Die Bauern von Mathon GR nutzten die sonnigen Tage, um das Heu
einzubringen. An allen Orten duftete es nach Kräutern und trockenem
Gras, und wir sahen Männer und Frauen, wie sie es wendeten und
sammelten. Im Gespräch mit dem Landwirt, Herr Willi Dolf*, äusserte Primo
den Wunsch, eine Portion Heu mit nach Hause zu nehmen. Da brachte er
uns von einer seiner höchst gelegenen Wiesen einen prall gefüllten
Stoffsack voll. Bevor ich es demnächst in Kissenüberzüge einnähe, habe
ich es ausgelegt, in den Händen gerieben und das Aroma eingesogen. So
mache es der Bauer, erfuhren wir. Und ich stellte fest, dass dieses Heu
dem Duft der in Mathon verwendeten Bergkräuterseife aus dem Bergell
(auch ein Ort im Kanton Graubünden) exakt entspricht. Bekanntlich
arbeitet die Kosmetik-Firma SOGLIO mit Naturprodukten. Trotzdem war ich
elektrisiert, als mir meine Sinne diese Übereinstimmung meldeten.
Auf einer Wanderung ohne die Kinder und abseits von ausgetretenen
Pfaden begegneten wir unverhofft einer geheimnisvollen Persönlichkeit,
dem Fliegenpilz. Offensichtlich stand er gerade auf dem Höhepunkt seiner
Entfaltung. Sein Stamm schimmerte weiss, und die ebenfalls weiss
gezackte Manschette wies ihn als vornehmes Wesen aus. Er nahm unsere
Bewunderung huldvoll auf. Sein roter Hut war wie ein Regenschirm
aufgespannt und beachtlich gross. Durchmesser: ungefähr 15 cm. Die
weissen Flecken gefielen mir besonders, denn es sind keine Tupfer, wie
es in Illustrationen immer wieder dargestellt wird, sondern Warzen,
kleinen Papierfetzchen gleich, unterschiedlich gross, unterschiedlich
weiss, wie hingeworfen, ganz nach dem Schönheitssinn der Natur. Dieser
Pilz wuchs unter einer Tanne auf. Der braune, mit vielen Tannnadeln
übersäte Grund brachte seine Farben zum Leuchten. Der rote Hut war
übrigens mit einem orangefarbenen Rand geschmückt, dessen Oberfläche
leicht gewellt an einen Kuchenrand erinnerte.
Als ihn Primo ein paar Tage später nochmals besuchen und
fotografieren wollte, war er schon am Absterben. Schleimig und seiner
fürstlichen Ausstrahlung beraubt, kurz vor der Auflösung.
Mena und der Grossvater sammelten Tannzapfen, vom Wind
abgebrochene Äste, abgefallene Baumrinde und Bruchsteine, die sich
ausgezeichnet für einen Puppenhausbau nach altem Vorbild eigneten. Aus
dem hölzernen Material entstanden ein Stall mit Futterkrippe für die
Kühe und ein Gehege für Ziegen. Mit den Steinen wurde ein Haus gebaut,
ähnlich offen wie jenes von Tumasch Dolfs Elternhaus und vor ihm ein
Gehege für verschiedene Tiere. Im VOLG-Laden werden den Kindern an der
Kasse kleine, farbige Holzfiguren zum Spielen abgegeben. Für diese
wünschte sich Mena einen Tierpark. Heidi und Peter, die Figuren aus Johanna Spyris
Heidi-Geschichte, kamen auch aus dem VOLG-Laden zu uns. Und die Kühe
gestaltete der Grossvater aus den gesammelten Tannzapfen. Diese Anlage
entstand auf dem gedeckten Sitzplatz vor dem Ferienhaus. Über Nacht
setzte dann Regen ein. Und am Morgen fanden wir zur grossen Überraschung
5 Gehäuse-Schnecken in den Stallungen. Es gefiel ihnen vor allem in der
aus Baumrinde hergestellten Futterkrippe und wir hiessen sie gern
willkommen. Sie gingen, je nach Witterung, hier ein und aus. Manchmal
waren sie verschwunden, und Mena entdeckte sie in den Mauernischen. Dann
wieder schlichen sie vor der Küchentür umher. Sie legte ihnen Fetzen
kleiner Salatblätter aus und beobachtete sehr genau, wie diese die
Fühler ausstreckten, die Nahrung fanden, daran frassen und wie das Grün
langsam verschwand.
Wir erlebten immer wieder, ohne es zu erwarten, dass die Natur
unsere Spiele, Spaziergänge und Beobachtungen um das erweiterte, was wir
aus uns selbst nicht vermocht hätten.
*
*Frau Martina und Herr Willi Dolf vermieteten uns die Ferienwohnung in Mathon
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