelagert wurden. 2008 wurde dieser umgenutzte Raum eröffnet.

Die Halle ist Halle geblieben. Ihr Raum eine Wucht. Die Zimmermannsarbeit grandios. Eine Wohltat, da drinnen zu sitzen. Wir bewunderten die Holzkonstruktion und auch die offene Showküche. Es wird von regionalem und internationalem Flair gesprochen. Diesem Raum wurden die alten Proportionen respektvoll erhalten.

Und die Küche begeisterte uns ebenso. Wir wählten individuelle Speisen, waren von allem angetan. Letizia fotografierte die Teller und entwickelte später mit den Fotos ein Ratespiel für die Enkelinnen im Ausland. Diese mussten erraten, wer was bestellt hatte. Es hat Spass gemacht. Für sie und auch für uns. Bereits ist die Anfrage hier eingetroffen, ob wir bald wieder so ein spannendes Rätselspiel senden könnten.

Wir besuchten dann auch wieder einmal den Rheinfall, fuhren mit dem Bus ab SBB-Bahnhof Richtung Neuhausen. Der Chauffeur wies uns dann den Weg. Obwohl derzeit eine Baustelle die Übersicht auf dem Anmarschweg etwas behindert, konnten wir mit seinen Angaben unser Ziel sofort finden.

Es war viel Regen gefallen. Der Fluss reich an Wasser. Das Naturschauspiel dementsprechend grossartig.

Die Postkarte von diesem Ort vermittelt Zahlen, die aufschlussreich sind:
Rheinfall (Schweiz)
Totale Breite des Falles 150 m
Totale Höhe des Falles 23 m
Alter des Falles 14 000 bis 17 000 Jahre
Maximalste Abflussmenge 1250 m3/Sek.
Mittlere Sommerabflussmenge 600 m3/Sek.
Mittlere Winterabflussmenge 250 m3/Sek.

Wir verweilten lange, schauten dem Fluss zu, wie er gemächlich ankam und dann in die Tiefe stürzte. Das von Felsen gestaltete Flussbecken brachte vielerlei Strömungen hervor. Ich sah auch Kreisel und aufsteigende Gischt.

Ich komme nochmals auf die Forelle im Rhein zurück. Auf ihre Metapher. Auf den Lebenslauf, der unseren Leben sehr ähnlich ist. Es gibt ruhige Zeiten, ruhiges Dahinfliessen, heitere und auch glückliche Tage. Und auf einmal plötzlich Abstürze. Unvorbereitet werden wir vom Leben, von der Zeit, auch von Sorglosigkeit plötzlich in die Pflicht genommen, ins Dunkle des Abgrundes gerissen. Um kurze Zeit später wieder aufzusteigen. Die Erfahrung aber, die bleibt in uns lebendig. Wir nennen sie Lebenserfahrung.

Freitag, 19. Juni 2015

EXPO 2015: Für die Lebensfreude wurde auch gesorgt

Im Umfeld des Baum des Lebens (Lake Arena) traten öfters italienische Folkloregruppen auf. Musikanten in Trachten ihrer Region. Mit Fahnen, Trommeln, Schalmeien, Säbeln und Schwertern führten sie traditionelle Tänze auf. Jedes Mal aus einer anderen Gegend Italiens. Zudem sind dort neuartige Schaukelstühle in der Form von Zwirbeln platziert. Hier wird viel gelacht. Und der prächtige Springbrunnen steigert jede Begeisterung.

Auch die Hauptstrasse wurde oft als Bühne erlebt. Clowns und Jongleure traten auf. Einmal schauten wir 2 Männern zu, die sogar mit ausgewalltem Pizzateig jonglierten.

Im Umzug marschierten Menschen als Äpfel, Birnen, Tomaten und Randenknollen verkleidet einher. Farbenprächtig, fröhlich, lustig. Italienisches Disneyland.
Viel Applaus erntete New-Orelans-Jazz. 9 Männer sassen in einem Gefährt, das Velo ähnlich wie ein Verkaufskiosk fortbewegt wurde. 3 Männer hintereinander, 3 Männer nebeneinander sitzend, traten in die Pedalen und spielten gleichzeitig Musik.

