Wie eine strenge Lehrerin wies sie uns zurecht. Sie kritisierte, dass wir unsere Plätze und die persönlichen Habseligkeiten verlassen hätten und wies auf Diebstähle hin. Ja, unsere Jacken hatten wir zum Essen nicht mitgenommen. Hastig assen wir dann einen Teller feinster Suppe und kehrten an die unberührten Plätze zurück. Später hörten wir eine Mitteilung über Lautspecher, man vermute, dass Taschendiebe zugestiegen seien.
So macht Reisen immer weniger Spass.
Bevor wir Bonn erreichten, wurden wir ebenfalls über Lautsprecher informiert, dass eine Person dringend medizinische Hilfe benötige. Wenn sich Ärzte im Zug befänden, möchten sie sich unverzüglich im Wagen XY melden. Aus unserem Blickfeld folgten 4 Personen diesem Notruf. Danach hielt der Zug ausser Fahrplan in Bad Godesberg-Bonn an. Hier holten Sanitäter eine junge Frau ab.
Eine Woche später verhinderte eine Stellwerkstörung die fahrplanmässige Rückreise nach Zürich. Der Zug aus Hamburg konnte in Köln nicht einfahren. Als er nach halbstündiger Verspätung auf dem Perron eintraf, kam Hektik auf. Die Wagen wurden gestürmt. Wir empfanden die Aussteige- und Umsteigezeiten sehr kurz bemessen.
Unsere 13-jährige Enkelin half uns beherzt. Weil der Grossvater zuerst eine Anzahl voluminöser Rollkoffer umbeigen musste, um das Velo an der vorgesehenen Halterung aufhängen zu können, kümmerte sie sich um unser Gepäck. Sie sorgte dafür, dass jene Personen, die unsere reservierten Sitzplätze erobert hatten, umzogen und schob unsere persönlichen, schweren Gepäckstücke an geeignete Orte. Dann verliess sie den Bahnhwagen. Sie rief uns noch zu, wo unsere Gepäckstücke deponiert seien und winkte adieu. Die Türen schlossen automatisch. Der Zug fuhr ab.
Dass unsere bezahlten Sitzplätze nicht erneut erorbert wurden, dafür sorgte die mit uns reisende 9-jährige Enkelin. Ruhig sass sie am Ort und verteidigte die Sitzplatz-Nummern 41, 42, 43. Die reisetüchtigen Kinder von heute wissen, wie das geht.
Auch diesmal konnte nicht übersehen werden, wie rücksichtslos reservierte Plätze eingenommen werden. Wir waren nicht allein von diesen Eroberungen betroffen. Immerhin habe ich keinen Streit miterlebt. Wenn aufmerksam gemacht wurde, diese Plätze seien reserviert, erhoben sich die angesprochenen Personen. Meist folgte vorher noch ein Blick zu den Reservationsanzeigen. Für manche mag es ein Spiel oder Sport sein, einen Platz zu ergattern. Anständig empfinde ich aber solches Verhalten nicht.
Im Blog vom 12.01.2014 habe ich dieses Problem schon einmal, jedoch aus einer andern Perspektive, beschrieben.
In Basel erneut eine Durchsage, die uns betraf. Wieder eine Störung, die unsere Weiterfahrt verzögerte. Wir wussten aber, dass dieser Zug nach Zürich zurückkehren musste. Also blieben wir sitzen. Mit uns nur 5 weitere Personen. Alle andern Reisenden wechselten in einen Regionalzug. Schlussendlich kamen wir in Zürich beinahe zeitgleich an.
Für die Heimfahrt nach Zürich-Altstetten benützten wir Tram Nr 4. Ohne Velo, aber mit schwerem Gepäck. Schon fühlten wir uns daheim und vor allem auch entspannt. Da trat aber noch der VBZ-Kontrolleur auf und verlangte die Fahrkarten.
Ich seufzte, war doch noch auf Köln programmiert, sagte das dauere aber einen Moment, den er mir gern gewährte. Ich weiss nicht, ob er dachte, es stünde für ihn ein Fischfang von Schwarzfahrenden bevor. Primo wies als erster seine Karten vor und ich folgte dann nach. Da antwortete er sichtlich überrascht, aber freundlich: «Vorbildlich!»
Die Velostation Zürich Nord – neben dem Landesmuseum – wird als Integrationsprojekt von Migranten betreut. Hier konnte ich mein Velo zweimal in einem gesicherten Raum abstellen. Als ich es anfänglich anmelden wollte, wurde ich nicht gleich verstanden. Auf einmal sagte einer der Betreuer aus einem fernen Land: «Du willst Dein Rad parken?» Jawohl! So hätte ich sprechen müssen.
Als ich am Tag danach mit ihm erschien und es «parken» wollte, freuten sich die Männer, dass ich von ihnen etwas gelernt habe. Als ich es später auslöste, um nach Köln mitzunehmen, wurde ich mit erhobener Hand und ebensolchem Daumen verabschiedet. Ich verstand, dass man der Grossmutter viel Power wünschte.
Nach der Rückkehr verbrachte mein Rad nochmals eine Nacht in dieser Station. Als ich es abholte, dankte ich und sagte: «Nun bin ich froh!» Der Mann, der mich nun kannte, antwortete sofort: «Wir auch!»
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