Samstag, 9. April 2016

Im Bus ab Zürich bis zur Rhônemündung in Stes Maries-de-la-Mer

Die ausgeschriebene Carreise in die Provence & Camargue entsprach einem lang gehegten Wunsch. Da war einmal die Geschichte vom Ort Saintes-Maries-de-la-Mer und die ihr zugrunde liegende Legende, die uns anzogen. Aber auch die Rhône-Mündung zu erleben, das war sowohl für mich wie für meinen Mann ein begehrtes Ziel.
Rhône bei Avignon
Die Rhône kannten wir bisher nur bis zum Ausfluss aus dem Genfersee
Wir kennen ihre Quelle am Rhônegletscher, kennen sie unter dem Namen Rotte im Kanton Wallis und erlebten einmal in Genf ihren Zusammenfluss mit der Arve. Sie jetzt auf der Autofahrt nach Südfrankreich zu begleiten, war uns mehrheitlich verwehrt. In nur wenigen Momenten überraschte sie uns. Autobahnen befinden sich verständlicherweise nicht an alten Uferwegen. Eindrücklich aber in Lyon, da floss die Rhône in breitem Bett an uns vorbei. Und an einem andern Tag zeigte sie ihre Majestät auch in Avignon.
Schon am Tag nach unserer Ankunft in La Grande Motte stand die Fahrt nach Saintes-Maries-de-la-Mer für den ersten Ausflug im Programm.

Inzwischen hatten wir verstanden, dass sich die Rhône nördlich von Avignon in zwei Arme spaltet und dass wir in Saintes-Maries-de-la-Mer der kleineren, der Petit Rhône, begegnen werden.

Dieser weltberühmte Ort, bekannt durch die alljährlichen Zigeuner-Wallfahrten (Fêtes de Gitans), löst allein durch Fotos oder Filme grosse Faszination aus. Im Internet erzählen viele Bilder von den hier immer noch lebendigen, geschichtsträchtigen Traditionen.

Wir erlebten ihn als Alltag, aber auch als lebendigen Markttag. Schade, dass wir an diesem Tag nicht selber kochen mussten. Die reelle Nahrung aus der Erde, von gesunden Tieren, wie auch aus dem Meer sprachen für sich. Einige wenige farbige Textilien rundeten das grosse Angebot ab.
Kirche im Ort
mit Stein gedeckte Dachschräge
Die Kirche, die eine uralte Geschichte hütet, konnten wir nicht betreten. Wegen Renovation geschlossen. Aber zum Dach hinaufsteigen war gegen Eintrittsgeld möglich. Eine enge Wendeltreppe führt bis zum Dachgesims. Rundum begehbar. Auf der mit Stein gedeckten Dachschräge stiegen junge Leute zum First. Und schauten von dort her über den Ort und zum Meer. Als wir ankamen, turtelte ein junges Paar auf dem First. Primo und ich blieben auf der Dachgesims-Ebene, konnten dort über die Hausdächer schauen und das Meer ebenfalls erkennen. Uns faszinierte das Ortsbild mit seinen farblich einheitlichen Dächern. Beeindruckend die Individualität einzelner Häuser und gleichzeitig eine bejahende, geschlossene Einheit, die Zusammengehörigkeit ausstrahlt.
Dächer Stes Maries-de-la-mer
Die Geschichte, die den Saintes-Maries-de-la-Mer zugrunde liegt
Saintes-Maries-de-la-Mer


Von den Männern, die ihr Schiff TIKI III (Croisière en Camargue) betreuen, bekamen alle Reisenden leihweise eine Information, die den Ort, die Rhône, ihr Schiff und die Legende der erwähnten Heiligen Frauen beschrieb. Ich zitiere aus diesen Aufzeichnungen:

Das Dorf, das von der Festungskirche dominiert wird, wurde in Etappen vom 9. bis 11. Jahrhundert erstellt. Im Innern der Kirche befinden sich die Reliquien der schwarzen Sara, der Patronin der Zigeuner, sowie die heiligen Marien in ihrem Boot. Maria Salome und Maria Jakobe.

