Sommer ade! Die Zwetschgen sind geerntet. Die Rosskastanien haben
sich aus ihren stacheligen Hüllen befreit. Die Nachtkerzen bringen nur
noch vereinzelt Blüten hervor. Die Abende dunkeln rascher ein. Wir
kommen zurück ins eigene Haus. Die Schulferien sind beendet. Die
Rückkehr ins Schulhaus hat stattgefunden. Für einige Kinder war es der
Eintritt in den Kindergarten oder in die Primarschule, also ein
Aufbruch.
In Frankreich nennt man diese Zeit „rentrée“. Rückkehr aus der
Entspannung, von Reisen, vom Haus am Meer. Die unbeschwerte Zeit ist
beendet, abgebrochen. Auch dort beginnt das neue Schuljahr nach den
Sommerferien. Dazu habe ich Fotos aus Paris erhalten, aus dem Schulhaus Orsel, wo letzte Woche auch meine Enkelin in die École maternelle
eingetreten ist. In ihrer Klasse hätten alle 22 neu angekommenen
Mädchen und Buben geweint, als sich Mütter und Väter verabschieden
mussten. Sie sind auch erst 3-jährig. Für diese Kinder, die sich im
Laufe des Tages von ihrer Traurigkeit erholt haben sollen, ist es ein
Durchbruch in die Zukunft, die Vorbereitung auf die Eingliederung in
eine leistungsorientierte Gesellschaft. Dieser Satz stammt nicht von
mir, sondern von einer Mutter aus Paris.
„Der Zürcher Sommer ist besser als sein Ruf“ titelte der
„Tages-Anzeiger“ vom 1. September 2005 und lieferte auch die Begründung
dazu. Zahlen und Vergleiche mit Vorjahren rechtfertigen die Aussage. Juli aussergewöhnlich trocken, Juli im Schnitt von früher und August zu feucht,
zitiere ich die erschienene Bilanz etwas knapp. Es hiess da auch, dass
der Juni 2005 2 bis 3 Grad °C zu warm gewesen sei. Und es wurde
selbstverständlich auch auf die katastrophalen Regenfälle zwischen dem
21. und dem 23. August hingewiesen.
Eine Schlagzeile, die positiv stimmte, aber nicht für alle stimmen
kann. Wetter-Statistiken geben nur einen Rahmen, in dem unser Leben
stattgefunden hat. Für einige war es ein wundervoller Sommer, für andere
nur ein nasser. Für einige eine Zeit voller Entdeckungen, weil sie dem
Leben nicht vorschreiben, wie es sich abwickeln muss. Andere hadern,
weil sich Wünsche nicht erfüllten usw. Sicher beschwingt uns ein
heiterer Himmel, und die Wärme der Sonne entspannt uns. Doch ist das
nicht alles. Auch Regen kann schön sein. Es kommt auf die Einstellung,
den Regenmantel und das gute Schuhwerk an.
Ganz und gar ausserhalb des obigen Titels stehen die Betroffenen der
Klima-Katastrophe. Der Zusammenbruch ihrer Heime und Existenzgrundlagen
ist unvorstellbar grausam und hat hoffentlich manches Gewissen
erschüttert. Unsere wirkliche Hilfe neben der materiellen Aufbauhilfe
kann nur das Umdenken sein. Die Fakten sind bekannt. Wir verhalten uns
in keiner Weise als faire Partner von Natur und Umwelt. In der
vorpatriarchalen Kultur wurde die lebensspendende Mutter Erde noch mit
Festen geehrt und ihr für Wachstum und Fruchtbarkeit gedankt. Wir aber
beuten die Lebensgrundlagen nur noch aus.
Was wird in 20 Jahren sein, wenn die eben eingeschulten Kinder
erwachsen geworden sind? Werden sie noch an Gewinnmaximierungen als
Lebensinhalt glauben? Ist ihr Leben immer noch so laut, wie das der 20-
bis 25-Jährigen von heute? Oder läuten sie dann ein neues Paradigma ein?
Ich wünsche mir, dass sie die leisen und feinen Töne entdecken und auf
das Leben hören lernen. Das wäre dann ein wirklicher Aufbruch in ein
neues Zeitalter.
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