Die Banane kann heute überall gekauft werden. Man könnte
meinen, sie stamme aus hiesigen Gärten, und sie kommt doch von weit her.
Meine Mutter, als sie noch ein Kind war, soll den Namen dieser Frucht
nicht gekannt haben. Sie nannte sie „die Gelbe“ und habe gebettelt, dass man ihr einmal eine kaufe.
Nach wenigen Jahrzehnten konnte offensichtlich niemand mehr auf sie
verzichten. Sie wurde schon den Säuglingen verabreicht. Mir wurde sie
von der Mütterberatung empfohlen. Sie eignete sich gut für den Übergang
vom Stillen oder von der Flaschenmilch zum Brei.
Auch die Orange gehörte zu den nicht alltäglichen Früchten.
In meinem Elternhaus gab es Äpfel und Birnen sowie eingemachte Früchte
wie Zwetschgen, Aprikosen und Mirabellen. Als aber meine Schwester Renate einmal schwer krank war, kaufte Mutter Orangen und verabreichte sie ihr als ergänzende Medizin.
Am Sihlquai in der Stadt Zürich, hinter dem Schulhaus
„Kornhausbrücke“, wo ich zur Schule ging, kamen die Orangen aus dem
Süden in den Güterzügen in Zürich an. Hier wurden sie von den
Südfrüchtehändlern für den Engrosmarkt erwartet. Arbeiter, die mit dem
Verladen der Früchte beschäftigt waren, schenkten uns augenzwinkernd die
noch guten Teile von Orangen, nachdem sie die angefaulten Teile
abgeschnitten hatten. Manchmal fielen auch gesunde Orangen aus den
Bahnwagen zu Boden. Welch ein Glück, wenn wir sie fanden!
Den Krautstiel kannte ich auch lange nicht. Erst 1964, 2 Tage nach der Geburt von unserer Tochter Felicitas,
wurde mir dieses Gemüse in der Klinik serviert. Ich fand schon damals,
das sei eine Köstlichkeit. Der Krautstiel ist es noch immer, hat seinen
Platz in meiner Küche behalten. Ich dämpfe ihn leicht, gebe ihm einige
Butterflöckli dazu, würze mit Streusalz und parfümiere ihn mit
geriebenem Parmesan.
Vom Fenchel kannte ich nur die Samen, die zu einem beruhigenden Tee aufgebrüht werden können und den Säuglingen ebenfalls zuträglich sind. Primo
machte mich dann mit dem Fenchelknollen bekannt. In seiner zur Hälfte
italienischen Familie wurde der rohe Fenchel als Vorspeise serviert. Die
gewaschene Knolle wird gewaschen, abgetrocknet und in etwa 1 cm dicke
Scheiben geschnitten. Diese werden beidseitig mit Olivenöl eingerieben
und mit wenig Salz bestreut. Die grünen Haare des Knollens werden fein
geschnitten und über die Scheiben gestreut. Dazu passen Salami oder
Trockenfleisch. Mit diesem rohen Fenchel als Apéro habe ich immer
Erfolg.
Und Rina, meine Lehrmeisterin, vermittelte mir nicht nur die
Praxis der doppelten Buchhaltung. Als sie nach Florenz auswanderte und
ich sie dort später besuchte, lehrte sie mich, den Sugo aus
frischen Tomaten herzustellen. Ich war begeistert. Nun, nach bald 50
Jahren, habe ich hin und wieder Lust, die Spaghetti nach alter Manier
aufzutischen. So, wie es meine Mutter machte. Sie benützte das Parma
Doro-Tomatenpüree aus Italien, verdünnte es mit wenig heissem Wasser,
presste mindestens 2 Knoblauchzehen dazu, verfeinerte diese Sauce mit
Olivenöl und schwenkte die frisch gekochten Teigwaren darin.
Neu habe ich einen emotionalen Zugang zum Carnaroli-Reis.
Ich habe im Herbst in der südlichen Toskana die grossen Reisfelder
bewundert und in der Autobahnraststätte Carnaroli-Reis aus der Region
kaufen können. Und wie immer, wenn ich aus den Ferien etwas heim- und
dann auf den Tisch bringe, wird meine Liebe zu einer Region oder zu
einem Volk gefestigt. Und die schönen Erlebnisse bleiben auf diese Weise
lange erhalten.
Ich lasse mich immer noch gern von der Güte der italienischen
Esskultur beeinflussen. Die Gastarbeiter brachten sie zu uns. Wir wurden
aufmerksam auf sie. Es war gerade die Zeit, als ich ziemlich
unvorbereitet für meine Familie zu kochen begann.
Wer jetzt erwachsen wird und jetzt zu kochen anfängt, wird noch
vielfältigere Einflüsse spüren. Produkte aus fernen Ländern sind hier
erhältlich und die Grossverteiler sorgen dafür, dass auch entsprechende
Rezepte vorhanden sind. Und wer diese nach eigenem Gutdünken an unsere
Verhältnisse anpasst, ist kreativ und bringt Welten zusammen.
Am meisten staune ich aber über die Fülle von ausgesuchten,
hochwertigen Lebensmitteln, die wir in unserem Land kaufen können. Jetzt
gerade speziell im Hinblick auf die Feiertage am Jahresende. Es ist
eine Art Schlaraffenland entstanden. Für junge Leute etwas ganz
Selbstverständliches. Was werden sie in 50 Jahren rückblickend erzählen
können?
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