Das Wort „Soziotope“ gefällt mir, und wo ich es erstmals gelesen
und gleichzeitig umgesetzt erlebt habe, zeigte es mir seinen Inhalt.
Es besteht eine Stadtteilpartnerschaft zwischen Paris 18 („La
goutte d’or“) und dem Zürcher Aussersihl-Quartier. Und aus ihr
resultieren gegenseitige Ausstellungen und kürzlich ein Konzertabend mit
Kindern aus den beiden Städten. Kinder aus über 20 Nationen sangen
Lieder und musizierten, denn beide Quartiere sind multikulturelle Orte.
Aus Paris unter der Leitung von Patrick und Louise Marty, aus Zürich von
Sacha Rüegg.
Das Programm umfasste sogar einen „Blues de la goutte d’or“,
die von den Pariser Kindern selbst kreiert worden sei. Zürich eröffnete
das Konzert mit einem eigenen Rap und demonstrierte gleich zu Beginn
das für die französischen Ohren vermutlich wie Kauderwelsch anzuhörende
Schweizerdeutsch. So ging es hin und her. Zuerst die Chöre nach ihrer
Herkunft einzeln, im zweiten Teil dann gemeinsam. Auch Joe Dassins „Oh Champs Elysées“
war zu hören und riss das Publikum mit. Packend dann alte Kinderlieder
aus der Schweiz mit Jodel-Refrains und ganz eindrücklich der über 65
Jahre alte und an diesem Abend auferstandene, durchlüftete Schlager „Nach em Räge schiint d Sunne“ (Nach dem Regen scheint die Sonne). Da zeigte es sich, dass auch Weltstadtkinder begeistert jodeln können.
Auch das Konzert jener Kinder, die in der „Goutte d’or“
Musikunterricht erhalten, beeindruckte. Einen Riesenapplaus bekam der
junge Trompeter, dessen unverfälschte, starke Töne weit ausstrahlten und
über unsere Rücken rieseln liess.
Pfarrer Anselm Burr, der die Gäste in seiner Citykirche, dem
„Offenen Sankt Jakob“ auftreten liess, steuerte noch eine Geschichte zu
den Darbietungen bei. Er erzählte den Kindern, dass in dieser über 100
Jahre alten Kirche eine Persönlichkeit ganz zurückgezogen lebe und eine
wichtige Aufgabe erfülle. Sie sei aber scheu, ängstlich und verletzbar
und er wisse nicht, ob sie ihm den Wunsch erfülle, sich den Gästen kurz
zu zeigen. Er bat uns, die Augen zu schliessen und nach einem Zeichen
diese langsam und blinzelnd wieder zu öffnen. Da war dann eine Kerze
entzündet und Burr lüftete das Geheimnis. Es sei die Stille, die hier
lebe und vor der wir uns und unsere Darbietungen hören können. Sie
ermögliche uns aber auch, in der Stille die Stille zu hören.
So habe ich das verstanden. Den französisch sprechenden Kindern wurde das Geheimnis in ihre Sprache übersetzt.
Aus der eigenen Jugend weiss ich, dass solche Erfahrungen prägend
sein können. Musik als Mittelpunkt, Treffpunkt von Kindern und jungen
Menschen verschiedenster sozialer Herkunft. Gemeinsame Erlebnisse.
Gemeinsame Anstrengungen. Gemeinsames Unterwegssein. Das alles ist
Horizont erweiternd, Gemeinschaft fördernd und offensichtlich
Bestandteil der sozitopischen Kultur.
Ich danke allen, die solches ermöglichen. Den an diesem Abend
Sichtbaren und offensichtlich von einem Charisma Begleiteten, aber auch
jenen wichtigen Mitarbeitenden, die im Hintergrund wirken, wie es die
Stille tut.
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