Heute morgen bin ich im Hof mit unserem Briefträger
zusammengetroffen. Ich informierte ihn gleich über unseren baldigen
Umzug nach Altstetten. Und er erklärte mir, dass ich am neuen Wohnort in
den selben Zustellkreis gehöre. Dort seien alles gute Leute. Ich werde
sicher weiterhin zuverlässig bedient.
Daran habe ich gar nicht gezweifelt. Schon am ersten Tag, als ich noch nicht wusste, dass wir als Mieter an der Eugen-Huber-Strasse akzeptiert werden, bemerkte ich, dass hier die Briefpost schon vor 9 Uhr ausgetragen wird. Das deutete ich als gutes Omen.
Die Fäden zur Post bleiben also intakt. Jetzt nimmt es mich nur
noch wunder, wo ich die eingetroffenen Briefe in Zukunft hinlegen werde.
Es fehlt im neuen Zuhause noch der dafür geeignete Platz.
Seit 40 Jahren dient uns an strategisch richtigem Ort ein hölzernes Becken, „Gebsi“
genannt. (Ein Schweizer Dialektwort für Becken, Waschbecken oder
Zuber). Eine Weissküferarbeit aus dem Toggenburg. Wir fanden die etwas
lädierte, weggeworfene Schale auf einer damals noch rudimentären
Abfalldeponie. Primo erkannte sofort die Schönheit ihrer Form. Dass das
Holz an 2 Orten ausgerissen und mit Drähten zusammengehalten wurde,
störte ihn nicht. Wir nahmen sie mit, sprachen noch mit den Vermietern
unserer Ferienwohnung darüber und erfuhren, dass dieses „Gebsi“ zur
Milchentrahmung gebraucht worden sei. Es fasste die frische Milch, die
tags darauf abgesahnt werden konnte.
In seinen Boden waren Initialen der Besitzer eingebrannt. Und zu
Hause fügte Primo diesen auch die eigenen auf gleiche Weise an. Und
damit war das „Gebsi“ sozusagen zu einem Mitglied unserer Familie
geworden.
In Zürich fing es dann alle Post auf, die noch beantwortet werden
musste. Es behütete Briefe, Prospekte, Einladungen, Pläne,
Visitenkarten, Notizen, oder kleine Dinge, von denen wir nicht wussten,
ob wir sie behalten sollen. Und hier, in dieser Schale drin, geschah
dann etwas Ähnliches wie mit der Milch. Indem die Papiere ruhten,
trennte sich im übertragenen Sinn der Rahm von der Milch. Manches
erledigte sich von selbst. Wichtiges wurde plötzlich erkannt. „Gebsis“
Platz auf einer Kommode am Durchgang von der Küche zur Stube war ideal.
Den gibt es so jetzt nicht mehr.
Ich weiss noch nicht, ob wir dieser treuen Dienerin wieder einen
grossräumigen Platz zuweisen können, der ihrem 45-cm-Durchmesser
entspricht. Das beschäftigt mich. Wenn ich darüber schreibe, mokiere ich
mich über mich selbst. Es ist ja nur ein Detail unseres gesamten
Umzuges, ich weiss. Und doch ein wichtiges.
Während der Wohnungssuche wurde ich manchmal gefragt: „Kannst du noch schlafen?“ Ja.
Das war kein Problem. Aber jetzt schlafe ich manchmal lange nicht ein,
weil ich an „Gebsi“ denke. Unsere Zusammenarbeit war so wertvoll, dass
ich mir nicht vorstellen kann, sie einfach in Pension zu schicken.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen