Von Primo gemalt: Die fliegenden Briefe |
Wir kennen uns schon lange. Sehr lange. Und dieses «Kennen lernen» entwickelte sich nach und nach. Jahre lang, immer auf Papier. Als wir jung waren, gab es noch keine Computer. Wir schrieben Briefe, schickten einander Drucksachen und Fotos, wenn wir unser Land, unser Zuhause und unsere Geschichten vorstellen wollten.
Im letzten Ausbildungsjahr in der «Handelsschule des kaufmännischen Vereins Zürich» (Frühjahr 1958) führte uns der Klassenlehrer in verschiedene Firmen. Er wies darauf hin, dass wir nicht nur an der kaufmännischen Seite eines Betriebs interessiert sein sollen. Zu jeder Firma gehöre ein Fachgebiet, eine Branche, und speziell für sie sollte ebenfalls eine Vorliebe vorhanden sein.
Er besuchte dann mit unserer Klasse die Firma PUBLICITAS in Zürich. Dort wurde uns der Betrieb gezeigt. Noch heute «höre» ich wie der Gastgeber uns die Dienste seiner Firma beschrieb. Er sagte: Sollte jemand von Ihnen einmal ein Inserat in eine ausländische Zeitung oder Zeitschrift aufgeben wollen, dann sind Sie bei uns am richtigen Ort. Die PUBLICITAS verfüge weltweit Zugang zu Zeitungs-Verlagen und zu entsprechenden Fachleuten für Übersetzungen. Da dachte ich sofort: Diesen Dienst werde ich einmal nützen, obwohl ich noch nicht wusste, wofür.
Es dauerte dann einige Jahre bis sich mein Versprechen erfüllte. Langsam war ein Interesse am Norden und seinen Menschen gewachsen. Inzwischen war ich verheiratet und Mutter geworden. Mit kleinen Kindern wollte ich damals nicht ins Ausland reisen. Darum wünschte ich mir Brief-Kontakte mit ebenfalls einer Familienfrau, um das Leben aus ihrem Land kennen zu lernen.
Eines Tages erinnerte ich mich an PUBLICITAS und gab ein kleines Inserat in der norwegischen Tageszeitung AFTENPOSTEN auf. Ich wollte Menschen aus Norwegen kennen lernen. Am liebsten auch eine Familienmutter oder überhaupt eine Familie. Mein Inserat wurde offensichtlich perfekt übersetzt. Es meldeten sich bald 3 Frauen.
Mit Brit in Basel |
Schiffsreise zu Annedore |
Unicef-Karte, Stickbild von Elna Knudsen |
Brit wurde von ihrer Nachbarin auf das Inserat aufmerksam gemacht. Diese hatte es im Hausfrauenblatt von AFTENPOSTEN entdeckt und ihr geraten, mir zu schreiben. Und bald einmal reiste sie sogar mit einem ihrer Kinder zu uns nach Zürich. Wir verstanden uns sofort und fühlen uns bis heute freundschaftlich verwandt.
Unsere Korrespondenz entwickelte sich für uns alle als eine Art Lebens-Elixier.
Im Jahr 1996 wurde es dann für Primo und mich möglich, die nordischen Freundinnen zu besuchen. Die Frauen und ihre Familien hatten sich inzwischen untereinander auch kennen gelernt. So kam es, dass wir von Familie zu Familie weitergereicht wurden. Alle zeigten gern ihre Welt und erzählten von ihren Aufgaben. Brit hatte es verstanden, sie miteinander bekannt zu machen.
Mit Brit in Trondheim |
Zwei der Brieffreundinnen sind seither schon gestorben. Brit konnte uns dieser Tage, wie schon erwähnt, zusammen mit der einen Tochter nochmals in Zürich besuchen. Wir erinnerten uns an das damalige Inserat von mir. Sie konnte den Text (nach ungefähr 36 Jahren) auswendig zitieren. Auch für sie ist die Freundschaft Norwegen—Schweiz ein Geschenk des Lebens.
Im vergangenen Mai hat uns in Zürich PUBLICITAS überrascht. Wir lasen in der Tageszeitung eine traurige Mitteilung: 11.5.2018 — Eine uralte Institution der Schweizer Presse steht vor ihrem Ende. Am Freitag hat die Publicitas beim Bezirksgericht ihren Konkurs angemeldet.
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