Montag, 9. Juni 2008

Woher kommen die Inspirationen die Blogatelier-Beiträge?

Was inspiriert zu Blogs? So werde ich öfters gefragt. Eine einheitliche Antwort gibt es selbstverständlich nicht. Am 5. Juni 2008 verlief das so: Ich verabschiedete mich für eine kleine Reise nach St. Gallen. Da wünschte mir Letizia lustige Erlebnisse in der Bahn, damit ich darüber schreiben könne.
 
Ich fuhr in Zürich weg, als die Pendler schon an ihren Arbeitsplätzen eingetroffen waren. Es war still im Bahnwagen, in dem ich meinem Ziel entgegenfuhr. Es regnete. Die Landschaft trank das frische Wasser, und darum strahlten die Wiesen trotz dunklem Himmel frisch grün. Weder sah ich etwas aufregend Schönes noch ergaben sich Gespräche. Es war „nur“ eine meditative Zeit für mich. Auch das Säntis-Massiv durfte ich heute nicht entdecken.
 
In St. Gallen erwartete mich Rosmarie, die ich in jungen Jahren in Paris kennen gelernt hatte. Wir hatten uns viele Jahre aus den Augen verloren. Nur dank der Zeitschrift „Natürlich“, damals noch von Walter Hess redigiert, fand sie mich wieder. Sie hatte ein Foto von mir entdeckt und meldete sich sofort. Seither ist der Kontakt wieder da, und ich bin dankbar dafür. Es ist ja nicht selbstverständlich, dass wir einander nach langer Zeit erzählen können, wie gemeinsame Erlebnisse in der Fremde wirkten und bis heute als kostbare Erinnerungen gehütet werden.
 
Rosmarie informierte mich gleich nach der Ankunft, heute sei ein besonderer Tag. Der 5. Juni 2008? Am 05.06.1958 sei sie in Paris eingetroffen. Auch sie fand eine Anstellung in einem kaufmännischen Betrieb, wo sie ebenfalls als Stagiaire angestellt wurde. Der heutige Tag also eine Art Jubiläum. Vor 50 Jahren lernten wir uns im „Schweizerischen Kaufmännischen Verein“ in Paris kennen. Wir besuchten die gleichen Sprachkurse, die dort von französischen Lehrpersonen erteilt wurden.
 
Hier in St. Gallen gab es wieder viel zu erzählen. Auch ihr humorvoller Ehemann beteiligte sich daran. Zum Abschluss entführte mich Rosmarie noch auf die Anhöhe, wo sich die Dreilinden-Weiher befinden, die zu den schönsten Naturbädern der Schweiz gehören. Und von dort aus konnte ich erstmals die Ausmasse der Stadt St. Gallen überblicken. Eine echte Horizonterweiterung.
 
Auf der Rückfahrt, kurz vor Zürich, dachte ich, Letizias Wunsch habe sich nicht erfüllt. Auch auf dieser Fahrt fing ich nichts auf, worüber es sich zu berichten lohnen würde.
 
Dann, in der S-Bahn ab Zürich-Hauptbahnhof nach Zürich-Altstetten, sass mir ein verliebtes junges Paar schräg gegenüber, das ich nicht übersehen konnte. Die beiden strahlten. Es gab nur ihre Welt. Es sah aus, als ob sie von einer einzigen goldenen Aura umgeben wären. Da hörte ich die junge Frau fragen: „Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Rabe und Krähe?“ Der Mann überlegte nicht lange und sagte: „Krähe nennen wir den Raben im Dialekt. Rabe heisst der Vogel in der Schriftsprache.“
 
Die Stirn der Frau runzelte sich. Sie fragte weiter, warum wir denn nur von Raben- und nicht auch von Krähenmüttern sprächen. Der Mann fühlte sich ertappt, hatte zu schnell einen Schluss gezogen, aber er lachte und war offensichtlich fasziniert, wie die Frau einer Sache auf den Grund ging. Leider war ich da schon in Altstetten angekommen und konnte ihren Gedanken nicht mehr weiter folgen. Ich nahm mir aber vor, zu Hause in einem dafür zuständigen Lexikon nach einer sanktionierten Antwort zu forschen. Dort wurde ich fündig. Krähen seien „mittelgrosse Raben“ heisst es im „Deutschen Wörterbuch“ von Gerhard Wahrig.
 
Anderntags wartete Primo mit einer Rabengeschichte auf. Er erzählte, dass er früh morgens vom Küchenfenster aus einen Raben beobachtet habe, der ein kleines, seltsames Gefährt auf der Wiese vor unserer Wohnung vor sich herschob. Es war aber ein Igel, den er verscheuchen wollte. Auf ihn einhackend, aber ihn doch nicht berührend, schickte er ihn heim. Primo schaute lange zu und weiss jetzt, wo der Igel wohnt.
 
Und ich möchte jetzt noch wissen, ob es sich bei den Vögeln, die sich täglich vor unseren Augen tummeln, auch wirklich um Raben handelt und nicht um Krähen. Danke der jungen Frau für ihre Anregung, Antworten immer noch zu überprüfen. Auch ich ziehe manchmal zu schnell einen Schluss.

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