Zu den Lebensfreuden zähle ich auch die Fotografie von flatternden, farbigen Bändern im vornehmen Zelt des Iran. Aus ihnen muss die Gestaltung des Wortes IRAN für diese Ausstellung entwickelt worden sein.

Lebensfreude kann auch im Erfolg jener Länder entdeckt werden, die um Wasser ringen müssen. Z.B. Oman. Ihre Darstellungen sind eindrücklich.

Und dank 3D-Filmen kamen uns Menschen aus der Pionierzeit von Israel nahe.

Marokko führte im Film die Herstellung von handgepresstem Arganöl vor. In ihrem Pavillon werden besonders die Sinne angesprochen und feinste Gewürze angeboten. In diesem Marokko fühlte ich viel Harmonie.

Ausserhalb der EXPO waren besondere Orte in der Stadt Milano für uns interessant. In einem Reiseführer las ich über die Galerie Vittorio Emanuele, sie sei die gute Stube der Italiener. Der Ort zum rituellen Abend- oder Sonntagsbummel. Wir schlenderten gegen Mittag durch diese feudale Einkaufsgalerie. Gebaut und überdacht wie ein Königspalast. Sie ist belebt. Sie beflügelt einen. Ich staunte, dass sie nicht nur den Reichen und Prominenten zugänglich ist. Hier sind die weltweit bekannten Labels anzutreffen. An den Schaufenstern ihrer Geschäfte strahlen ihre Namen golden auf schwarzem Grund. Promenieren durften auch wir über den mit Mosaiken geschmückten Boden.

Am Ausgang der Galerie Richtung Scala wurde Primo auf die Ausstellung IL MONDO DI LEONARDO aufmerksam (Die Welt des Leonardo da Vinci). Sie zog ihn buchstäblich ins Museum hinein und wir folgten ihm. Dank Audioguides in deutscher Sprache kamen wir den Ideen und Erfindungen des damaligen Universalgenies nahe. Diese Ausstellung dauert bis 31. Oktober 2015.

Primo bezeichnete die Metro ebenfalls als Stube Italiens. Die ¾ Stunden dauernden Fahrten zum EXPO-Gelände boten uns ein Bild von den hier lebenden Menschen. Auch von Touristen. Wir beobachteten die Menschenströme, ihr Kommen und Gehen, ihre Gesten und eine allgemein fühlbare wohltemperierte Wesensart. Woher? Wohin? Wir hörten auf die Sprachen, vereinzelt auch auf Schweizerdeutsche Worte. Sah man eine Zeit lang ein Gegenüber, verschwand es, wenn viele Personen zustiegen und nur einen Stehplatz vorfanden. In den Metrozügen von Milano sind einzig seitlich Sitzplätze eingerichtet. Sah man eine Zeit lang ein Gegenüber, verschwand es, wenn viele Personen zustiegen und nur Stehplätze vorfanden. Einmal sassen Primo, Letizia und ich auseinander verstreut. Als viele Reisende an einem Knotenpunkt ausstiegen, zwinkerten wir einander zu. Da wurde ich auf einen Mann aufmerksam, der auf uns aufmerksam wurde. Er bemerkte plötzlich, dass wir zusammen gehörten. Ich sah seine Augen von einem zum andern schweifen. Wie wenn er ein gleichschenkliges Dreieck gezeichnet hätte.

Im dichtesten Gedränge auf einer langen Strecke, etwa 20 Minuten lang, sprach ein junger Mann in ein Mikrofon, übte vielleicht eine Rede. Es tönte nach Klartext. Die scheppernde Metro bot ihm Schutz, liess die Sätze zittern. Niemand störte sich an ihnen. Das Fensterglas spiegelte den Auftritt des Mannes. Auch er wurde geübt. Er schien sich zu gefallen.

