Eisblumen sind mir von Kindsbeinen an vertraut. Nicht alle Fenster
unserer Wohnung waren mit Vorfenstern ausgerüstet. Dort, wo die warme
Zimmerluft auf die einfache, kalte Fensterscheibe auftrat, entstanden
Eiskristalle, die sich zu bizarren Pflanzenmustern ausformten. Wir
Kinder wollten da mitgestalten und kratzten mit den Fingernägeln eigene
Bilder ins Eis. Ich kann mich auch an Bahnfahrten mit Eisblumenfenstern
in den alten, militärgrünen SBB-Wagen erinnern. Seitdem es
Doppelverglasungsfenster gibt, sind diese mimosengefiederten Eisbilder
aber aus meinem Blickfeld verschwunden.
Ihren Abbildern in Fotos und im Film wieder einmal zu begegnen, bot uns die die Ausstellung „Eisblumen, verborgene Wunderwelt im winterlichen Mikorkosmos“ an (Museum Gletschergarten, Luzern. Ursprünglich bis 8. Mai 2011 konzipiert, wurde sie bis auf weiteres verlängert).
In dieser Ausstellung verblüffte als erstes die „Eismaschine“, ein
Eiskristallisator. Damit konnte das Wachstum eines Eiskristalls mit
blossem Auge beobachtet werden.
Eindrücklich auch das textlose, lexikonartige Buch mit dem
unendlichen Formenreichtum der Schneekristalle. Seitenweise
aneinandergereihte Formen. Jede ein unverwechselbares Original. Das
6-eckige Muster, das allen Schneesternen zugrunde liegt, wurde 1611
schon von Johannes Kepler beschrieben.
Primo und ich waren alleine im Ausstellungsraum, hatten alle
Zeit, den Darstellungen dieser Bilderausstellung zum Phänomen Eisblumen
zu folgen. Wir lernten unterscheiden: die Schneekristalle, der Raureif,
die Eisblumen an Fenstern. Erstmals in einer Ausstellung dokumentiert,
lernten wir das Haareis auf Waldböden und Stängeln kennen.
Ein bezaubernder Film führte diese Arten vor.
Raureif bildete sich an feuchtkalten Tagen auch auf Primos Bart auf der halbstündigen Velofahrt von der Werkstatt nach Hause.
Auch an diesem Tag fühlte es sich feuchtkalt an. Die Stadt war ohne
Weitsicht, vom Nebel eingehüllt. Das Licht auf grau geschaltet.
Freundlich und heiter dann die Stimmung im Hotel „Hofgarten“. Fein die
Speisen, freundlich die Bedienung. Wir fühlten uns in den Ferien,
liessen uns treiben und landeten schliesslich im Museum Bellpark in
Kriens. Ausstellung Krienser Masken 1920‒1970.
Ich sah die Freude über Primos Stirn huschen, als er die hohe Kunst
der Maskenschnitzer sah. Und überall, wo eine Hobelbank steht, da sind
wir zu Hause. Hier in Kriens wurde eine kleine Werkstatt nachgestellt.
Mit Werkzeugen und einem Lindenholzblock, halbseitig bereits als Maske
roh geschnitzt. Eindrücklich, diese beiden Seiten am gleichen Stück. Der
ungeschlachte Klotz und das feinfühlig bearbeitete halbe Gesicht. In
der Mitte die noch nicht ausgeformte Nase. Besser könnte die Herstellung
dieses Kunsthandwerks gar nicht dargestellt werden. Ohne Worte, ohne
Erklärungen rief sie Bewunderung hervor.
Wir haben jede Maske betrachtet. Es wird von Charakter- und
Schreckmasken gesprochen. Primo verneigte sich schliesslich vor diesen
Werken und vor den Künstlern auf der Fotowand.
Fasnacht spielt in unserem Leben keine Rolle. Von den Masken in
dieser Ausstellung aber liessen wir uns gerne einnehmen. Auch die
Geschichten eines alten Krienser Fasnächtlers, die ab Band zu hören
waren, trugen dazu bei. Das lebhafte Erzählen und der klangvolle Dialekt
berührten uns. Was wir sahen und hörten, ist ein Gesamtkunstwerk.
Auf dem Heimweg dann, wieder in Luzern, meinten wir in manchen Gesichtern eine Charaktermaske zu erkennen.
Die Ausstellung im Museum Bellpark Kriens ist noch lange zu bewundern: 14.11.2010 bis 26.02.2012.
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