Montag, 5. März 2007

Vom Warten, Beobachten, Tram fahren und Erschrecken

An der Tramhaltestelle Bahnhofstrasse in Zürich stehen und warten, ist für mich ein Freilicht-Schauspiel. Der Bahnhof spuckt die Reisenden aus, gleichgültig ob sie in der grossen Halle oder im Untergrund angekommen sind. Viele spült es über den Bahnhofplatz Richtung Paradeplatz. Und immer sind es andere Gruppen mit anderen Merkmalen.

Um halb 9 Uhr am Morgen sind es die Angestellten, die mit Taschen und Mappen daher kommen und ihren Arbeitsplätzen zuströmen. Später sind es Flanierende und jene, die ihre Einkäufe und Geschäfte tätigen. Jetzt begegne ich mehrfach Einzelgängern, die ganz auf ihre Ziele ausgerichtet sind. Sehr viele lesen die kleinformatige Gratis-Zeitung im Gehen. Einige halten das Handy am Ohr. Wie konnten sie auch alle leben, als es dieses Kommunikationsmittel noch nicht gab? Es fällt mir auf, dass der Mann, der hier tagsüber die Zeitung der Arbeitslosen verkauft, noch nicht anwesend ist. Keine günstige Zeit für ihn, wenn alle zügig ausschreiten.

Manchmal schaue ich in die Gesichter und möchte wissen, ob sie sich den Aufgaben gewachsen fühlen, denen sie zustreben. Und ich schaue auf Kleider oder auf Schuhe. So auch heute wieder. Es sind viele Grössen vertreten, klassische und sportliche Form. Die spielerische Eleganz ist um diese Zeit eher nicht vertreten. Auf dem Weg zur Arbeit sind jene Schuhe passend, die eine richtige Bodenhaftung und ein selbstsicheres Auftreten unterstützen. Und die Mäntel variieren zwischen Grau und Schwarz.

Ich stehe selbstverständlich nicht alleine an der Station. Zu dieser Zeit warten viele. Jene, die dann im eingefahrenen Tram einen Sitzplatz ergattern, können sich entspannt der Zeitung zuwenden. Wie überall läuten auch hier die Handys. Am Morgen jedoch viel weniger als in den Feierabendstunden. Da wird dann gemeldet, dass die Heimkehr bevorstehe und dass das Essen in den Ofen geschoben werde könne. Es gibt am Morgen und am Abend auch Humoristen, die andere necken. Aber das ist eher selten. Heute habe ich 2 Männern, die neben mir standen, zugehört, wie sie über Kündigungen sprachen. Sie nannten Namen, auch von solchen, die am besten selber noch kündigen würden. Ich folgerte, dass diese Personen entweder unbeliebt oder unfähig sind. Aber welche Machtkämpfe im Arbeitsleben heute ausgetragen werden, das kann ich mir nicht vorstellen. Als die erwähnten Männer Richtung Ausgang gingen, sagte der eine: „Los, das isch halt kein Sandstrand.“ Diese Aussage belustigte mich. Da wird also noch in Bildern gesprochen. Das gefällt mir. Doch gleich danach musste ich feststellen, dass die Herren das Thema gewechselt hatten und jetzt von ihren realen Ferien redeten.

Wie immer leert sich das Tram dann an der Station Uetlihof, im Umfeld einer Grossbank. Alle strömen dorthin, nur ich marschiere Richtung Altersheim Laubegg. Es ist gar nicht so einfach, aus einem breiten und reissenden Menschenstrom auszuscheren.

Bei Celeste verlief dann alles wie üblich. Sie hatte ein paar Anliegen, die ich erfüllen konnte. Als ich mich verabschiedet hatte, war das ein Schlusspunkt, und ich dachte bereits ans Kochen für das Mittagsmahl. Aber oha. Mit dem zufälligen Zusammentreffen mit Frau N. hatte ich nicht gerechnet. Wir wohnen in der Nähe, sehen uns selten. Nun packte sie die Gelegenheit, wollte mir alle Neuigkeiten aus ihrem Leben und jenem ihres Hundes ausbreiten. Sie lud zum Znüni-Kaffee in den Brunaupark ein. Ich konnte nicht nein sagen.

Diese halbe Stunde, die ich ihr dann widmete, wurde zum Horror für mich. Frau N. hat einen seltsamen Schönheitssinn. Heute trug sie einen Kunstfaser-Schal mit aufgedrucktem Ringelnatter-Muster. Da sich das Material dieser Halsschleife auf natürliche Art rollte, konnte man meinen, sie habe eine Schlange um ihren Hals gelegt. Frau N. ist eine nervöse Person. Sie zog dauernd an dieser Schlange herum, die mich verwirrte.

Die gemeinsame Heimfahrt in ihrem Auto konnte ich dann glücklicherweise verhindern.

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