Das Gebiet NAVIGLIO GRANDE haben wir auch besucht. Hier fliesst Wasser durch einen 50 Km langen Kanal. Einst diente er als Wasserstrasse. Er verbindet Milano mit dem Fluss Ticino, der über den Po Warentransporte zur Adria ermöglichte. Zufällig trafen wir auf einen vielfältigen Gemischtwaren-Markt. Vom alten Werkzeug über Textilien, Hüte, Bücher, geschliffene Glaskugeln, Schmuck usw. Altes und Neues nebeneinander. Ein Händler hätte uns einige wenige 5-Liber (Fünffrankenstücke aus der Schweiz) verkauft, wenn wir den überhöhten Preis bezahlt hätten. Dieser Marktfahrer, ein alter Mann, hat die Münzen vielleicht zu einer Zeit gekauft, als der Schweizerfranken, anders als damals die Lira, einen sicheren Wert darstellte.

Dieses Gebiet NAVIGLIO GRANDE strömt viel kleinstädtisches Flair aus.

Dann trafen wir in seinem Umfeld auch noch auf den MERCATO METROPOLITANO. Eine alte Umschlaghalle für den einstigen Engros-Handel wurde in einen Lebensmittelmarkt umgewandelt. Mit fix eingerichteten Kojen. Grössere und kleinerei, alle in demselben Stil. Ein schöner Ort. Für verschiedenste Produkte einheitlich gestaltet. Einheitlich auch die handschriftliche Beschriftung. Sie sprach unsere gemeinsame Wellenlänge an.
Wahrscheinlich war das der sinnenfreudigste Ort, mit dem wir auf unserer Reise bekannt wurden. Hier trafen wir auf reelle Produkte: Brote, Fleisch, Gemüse, Teigwaren, Getränke usw. Lebendige Nahrung. Auch Verpackungen signalisierten Natürlichkeit. Alle hier tätigen Menschen waren engagiert, strahlten Begeisterung aus.
An diesem Ort, auch im Freien, konnte man auch essen. Vor dem Eingang boten junge Männer 4 Sorten Smoothies an. Pürierte Salate kombiniert mit Apfel, Beeren und Knollenfrüchten aus biologischem Anbau. Moderne Ernährung, zum Trinken.

Erstmals beobachteten wir in dieser Mercatohalle, wie ein Gast sein Glas Wein zum Mittagessen aus einem Getränkeautomaten beziehen konnte. Der Code auf dem Kassabon öffnete das Hähnchen, das den Wein seiner Wahl ins Glas fliessen liess.

IMG_7709_starhotel_echo_milano_breakfastroom Plötzlich schien mir, dass Gedanken, die der Expo 2015 zugrunde liegen, bereits keimen.
Das von Letizia ausgesuchte STARHOTEL E.C.HO im Umfeld des Hauptbahnhofes, entspricht ebenfalls einem Anliegen der EXPO-Philosophie. Hier seien beim Umbau des Hauses auf tiefen Energieverbrauch und Verwendung von bioökologischem Material geachtet worden.

Der Frühstücksraum in diesem Haus signalisiert Grün, empfängt die Gäste in einem Garten. Eine einzigartige Fototapete lässt uns im Glauben, draussen zu sitzen. Die damit erzeugte heitere Atmosphäre war nicht zu übersehen.

In Milano wacht die Marienfigur MADONNINA auf der höchsten Domspitze über die Stadt. Sie gilt als Wahrzeichen von Milano. Es heisst, dass sie bei gutem Wetter von Bergamo und auch von den nördlichen Voralpen am Comersee aus zu sehen sei.

Ganz nahe zu sehen ist diese goldene Marienfigur als Kopie auch auf dem EXPO-Gelände.

Weit ausstrahlen dürfte ebenfalls ganz allgemein die EXPO 2015. Mit ihrem grossem Engagement, mit vielen Errungenschaften, auch mit ihren Möglichkeiten, einander besser kennen zu lernen. Die anfänglich negativen Schlagzeilen müssen zur einseitigen Berichterstattung gehört haben.

In meinem 3-teiligen Bericht wurde nicht jede Einzelheit, die mich angsprochen hat, aufgeführt. Ich kann nur ermuntern, hinzugehen, zu schauen, zuzhören und eigene Schlüsse ziehen. Und wie gesagt: Englische oder Italienische Sprache erleichtert alles.

Anfänglich sah ich das Geschaute nur um mich schweben, an mir vorbeiziehen. Jedes neue Bild deckte ein vorgängiges ab. In der Zwischenzeit haben sich die Themen zu einem Erinnerungsschatz verfestigt.