In der Antike war die Camargue eine Insel, die dem ägyptischen Sonnengott RA gewidmet war. Das Dorf Saintes-Maries wurde in der Nähe erbaut, wo sich die Stadt des Sonnengottes RA befand.

Unser Ort hiess erst Notre Dame de Ratis, dann Notre Dame de la Mer und trägt seit 1838 seinen heutigen Namen.

Die heiligen Marien, die man hier verehrt, sind aus dem Evangelium bekannt. Maria Salome und Maria Jakobe sind beide Mütter von Aposteln. Nahe verwandt mit der heiligen Jungfrau Maria, haben sie alles verlassen, um Christus zu folgen und mit dem grossen Wirken seines Lebens verbunden zu sein. Sie hielten mutig Wache am Fusse des Kreuzes und am Ostermorgen vor dem Grab wurden sie zu ersten Boten der Auferstehung.

Nach provenzialischen Erzählungen sind die heiligen Marien gekommen, um das Christentum in unsere Region zu bringen, und sie haben sich in der Nähe der Stadt des Sonnengottes niedergelassen. Tatsächlich waren sie Opfer der Verfolgung durch die Römer in Palästina. Maria Salome und Maria Jakobe wurden festgenommen, dann in ein Schiff gesetzt, das weder Segel noch Ruder hatte. Sie wurden von der Vorsehung geführt, um am Ufer der Camargue zu stranden.

Solche Geschichten sind uns plötzlich nicht mehr fern. Ich denke an die Bootsflüchtlinge aus unserer Zeit und vor allem an jene Menschen, die nicht geführt, nur dem Meer überführt worden sind.

Die Legende von den 3 Frauen, wie sie verfasst worden ist, gefällt mir gut. Sie spricht eine zeitgenössische Sprache. Ich habe sie für alle Leserinnen und Leser abgeschrieben, die wie ich, den Legenden einen emotionalen Wert abgewinnen können. Aus solchen Geschichten spricht die Seele, das Wesen oder auch das Schicksal eines Ortes und Volkes.
TIKI III
Rhônemündung ins Meer
Wir befanden uns da im Gebiet des Parc Naturel Régional de Camargue und fuhren mit dem erwähnten Schaufelraddampfer während 1 ½ Std. eine Schlangenlinie nach Le Bac du Sauvage und zurück. Der Hinweg gegen den Strom. Auf dem Rückweg vom Flusswasser unterstützt.
Camargue-Stiere
Auf halber Wegstrecke überraschten uns schwarze Stiere und weisse Pferde. Wir konnten zuschauen, wie sie am vorbeiziehenden Ufer hingeworfenes Fressen fanden und einer Reiterin auf einem weissen Pferd auf Kommando folgten. Eine Inszenierung für die Touristen. Ich hoffe, dass sie den Tieren gefällt.

Uns hat die Uferbewehrung gefallen. Viele umgefallene und liegen gelassene Bäume oder Teile von ihnen verhaften das Ufer. Geben ihm Halt. Und Schwemmgut gestaltet daran mit. Teile von einst stämmigen Bäumen wirken an diesem Ort wie Wächter oder Tiere. Ein Kunstwerk der Natur.
Letztes Wegstück kleine Rhône
Kurz vor der Rückkehr im TIKI III-Schaufelraddampfer, liess der Himmel einen Augenblick lang ein paar Sonnenstrahlen auf das letzte Wegstück der kleinen Rhône fallen. Sofort begann das Wasser zu glitzern. Es entstand eine vibrierende, goldene Stimmung, die ich mit einer Foto einfangen konnte. Das Meer war ruhig.
Mündungsgebiet Rhône
Möve schaut auf Mündung
Rhône angekommen
Kurze Zeit später, an der Mündung stehend, suchten wir nach Zeichen, wie sich Meerwasser und Süsswasser vereinten. Wir beobachteten feinste Schwingungen von zusammengestossenen Wellen und weisse, überschäumende Gischt. Es waren bewegende Momente, für die es keine Worte gibt.
Ein Lebenslauf war vollendet. Einer von unfassbar vielen.

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25.3.2007: Der Rheinfall bei Schaffhausen
16.7.2011: Martigny Rôhne beugt das Knie
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