Die Karwoche ist etwas Besonderes. Es sind die Tage vor dem
Osterfest. Die Arbeitswoche ist kurz. Die Ansprüche an diese Zeit sind
gross. Das Haus soll aufgeräumt und sauber werden, damit wir es in der
Osternacht wieder feierlich ausräuchern können.
Das Frühlingslicht macht mich quirlig. Vermutlich ist es nicht das
Licht allein, das in alle Winkel zündet und mir den Staub und Schmutz
präsentiert. Ich spüre auch die Energie aus der wieder erwachten Natur.
Im Erdreich muss sich ein Gerangel abspielen. Gras und Blumen befinden
sich ziemlich sicher in einem gigantischen Wettstreit, wer zuerst den
Durchbruch schafft.
An solchen Tagen fallen mir viele Ideen zu, ohne dass ich sie auf
ihre Tauglichkeit prüfen kann. Es ist Aufbruchstimmung. Die Gedanken
sind noch unvergoren „en Chrüsimüsi“, eine Art Mischmasch. Auch sie sind
im Wettstreit nach aussen und mit dem Wunsch verbunden, verwirklicht zu
werden. Es ist eine Art Energietanz in mir und ein Drang, dies und das
gleichzeitig anzupacken und zu realisieren. Die Gefahr, nervös zu
werden, gehört dazu. Mein Vater nannte meine Natur manchmal
„Schutzgatter“. Die Einzelteile eines Fallgatters baumeln solange
unruhig hin und her, bis sie im Stadttor fixiert sind. So bildreich war
die Sprache noch vor 50 oder 100 Jahren.
Ich habe auch schon davon geträumt, die Karwoche in einem Kloster
zu verbringen, um mich nicht mit Alltäglichem befassen zu müssen. Der
Übergang von der schlafenden zur erwachten Natur, vom Sterben und
Auferstehen in kontemplativer Art zu erleben.
Und dann stellte ich fest, dass gerade die Hausfrauenarbeit zur
Beschaulichkeit führen kann. Kontemplation (Versunkenheit ohne allen
Wollens) stellt sich doch auch ein, wenn ich Wäsche bügle. Diese Arbeit
geht mir leicht von der Hand, verlangt nur Konzentration. Das, was
nachher auch noch getan werden muss, ist noch nicht angesprochen. Ich
bin nur da, wo ich jetzt gerade bin. Arbeitend und doch auch ruhend. Und
dann steigen manchmal ganz schöne Einsichten auf.
Ähnlich beruhigend wirkt das warme Wasser aus dem
Schüttsteinbecken, wenn ich unser Geschirr spüle. Dann reguliert mir die
Wärme den Kreislauf, beruhigt das Nervensystem und bindet die
schusselige Natur zurück.
Als unsere Töchter noch kleine Kinder waren, konnte ich auch an
ihnen beobachten, wie sich der Frühling gebärdet. Sie stürmten hinaus,
tummelten sich stundenlang im Freien, redeten laut oder schrien. Sie
wurden frech und setzten sich durch. Ich erinnere mich jeden Frühling an
diese Erfahrung. Eindrücklich ist auch der Vergleich mit dem
astrologischen Widder, dem ersten Zeichen im Tierkreis. Das Temperament
jener Menschen, die zwischen dem 21. März und dem 20. April geboren
sind, tragen unübersehbar vergleichbare Zeichen in sich. Sie stürmen
gerne auf Ziele los, sind Tatmenschen, jungendlich unbekümmert,
ungeduldig und wollen oft mit dem Kopf durch die Wand.
Der französische Astrologe André Barbault schrieb dazu:
„Wenn man bedenkt, was sich in der Natur abspielt, während die Sonne das
erste Zeichen durchläuft, versteht man auch, dass dieses Zeichen von
einem Widder versinnbildlicht wird. Dieses Tier steht in der Herde stets
zuvorderst, seine Stosskraft ballt sich im massigen Schädel zusammen
und ist immer bereit, sich mit den Hörnern voran auf ein Hindernis zu
stürzen.“
Vielleicht mehr noch ist mir das Leise am Frühling lieb. Wie
lautlos und geheimnisvoll sich das Wachstum vollzieht. Wie sich die
Knospen entfalten, wie Blumen erblühen. Wie sich Wiesen und Felder über
Nacht verändern. Wir hören sie nicht, und doch bin ich überzeugt, dass
auch sie miteinander im Gespräch sind und den Frühling feiern.
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