Dienstag, 9. Juni 2015

EXPO 2015 nur für Italienisch und Englisch Sprechende?

Eigentlich ist mir das aus Deutschland eingewanderte Wort „aussen vor“ für ausserhalb oder draussen immer noch fremd. Aber in Milano verstand ich seine Aussage wie nie zuvor.
 
Ich befand mich ausserhalb meiner Sprache. An der EXPO2015 dominieren Italienisch und Englisch. Wir haben in den von uns besuchten Pavillons nur 3 Auskuntfs-Personen angetroffen, mit denen ein vertieftes Gespräch entstehen konnte. Klar, das ist ein persönliches Problem von Primo und mir. Aber dass keine Ausstellungsführer in deutscher und vielleicht auch in andern Sprachen vorliegen, empfinden wir als Mangel. Eine Italienerin, die Drucksachen verkaufte, umarmte mich, entschuldigte sich für ihr Land, dass man nicht an die Deutschsprachigen gedacht habe. Viele würden sich darüber beklagen. Wir seien doch Nachbarn.

In der Rückschau wundere ich mich, wie gut verständlich unsere holprigen Sätze bei ihr angekommen sind. Wir verstanden einander in grosser Herzlichkeit. Und dank Letizia, die Italienisch gut versteht.

Im Schweizer Pavillon, Bereich Spirito di Basilea, begegneten wir dann Friedrich Nietzsche. Seine Büste sprach vom Sockel herab. Auf die weisse Figur wurde ein Film mit Ton gesendet, der den Philosophen lebendig erscheinen lässt. Wenn er spricht, bewegen sich Augen und Mund. Wir haben ihm zugehört und ihn gut verstanden. Er sprach deutsch.
 
Weil wir im Pavillon von Grossbritannien die englisch gesprochenen Erklärungen nicht verstanden, bemühten wir uns, das dargestellte Thema eigenständig zu ergründen. Primo ahnte, dass es sich um ein wichtiges Thema handle und verwies auf die Energie. Er erinnerte sich an Erkenntnisse aus der Ausstellung „Phänomena“ (Zürich, 1984). Ebenso dachte er an Erfindungen von Buckminster Fuller, als wir vor dem filigranen Gebilde standen. Die miteinander verbundenen, gleichschenkligen Dreiecke verwiesen auf ihn.
 
Schlussfolgerung: Hier wird pulsierende Energie dargestellt. Ausgelöst durch Besucher, die sich auf dem Glasboden bewegen und das Gebilde in einen Erregungszustand bringen.
Später entdeckte ich eine Beschreibung dazu. Es handelt sich um einen 17 m hohen virtuellen Bienenstock, der pulsiert. Am späten Abend sahen wir diesen als Kugel, von tausenden LED-Lämpchen farbig leuchten. Sie wirkte sphärisch. Sie bewegte viele Menschen. 
Von der Biene und mehr noch von unserem Verhältnis zu ihr, hängt unser Sein oder Nichtsein ab.
 
In der RAILTOUR-Informationsbroschüre habe ich schlussendlich auch noch deutsch geschriebene Hinweise zu den 48 Länder-Pavillons gefunden. Grossbritannien schreibt zu seinem Auftritt: Das Design ist durch die einzigartige Rolle, welche die Bienenstöcke in unserem Ökosystem haben inspiriert.Das weltweite Bewusstsein über die Auswirkungen der Nahrungsmittelproduktion und -verbrauch auf das Leben aller Menschen soll mit diesem Beitrag erhöht werden.
In diesem Pavillon für Grossbritannien führte ein Labyrinth-ähnlicher Weg ins Zentrum. Gestaltet mit hölzernen Kisten, in denen Wiesengras und Blumen wuchsen. So platziert, dass wir dieser Wiese auf Augenhöhe begegnen konnten. Formen und Grösse aller Halme ergaben den Eindruck von einem filigranen Gesamtkunstwerk. Sie hatten sich zu einem prächtigen Spitzenmuster formiert. Ihre Erde muss gesund sein. Und durstig waren sie nicht.
 
