Dienstag, 12. April 2016

Provence- und Camargue-Reise / Fortsetzung

Ankunft Camargue

Es war ein emotionaler Moment, als ich realisierte, dass wir am Rand des Naturschutzgebietes in der Camargue angekommen waren. Die Foto entstand zufällig oder litt zu jener Zeit an einer Fehleinstellung, aber sie macht mir Freude. In Wahrheit kamen wir vor Sonnenuntergang am frühen Abend ans Ziel. Anderntags konnten wir an diesem Ort Flamingos auf ihrer Nahrungssuche beobachten.

La Grande-Motte, der Ort, wo wir in einem feinen Hotel erwartet wurden, erstaunte vom ersten Augenblick an. Die weissen Häuser in unserem Umfeld, vermutlich mehrheitlich Wohnhäuser, zeigen eine übergreifend einheitliche Architektur. Und trotzdem nahmen wir sie als Gesamtkunstwerk mit verschiedensten Formen und Details wahr.
Futuristische Architektur

Und dann der Yachthafen! Er gehört auch dazu. Fotos solcher Gestaltungen irritierten noch in den 60-er-Jahren. Man sprach von Futuristischer Architektur. Ich fragte mich damals, ob es noch Menschen seien, die solche Bauten wünschen und sie dann auch lieben. Und heute kann ich nur noch staunen. Die Hochkonjunktur ermöglichte ein solches Projekt. Und ermöglichte grundsätzlich, sich Ferien zu leisten und den eigenen Horizont zu erweitern.

Das Projekt war und ist gigantisch. Zuerst musste die Sumpfgegend entwässert und zu festem Land werden. Es trägt die Handschrift von Jean Balladur, der 30 Jahre seines Lebens für dieses Werk gearbeitet hat. Sein Bruder Edouard Balladur war von März 1993 bis Mai 1995 Premier-Minister der französischen Republik.

Der Besuch in Aigues-Mortes
Aigues Mortes

Aigues Mortes
Dieser Ort hat eine lange Geschichte, sei bis zum 16. Jahrhundert einer der bedeutendsten Verkehrsknotenpunkte gewesen. Ein Ort, 4-seitig von prächtigen Stadtmauern umgeben.
Man sollte ihn aus der Vogelperspektive anschauen können. Oben offen. Die Häuser verschachtelt, aneinander gebaut. Durch 10 Tore kann diese Stadt betreten werden. Ob man sie heute einfach als Ort oder als Dorf bezeichnet, ist uns nicht bekannt. Primo und ich schlenderten um alle 4 Mauern. Und traten dann in diese geschützte Welt ein. Da trafen wir auch auf kleine Läden und unverhofft auf die alte Kirche Notre Dame des Sablons. Sie hat uns sofort eingenommen. Ihr altes Gemäuer und farbige, Aquarell ähnliche Glasfenster aus der Gegenwart verstehen sich gut. Es ist eine Kombination, wie sie besonders den Franzosen gelingt, wenn sie spirituelle Atmosphäre vermitteln wollen.

Draussen, nicht weit von der Kirche weg, aber noch immer im Ort, entdeckten wir sympathische Gartenwirtschaften. Zufällig trafen wir dort unseren Chauffeur. Ihm konnten wir noch Weg zu den Salzsalinen weisen. Die weissen Salzberge hatten wir bereits entdeckt.

Ein anderer Ausflug führte uns zum Pont du Gard
Pont du Gard
Wir wurden zum weltweit höchsten römischen Aquädukt geführt.
Im dazugehörigen neu eingerichteten Museum konnten wir die Geschichte der Römer verfolgen. An Orten, die nach neuesten Erkenntnissen und in einem ebenfalls neuen Museumsgebäude dargeboten werden, könnte man stundenlang verweilen. Doch für den Besuch in der Gruppe muss man diesbezüglich bescheiden sein. Es beklagte sich mir gegenüber eine Mitreisende auf dem Rückweg vom Pont du Gard. Sie vermisste mehr Zeit zum Schauen, als zugestanden werde. Und besonders im Freien auf dem einmaligen Aquädukt hätte sie länger verweilen wollen. Es war wirklich ein spezieller Ort und die Landschaft, in der er sich befindet, etwas Kraftvolles.

Und wieder dachte ich an unsere persönlichen Erfahrungen. Ob wir mit der Bahn, dem Velo oder mit Freunden in ihrem eigenen Auto reisten, immer gab es auch Einschränkungen. Oft mussten wir uns nachträglich eingestehen, dass nicht immer alles Erträumte auch umgesetzt werden kann.

Wenn wir aber trotz allem zufrieden sind, mit dem was möglich ist, dann können wir uns trotzdem freuen.

Reise nach Nîmes
Nîmes Baustelle

Gute Ausfahrt, auch bei Regenwetter. Aber in Nîmes gab es Barrieren wegen Bauarbeiten an einer wichtigen Strasse. Es gelang dem Chauffeur nicht, uns möglichst nahe an die Arena hinzuführen. Schlussendlich parkierte er den Bus am Rand der Baustelle, die ihn gestoppt hatte. Nun fehlte uns allen die Orientierung. Niemand trug einen Stadtplan auf sich. Der Chauffeur verteilte aber für Personen mit Natel Kleber mit seiner Anrufnummer, damit man ihn erreichen könne, falls sich jemand von uns verlaufe.

