Kurz vor der Abfahrt setzte sich eine Frau zu mir ins Abteil. Wir
reisten in der S-Bahn dem linken Zürichseeufer entlang. Genussvoll ass
sie eine Bratwurst und schmunzelte. Sie habe Hunger gehabt, sei zufällig
am Wurststand vorbeigekommen. Den würzigen Düften konnte sie nicht
widerstehen. Wie wenn sie sich entschuldigen wollte, sagte sie noch: „So etwas macht man ja eigentlich nicht. Essen im Gehen, Essen in der Eisenbahn, das war für uns doch tabu.“ Diese Aussage verrät unser Grossmutter-Alter. Sie hatte mich ganz selbstverständlich auch in diese Erfahrungen einbezogen.
Sie sinnierte weiter: Alles sei heute einfach anders. Aber sie
bewertete die Umwälzungen nicht. Das hat mir gefallen. Ich empfinde das
Leben auch als eine fortwährende Entwicklung. Manchmal denke ich, zum
Leben gehöre ein uns alle umfassendes Kaleidoskop, das sich in gewissen
Zeitabständen bewege und uns neue Muster hinhalte. Darum finde jede
Generation ihre eigenen, neuen Themen und Lebensmodelle, mit denen sie
dem Paradies näherzukommen versucht. Zugegeben, Veränderungen sind auch
Verunsicherungen und können mühsam und schmerzhaft sein.
Einmal alt geworden, können wir der irrigen Ansicht verfallen,
jetzt seien dann alle Möglichkeiten, das Leben sinnvoll zu gestalten,
erschöpft.
Aber nur darum, weil wir viele Modelle aufblühen und verwelken sahen, wird die Welt sicher nicht sofort untergehen.
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