An anderen Orten beelendet es einen. Da wurden Moose oder Gräser wie Tapeten an die Wand platziert, wo nährendes Wasser davon rinnen muss und versickert. Es stimmte uns traurig, verdorrtes Grün zu sehen. Die Betreuung einiger Pflanzen erschien uns zur Zeit unseres Besuchs Ende Mai 2015 sorglos und entsprach dem Motto der gesamten Weltausstellung nicht.
 
Fortsetzung folgt.

Samstag, 6. Juni 2015

EXPO Milano: Highspeed-Besuche in vielen Ländern

Was würde auch mein ehemaliger Deutsch-Lehrer zum oben erwähnten Titel sagen? Er impfte uns vor beinahe 60 Jahren grosse Vorsicht den Fremdwörtern gegenüber ein. Sie zu gebrauchen, sei Glückssache.Glückssache jetzt für mich. Ich suchte nach einem Wort oder Wortspiel, das unser gegenwärtiges Leben charakterisiert und fand es zufällig in einer Comic-Sprechblase. Darin redete eine Figur vom Leben in einer Highspeed-Welt.
 
Alles vollzieht sich heute schnell, schneller als noch vor wenigen Jahren. Viele Orte sind in kurzer Zeit erreichbar. Menschen aus allen Kontinenten können reisen. Viele im Hochgeschwindigkeitszug oder im Flugzeug. Und eine Weltreise an die Expo Milano antreten. Wir reisten in der Eisenbahn dorthin. Zu dritt. In nur 4 Stunden befanden wir uns in Mailand. So nennen wir Milano im Schweizer Dialekt.
 
Nach der Ankunft  blieben wir eine Weile auf dem Perron stehen und liessen die schwungvoll überdachte Bahnhofhalle auf uns wirken. Mitreisende hasteten an uns vorbei, ihren persönlichen Zielen zu. Wir blieben einfach nur stehen, bis aus dem Lautsprecher ein Hinweis ertönte, es stehe kein Zug zur Abfahrt bereit. Bitte nicht einsteigen.
 
Diese Mitteilung, offensichtlich an uns gerichtet, wirkte wie ein Schub. Wir griffen zu den Rollkoffern, verliessen die Halle, fanden unser Hotel in der Nähe. Der Reiseanbieter RAILTOUR hatte unsere Vorgaben umgesetzt, Zimmer im Starhotel E.C.HO reserviert und uns mit den erforderlichen Fahrkarten für Eisenbahn-, Metro- und EXPO-Eintrittsbillette ausgerüstet. Wir waren mit allen Dienstleistungen und Informationen sehr zufrieden.
 
Wir reisten mit der Metro ins Ausstellungsgelände. Und dort kam nochmals der Gedanke an eine Weltreise auf. Die Sicherheitskontrolle, wie sie am Flughafen üblich ist, wurde streng durchgeführt. Die Liste aller verbotenen Gegenstände würde hier einige Linien beanspruchen. Wichtig ist zu wissen: Auf dem Expo-Gelände gibt es keine Möglichkeit, Gepäck aufzubewahren.
 
Nach den erwähnten Schleusen trafen wir auf eine Schar Kinder. „Unsere Zukunft“, dachte ich. Wichtig wird sein, was ihnen Lehrer und Begleitpersonen hier vermitteln können. Immer wieder begegneten wir solchen Schwärmen. Begleitet von Spass und Lebensfreude.

Über eine hohe Treppe erreichten wir eine breite Brückenrampe. Sie überquerte Bahnlinien und eine Autobahn. Hier spielten Licht und Schatten mit Gittermustern, unterstützt von Sonne und Wind. Gepackt von ihren Bildern, die sie auf die Passerelle warfen, wurden wir nicht müde, empfanden den langen Anmarschweg sogar spannend. Am Abstieg der Passerelle zog uns ein unbekannter Blütenduft an. An der hohen Seitenwand wuchs eine flächendeckende Pflanze und ihre Blüten strömten verführerische Düfte aus. Sie verstand es, uns zu stoppen und einen Augenblick bei ihr zu verweilen. Dieser Duft wird noch lange mit der EXPO 2015 verbunden sein. Ein Militärpolizist nannte uns ihren Namen: Jasmin.
 