Es verteilten sich die 30 Personen in 3 unterschiedliche Gruppen. Einige suchten ein einladendes Restaurant, andere versuchten, die Arena auf gut Glück zu erreichen. Auch Primo und ich. Als uns ein Herr mit frischen Baguettes unter dem Arm entgegen kam, sprach ich ihn an und fragte nach der Arena. Sofort anerbot er sich, uns ein Stück weit zu begleiten. Sie befinde sich in der Nähe. Als wir sie von weitem sehen konnten, kehrte er um. Sein Zuhause liege in der Gegenrichtung. Jetzt gehe er einfach wieder zurück. Wenn ich in Zukunft den Namen Nîmes höre, werde ich gewiss wieder an diesen freundlichen Wegweiser denken.
Arena Nîmes
Das Baukunstwerk haben wir gefunden. Es regnete. Der Platz um die Arena war unbelebt, kam aber seiner Majestät entgegen. Wir hatten dieses sehr alte Baukunstwerk schon öfters auf Fotos gesehen. Aber noch nie hat es uns so stark beeindruckt. Der Bau aus grobem Gestein, die Form vollendet.

Es fällt mir das Wort Hexenkessel ein, wenn ich mir das Publikum auf 34 Rängen mit mehr als 23’000 Plätzen vorstelle. Hier fanden Spiele, Hetzjagden, Kämpfe zwischen wilden Tieren, Wagenrennen und Gladiatorenkämpfe statt.

Etwas früher als abgemacht, fanden alle Mitreisenden den Weg zum Bus zurück. Ganz in der Nähe befand sich ein Bistro. Davor sassen einige Männer, tranken hier Bier oder ihren Wein und beobachteten das Leben um sie herum. Sie beschäftigten sich offensichtlich auch mit uns, denn sie erkannten Primo und mich sofort, als wir die stillgelegte Strasse überquerten. Sie riefen uns zu: Die Copains (Kumpels) seien im Bistro. Ob es die Leute aus dem Schweizer-Bus seien? Mais oui! (Aber sicher!)

Die Atmosphäre in diesem Gasthaus war uns sofort sympathisch. Es sassen bereits 7 Personen aus der Reisegruppe an Tischen. Ihre Bestellungen wurden bereits ausgeführt. Durch ein offenes Fenster sah ich in die Küche und dort eine Frau konzentriert arbeiten. Primo und ich gaben unsere Wünsche auch bekannt. Später kamen noch weitere Mitreisende dazu. Der Wirt eilte davon, kam mit Broten und Kartoffeln zurück, derweil seine Frau oder Angestellte die Wünsche der Kundschaft sorgfältig umsetzte. Primo bestellte gleich ein Glas Pastis. Der Wirt strahlte den Schweizer an und zeigte Freude, dass dieses Apérogetränk aus der Provence auch in der Schweiz bekannt sei. Das Essen mundete. Primo lobte den Fisch und ich die gefüllte Omlette, die aussah, als hätte ich eine warme Speise in einem feinen Baumwolltuch verpackt erhalten. Dieses vermeintliche Tuch war Teil der Omlette. Dazu gab es für uns beide Pommes Frites der besonderen Art. Ein Gedicht.

Wie Primo sich die besondere Herstellung dieser aussergewöhnlichen Pommes Frites vorstellt:

Es werden Mittlelfinger lange, flache Streifen, 4—5 mm dick in 2,5 cm breite Scheibchen geschnitten und wie gewohnt fritiert.

Er hat festgestellt, dass sich die Kartoffelscheiben beim Fritieren seitlich aufgebogen haben. Es entstand ein Kanal mit einer bleichen Kartoffelmitte und einem braunen, knusprigen Rand.

Ich sagte zum Wirt, er hätte eine feine Küche. Und die Frites seien sensationell. Er strahlte. Primo hatte ihm gerade die Rechnung bezahlt und schob noch ein Trinkgeld zu ihm hinüber. Er rief herzlich laut: «Vive la Suisse!» Und ich als Antwort «Vive la France!»

Besuch in Les Baux de Provence

Eine eigenwillige Landschaft mit wildem Gestein, in dem viele urtümliche Gesichter zu entdecken sind. Auf einem erhöhten, beinahe 1 km langen und 200 m breiten Kalksteinplateau thront eine imposante Burgruine.

Das Dorf ist auf halber Höhe an den Felsenhügel gebaut. Die pittoresken Häuser und Gässchen mit ihren Geschäften und der Kirche Saint-Vincent ist eine Bilderbuchwelt. Man denkt sofort an die Geschichten von Marcel Pagnol.

In der Kirche Saint-Vincent konnte mir Primo zeigen, wie eine ursprüngliche Felsenhöhle in eine Kirche integriert worden ist. An diesem Ort fühlten wir uns seltsam wohl, verweilten lange, während andere Mitreisende den Weg zur Burgruine vorzogen.

Heimfahrt
Um auf die Autobahn zu gelangen, führten die Fahrten immer landwirtschaftlichen Feldern entlang. Wir konnten blühende Mandelbäume sehen, Felder mit Olivenbäumen bewundern, sich über grosse Baumnussplantagen wundern. Auch Spargeln, Melonen, Kartoffeln werden dort angebaut. Und an gewissen Hängen Reben. Ein landwirtschaftliches Paradies.

Dieses war den Menschen nicht einfach gegeben. Sie mussten die Sümpfe entsalzen und mit Süsswasser ausschwemmen, um den Humus für den landwirtschaftlichen Anbau abgrenzen und nützen zu können. Schon vor Jahrhunderten wurde solche Pionierarbeit in Angriff genommen.

Haben die Menschen aus dieser Region einen besonderen Schutzengel?

Engel Avignon
Wenn ja, so könnte es dieser sein…
Ich fotografierte ihn am 26. März 2016 in Avignon

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