Das Ereignis liegt 30 Jahre zurück. Ich staune, dass sich diese Geschichte gemeldet hat.
Als im Zürcher Hauptbahnhof für die unterirdische S-Bahn gebaut wurde und man in 8 Meter Tiefe vorgedrungen war, fanden die Bauarbeiter bei den Aushubarbeiten einen ungefähr 6 m langen Baum. Er lag im Kies. Man freute sich nicht über diesen Fund. Er wurde als Störenfried empfunden. Sorglos wurden darum Scheiben abgeschnitten, bis der Stamm etwa 3 m lang war. Erst dann wurde es möglich, ihn aus dem Schotter herauszuziehen.
Eine solche Scheibe wurde in die Schreinerei meines Ehemannes Primo gebracht. Obwohl er die Geschichte dieses Baumes nicht kannte, sah er sofort seine Einmaligkeit und das Archaische an ihm. Die Mooreiche. Die dunkle Farbe und die zottige Rinde wiesen auf sie hin. Solche Bäume werden selten gefunden. Im Zürcher Furnierwerk, wo der Baum aufgeschnitten wurde, sagte ihm der Furnierschneider, in seiner 30-jährigen Tätigkeit habe er erst dreimal eine Mooreiche aus der Schweiz (Funde aus dem Rheintal) aufgeschnitten.
Diese Mooreiche, die den Namen Zürcher Mooreiche tragen darf, wurde untersucht. Das Geografische Institut der Universität Zürich-Irchel ermittelte mit der 14C-Methode ein Alter von 109 Jahren. Vermutlich wurde der Baum vom Blitz erschlagen. Als Schwemmgut im Fluss (in der Sihl, eventuell in der Limmat) im Untergrund des heutigen Hauptbahnhofes im Kies festgehalten und vom Wasser überschwemmt. Dort ruhte der Baum rund 3'000 Jahre.
Eine Geschichte, die uns bewegte und immer noch bewegt.
Nachdem der Baum zu Furnier geschnitten in die Werkstatt zurückgebracht worden war, entstand aus zwei zusammengefügten Furnierblättern das "Bärenfell". So nennt Primo sein erstes Zürcher Mooreichen-Kunstwerk.
Am 5. September 2015, nur einen Tag nach meiner S-Bahnfahrt mit den Erinnerungen an den Mooreichenfund, wurde der Pfingstweidpark eröffnet. Die Quartierzeitung berichtete von einem dynamischen Einweihungsakt. Ihn haben wir nicht erlebt. Wir besuchten den Ort erst gegen Abend. Die Bilder, die dazugehören, erzählen von heiterer Stimmung und Freude.
Das Wort RENAISSANCE am Hotel-Tower verstehe ich als Wiederaufleben dieses Ortes. Alte, ausgediente Industriegebäude sind verschwunden. Ebenso die Familiengärten, wie sie einst in vielen Städten an ihren Rändern anzutreffen waren. Ich hörte einen Mann sagen, der neue Park gefalle ihm gut, doch der Verlust seines eigenen Gemüsegartens, der wiege schwer.
Als Bagger in der Pfingstweid auffuhren |
Wo bin ich gelandet, fragte ich mich, als ich Zürich-West mit Abstand betrachtete. Der Anblick befremdete. Ich sah eine sehr kühle, nur rationale Umgebung. Und jetzt neu das Gegenstück zu ihr. Der weit offene Pfingstweidpark ist seine Ergänzung. Er atmet, er lässt Pflanzen und Bäume wachsen. Eine Wohltat für alle Menschen aus diesem Quartier.
Wer den Park besuchen will, fährt mit der S-Bahn Richtung Altstetten ab Hauptbahnhof zur Station Hardbrücke. Fahrzeit nur 2 Minuten.
Wer mit der S-Bahn im Untergeschoss des Zürcher Hauptbahnhofs ein- oder ausfährt, der befindet sich im Untergrund, in dem die Mooreiche ihren 3'000-jährigen Schlaf geschlafen hat.
1985 wurde die Mooreiche gefunden. Heute erzählte ich ihre Geschichte. Darum gehört auch sie zum Thema RENAISSANCE.
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