Auf dem EXPO-Gelände angekommen, zog es Letizia gleich zum Stand von GROM GELATO, dem sogenannt weltweit besten Glacé. Es erfrischte uns und wir wussten: Wir sind angekommen.

Danach fügten wir uns in die Hauptstrasse im Ausstellungsgelände ein. Aufgefächerte Sonnensegel überdachen sie. Sie filtern das Licht ohne das südliche Element in ihm zu verdrängen. Auf dieser breiten Strasse bewegten und bewegen sich sehr viele Menschen, ganz individuell. Wir haben keine Wegweiser, keine Befehle angetroffen. Es gab keine Gänge, wie z. B. in der Metro, wo Weg und Ziel vorgegeben sind. Jede Person entscheidet hier unabhängig, wohin sie gehen will. Mir fiel auf, dass sich alle Menschen, die uns am 1. Tag entgegenkamen, schneller bewegten als wir. Da waren wir noch die Staunenden, eben erst Eingetroffenen. Wir schlenderten, andere gingen zielbewusst einher. Oder befanden sich schon auf dem Rückweg.
Wir besuchten das EXPO-Gelände 3 x, jeweils am Nachmittag bis in den Abend hinein.
Am 1. Tag suchten wir Übersicht. Aber wir erreichten das Ende der Hauptstrasse noch nicht. (1.5 km lang) Unser Schritt veränderte sich erst am 2. Tag. Es war eine gewisse Übersicht und dazugehörige Zielstrebigkeit in uns gewachsen. Wir wussten jetzt besser, wohin es uns zog. Wir getrauten uns, auch hinter die Fassaden zu schauen, in Seitenwege einzubiegen und Pavillons zu betreten. Und wir mussten einsehen, dass eine so gigantische Ausstellung viele Tage, oder sogar einige Wochen beanspruchen würde, wollte man allen hier anwesenden Ländern gerecht werden.

Das Motto der Weltausstellung lautet 
DEN PLANETEN ERNÄHREN. ENERGIE FÜR DAS LEBEN.
Den Schweizer Pavillon entdeckten wir relativ rasch, und am Abend konnten wir schon beobachten, wie viel von der dort offerierten Nahrung weggenommen worden ist. Die obersten Räume in den Türmen waren beleuchtet.

Besucherinnen und Besucher dürfen im Schweizer Pavillon Nahrungsmittel beziehen. Salzpakete aus Schweizer-Salinen, Wasser, Apfelringe, Kaffee.

Es wird sich herausstellen, wie es um die Ansprüche der Gäste steht. Soviel ich weiss, dürfen sie dort für sich so viel wegnehmen, wie sie sich vorstellen, was ihnen zustehe. Es geht um das gerechte Verteilen. Wenn viele zu viel nehmen, hat es für andere zu wenig. Wird der eingelagerte Vorrat bis Ende Oktober ausreichen? Wenn die EXPO im Herbst ihre Tore schliesst, wissen wir, wie es um die Verantwortung den Ressourcen gegenüber steht.

Gerne würde ich dort oben unsichtbar verweilen und zuschauen, wie sich solche Freiheit manifestiert. Ob sie immer von Rücksicht begleitet ist.

Mir gefällt dieser Auftritt meines Heimatlandes. Ich werde bis Ende Oktober aufmerksam bleiben und auf Erfahrungen und Reaktionen hören.

Sonntag, 24. Mai 2015

Den Wallisern zuhören, wenn sie von der Seele reden

Der Film WINNA, Weg der Seelen wurde auch in Zürich gezeigt. Seine Geschichte spielt im Kanton Wallis. Dort leben immer noch Menschen, die alte Geschichten und altes Wissen respektvoll hüten. Die geografische Lage ihrer Heimat grenzte sie noch vor 100 Jahren im Winter von der Deutschschweiz ab. Darum sprechen echte Walliser immer noch von der Üsserschwyz (der Ausserschweiz), wenn sie uns, jenseits der Berge, meinen.
Diese Gegebenheiten brachten Menschen hervor, die eigenständig und sich selbst treu sein wollen. Beziehungen mit Wallisern verdanke ich viel. Sie nahmen mich mit in ihre Welt, ganz speziell in ihre Bergwelt. Sie erschlossen mir und meiner Familie viel vom Reichtum ihrer Mentalität und auch von ihrer warmherzigen, bodenständigen und klangvollen Sprache, ihrem Dialekt. Und seit jeher haben mich ihre Sagen angesprochen. Vor Jahrzehnten sendete das Schweizer Radio viele Walliser Sagen in unsere Stuben.
 
