Lisbeth hatte angerufen und mich zu einem Mittagessen im Garten des historischen Stürmeier-Hauses in Schlieren eingeladen. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen. Sie war krank, brauchte Ruhe und Abgeschiedenheit. Als sie anrief, fühlte sie sich stark und traute sich zu, mich anderntags durch das neue Schlieren zu führen. Sie liebt ihren Wohnort, ist immer informiert, was sich da regt und entsteht.
Die leckeren Speisen mundeten. Der Aufenthalt im Freien am Rand eines kleinen Parks vermittelte mir Ferienstimmung. Lisbeth führte mich nach dem Essen noch an einen Teich, zum Ortsmuseum und zur Mozart-Tafel, die davon erzählt, dass die längste und grösste Konzertreise im Leben von Wolfgang Amadeus Mozart mit seiner Familie im Spätsommer und Herbst 1766 durch die Schweiz führte. Damals war das Wunderkind erst 10 Jahre alt
Artikel aus dem Tages Anzeiger
Schlieren sei die erste und bisher einzige Mozartstadt im Kanton. Lisbeth erzählte, dass hier in gewissen Abständen in Schlieren Mozartwerke aufgeführt würden. Wenn ich recht verstanden habe, hier im Park. Die rote Säule, die davon berichtet, ist leider beschädigt worden. Wie an vielen Orten, wenn es unzufriedene Menschen nicht ertragen, dass andere sich an Kultur oder nur auch an Ordnung freuen können, beschädigen sie diese.
Weiter wurde ich auf den Kirchplatz geführt. Der rund gestaltete Festplatz liegt wie ein Teppich vor der Kirchentür. Er ist aus verschieden ornamental eingelegten Pflastersteinen gestaltet. Die wenigen Häuser in diesem Umfeld ergänzen den Platz und lassen ihn zu einem Raum wahrnehmen.
Ich wusste bis anhin nicht, dass der Stadtkern von Schlieren eine so gut erhaltene Schönheit ist. Gern liess ich mich durch den Park und an den Teich führen. Die Sonne schien und spielte mit dem Grün verschiedener Parkbäume. Mütter und Kinder spazierten hier. Kaum zu glauben, dass nicht weit daneben starker Verkehr braust. Wie der Park trotzdem Ruhe schenken kann, ist sein persönliches Geheimnis.
An diesem Nachmittag hatten wir zusammen auch noch das neue Schlieren mit seinen gigantischen Hochbauten für Wohnungen und Geschäftsräume angeschaut. Was für eine architektonische Vielfalt! Und wie viel Grün in den Räumen zwischen den Wohnhäusern gepflanzt worden ist. Eine Wohltat. Noch sind hier nicht alle Räume schon besetzt. Geschäfte und Gaststätten werden wohl demnächst einziehen.
Ich fragte mich, was denn in diesem riesigen Areal früher angesiedelt war. Wie schnell man alte Bilder vergisst, wenn neue dominant werden und einen in Bann ziehen. Primo erinnerte mich daran, dass hier auf einer grossen Fläche noch vor wenigen Jahren ein mächtiger Occasions-Autohandel stattfand.
Die alten hochgewachsenen Bäume aus dem kleinen Park der Firma Geistlich, die früher in diesem Gelände ihre Leimsiederei betrieb, stehen noch alle treu beisammen. Unternehmer aus vorigen Jahrhunderten bauten oft neben der eigenen Fabrik eine Villa und pflanzten exotische Bäume. Diese Geistlich-Baumgruppe, ganz in der Nähe vom SBB-Bahnhof Schlieren ist heute noch von weitem sichtbar. Sie erscheint jetzt klein, weil das umgebrochene Land nochmals so gross zu sein scheint, wie dasjenige, auf dem die futuristischen Wohn- und Geschäftshäuser bereits aufgezogen worden sind.
Begeistert bin ich dann gegen Abend hin auf dem Veloweg, der Eisenbahnstrecke Baden-Zürich entlang, wieder heimgefahren. Nochmals schaute ich zu den Parkbäumen hin. Könnt ihr hier bleiben? fragte ich. Grosse Stille. Ich sah sie alle zusammen in ihrem Verbund, in ihrer Aufgabe ein Park zu sein. Obwohl der eine, den ich die «Tanne» nenne, wie eine Kirchturmspitze wahrgenommen werden könnte, wenn dieser Park aus einem günstigen Blick betrachtet wird. Die Gruppe ist aber mehrheitlich homogen zu sehen.
Verständlich, dass ich zu Hause rapportierte und bewirkte, dass wir beide am darauffolgenden Sonntag nach Schlieren fuhren, wo ich einige von mir beschriebenen Orte noch vorstellen konnte.
Auch Primo kannte den alten Stadtkern noch nicht, aber wie voraus gesehen, interessierten ihn die Neubauten mit ihren gigantischen Häuserreihen und grundsätzlich die vielfältige Architektur. Und selbstverständlich auch jene Fläche, die als Nächstes überbaut wird.
Vor der Heimkehr wollte ich noch den schönen Platz vor der Kirche im alten Ortskern zeigen. Und da wartete dann eine Überraschung auf uns. Es fand ein lebensfrohes Fest mit Auftritten von ausländischen Trachtengruppen statt. Von mildem Wetter begleitet. Musik in Fülle. Die ersten beiden Gruppen wurden von mitgebrachten Instrumenten begleitet. Wunderschön die feinen Klänge für den Tanz. Ganz anders dann jene Gruppen mit lauter Konserven-Musik. Da wurden meine Ohren strapaziert. Ich empfand diese Lautstärke noch schmerzvoller als die brausende Orgelmusik in der Kirche.
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