Als ich eine erste Filmbesprechung über den eingangs erwähnten Film las, war sofort klar, dass ich ihn sehen wollte. Es hiess, er sei eine Verbindung von Totensagen, übersinnlichen Erlebnissen und grandioser Walliser Bergwelt.
 
Im Film wurde einer Schulklasse aufgetragen, in ihrem Umfeld nach Geschichten rund um die wandernden Seelen zu fragen. Antworten von verschiedenen Personen und Persönlichkeiten bilden das Gerüst des Films. Eine junge Seherin und Therapeutin kann die Seelen sehen. Sie berichtet, dass sie von dieser Gabe anfänglich sehr belastet worden sei. Nach einer besonderen therapeutischen Schulung kann sie heute ihre Begabung als Aufgabe verstehen.
 
Im Film sahen wir den Gratzug dargestellt. Die auf einem Bergkamm wandernde Prozession von unerlösten Seelen. Lichttragende Gestalten in weissen Umhängen. Altvordere sollen solche gesehen haben. Nachfahren sprechen im Film davon.
 
Mit dem Wort Seele wollen heute viele nichts mehr zu tun haben, weil es ein Leben nach dem Tod voraussetzt. Aber der Begriff der guten Seele – eines Menschen, der vorurteilslos auf andere zugehen und hilfsbereit handeln kann – ist immer noch geläufig.
 
Aus meinen ersten Lebensjahren in der Grossfamilie hüte ich immer noch Geschichten, die mit dem Tod und einem Leben danach verbunden sind. Als kleines Kind erlebte ich, wie Todesfälle die Verwandten veränderten. Sie wurden milder. Vor allem die sonst allwissenden Männer. Sie erzählten sich Geschichten, die ins Jenseits verwiesen. Ich hörte auch, wie sie von verwandten Toten träumten. Und später kamen ähnliche Geschichten aus der Familie meines Ehemannes hinzu. Immer gab es die Schwelle und das Leben danach. Manchmal wurden auch Zeichen erkannt, die einen Tod meldeten. Z. B. wenn ein Bild von der Wand fiel. Von solchen Zeichen wird auch im Film gesprochen.
 
Auch im erwähnten Gespräch mit der Seherin erfahren die Kinogäste, dass viele Seelen noch nicht heimgekehrt seien, die Schwelle einfach nicht übertreten wollen. Da befand sie sich im Film im Stockalperpalast in Brig VS und zeigte mit einer Geste, hier wimmle es von herumgeisternden Seelen.
 
In jungen Jahren, als ich in Paris arbeitete und mit einer Nonne aus dem Kloster der Helferinnen der armen Seelen (Les auxiliatrices des âmes du purgatoire) befreundet war, muss ich mich dort in Gesellschaft mit noch nicht heimgekehrten Seelen befunden haben. Gespürt habe ich sie nicht. Rückblickend denke ich daran. Dieser Orden war den sogenannt armen, also noch nicht erlösten Seelen gewidmet. Hier wurde für deren Erlösung gebetet.
 
Das Diesseits und das Jenseits waren in meiner Familie unangefochtene Dimensionen.
 
Allerlei Erfahrungen in meinem Leben deuten für mich darauf hin, dass unsere Seelen, nachdem sie ihren Körper auf der Erde zurückgelassen haben, zum Ursprung zurückkehren. Wir bringen das Leben, das wir gelebt haben, mit verschiedensten Leerblätzen (ein Dialektausdruck) zurück. Leerblätze sind Lehrstücke oder Lappen, an denen man flicken gelernt hat. Eigentlich Lehrblätze, doch mit ee steht's im Zürichdeutschen Wörterbuch (NZZ-Verlag).
 
Vielleicht? Wahrscheinlich? Oder möglich, dass unsere Diesseitserfahrungen im Jenseits wertvoll sind und in ferner Ferne nachgeborenen Menschen als geläutertes Wissen, Weisheit, Liebe und auch als spezielle Talente zur Verfügung stehen.
 
Ein Zitat von Raketeningenieur Wernher von Braun sitzt schon Jahre lang in meinen Gedanken und unterstützt sie:
 
Die Unsterblichkeit der Seele muss existieren. Als Wissenschafter weiss ich, dass nichts je verloren geht, sondern sich einfach verändert. Nach dem Tod muss ,die Seele‘ – oder wie man es nennen will – irgendwo sein, muss sich in etwas anderes umformen. Nichts löst sich je in nichts auf.

Donnerstag, 16. April 2015

Meine persönliche Briefmarke fand ihren Weg zurück

Zu meinem letztjährigen Geburtstag wurden mir persönlich gestaltete Briefmarken geschenkt. Die ganze Familie war an der Produktion beteiligt. Die Töchter, der Ehemann, der Schwiegersohn und die Enkelinnen. Alle stellten ein Sujet zur Verfügung, einige eine Foto, die andern ein extra dafür gemaltes Bild.
DIE POST – so der Name der Schweizerischen Post – ermöglicht es, mit dem Programm „WebStamp" persönliche Briefmarken herzustellen.
 
Letizia sammelte die Bilder und realisierte über das erwähnte Onlinetool einige Bogen Briefmarken zu den Tarifen Fr. 1.– für das Inland und Fr. 1.40 für Europa. Mit ihnen schmückte ich einen Teil der Weihnachts- und Neujahrspost.
 
Heute besitze ich nur noch 2 Exemplare, und diese hüte ich wie eine wertvolle Antiquität. Es sind 2 Stücke aus der Serie von Letizia, die eine Foto aus meiner Jugendzeit verwendete und sie mit der Zahl meines Alters, dem Text Grosy Grand-mère ici voilà und einer überragenden Königskrone gestaltete.
Ende Februar kam einer dieser Briefe als unzustellbar zurück. Er konnte unserem Freund Frank nicht zugestellt werden, weil er von Aachen weggezogen war. Die deutsche Post sandte deshalb den Umschlag in die Schweiz zurück. Und hier musste noch nach mir gefahndet werden. Ich war nachlässig gewesen, hatte keinen Absender auf den Umschlag gestempelt.
 
Da erwies sich der Code auf der Briefmarke als Wegweiser. Die zu ihr gehörende Auftragsnummer und Postleitzahl führten dann zu Letizia. Sie hatte die Briefmarken realisiert, ihr wurde der unzustellbare Brief zurückgegeben. Und sie schickte ihn sofort weiter zu mir, dass sich der Kreis der Reise schliesse und meine Glückwünsche an Franks neue Adresse nochmals starten konnten.
 
Als ich ihn über E-Mail informierte und nach der aktuellen Adresse fragte, schrieb er: „Das ist ja unvorstellbar. Ich wusste nicht, dass man bei Euch selber Briefmarken gestalten kann, finde es aber eine schöne Idee. Aber dass aufgrund dieser Marke dann ein absenderloser Brief zurückrecherchiert wurde, ist unglaublich.“
 
Ich sandte ihm den ursprünglichen Weihnachtsgruss, der in Aachen nicht zugestellt werden konnte im Umschlag der Schweizer Post, adressiert an Letizia. Und ich schob diesen auch noch in jenes Couvert, das Letizia für die Rücksendung zu mir benützt hatte.
 
Frank reagierte sofort, als die angekündigte Sendung eingetroffen war. Er antwortete auf die Glückwünsche. Und weiter schrieb er: „Und dann habe ich den von Dir beschriebenen Postweg nochmal schön gedanklich durch die einzelnen Umschläge nachvollziehen können. Das ist wirklich eine tolle Geschichte!!
Ich danke ganz herzlich dafür!“
 
Es ist eine perfekte Geschichte, empfinde ich. Sie zeigt, wie verantwortungsvoll die Institution Post in diesem Fall in Deutschland und in der Schweiz mit unseren Sendungen umgeht. Erst eine Unstimmigkeit aus ihrer Kundschaft zeigt dann die offensichtlich stets präsente Qualität auf.
 
Auch ich danke. Was wäre auch mein Leben ohne die Post?