Am 28. Januar 2010 fand ich im Blog unserer Tochter Letizia zum Thema Stricken diesen kleinen und witzigen Film „The last knit“
Es löste diesen Beitrag aus.
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In letzter Zeit ist Stricken wieder salonfähig geworden. Es soll
junge Frauen geben, die sich zu Strickabenden treffen. Das weckt
Erinnerungen.
Zu meiner Jugendzeit war Stricken populär. Wir Mädchen wuchsen ganz
natürlich in dieses Handwerk hinein. Meine Mutter verstand es, uns
dafür zu begeistern. Und die Grossmutter half mir, meine Projekte zu
verwirklichen, wenn ich bei ihr in den Ferien war. Zu Hause strickten
wir zu dritt um die Wette. Beim Sockenstricken gab es einen in vielen
Familien bekannten Wettstreit. Wir stachen mit der Nadel in die Zeitung.
Die Anzahl Buchstaben jenes Wortes, das wir getroffen hatten, bestimmte
die Anzahl der zu strickenden Umgänge. Wer diese zuerst abgespult
hatte, war Gewinnerin. Ein fröhliches Spiel. Die Zeit verflog im Nu.
Mutter und Grossmutter verstanden es, uns zur Perfektion zu
erziehen. Da machte es dann Freude, wenn ein Werk gelang. Wir strickten
auch Pullover und Jacken. Noch besitze ich zwei der hochformatigen
Strickbücher der „Schaffhauser Wolle“. Den 19. und den 20. Jahrgang.
Modejournal und Anleitungsbuch in einem. Jedes Modell fotografisch
dargestellt, mit Zeichnung und Beschrieb versehen. Einleitend auch mit
einem Sortenverzeichnis der verschiedenen Wollgarne.
Das Markensignet der „Schaffhauser Wolle“ mit dem abgebildeten
Hardturm spricht mich darum speziell an, weil ich diesem
mittelalterlichen Wohnturm gegenüber aufgewachsen bin.
Wenn ich heute in diesem Strickbuch blättere, erkenne ich sofort
jene Modelle, die in unserer Stube entstanden sind. Und ich finde auch Yolanda,
meine Mitschülerin, die wie ein professionelles Mannequin eine
mehrfarbige und mit Spannstichen dekorierte Strickjacke präsentiert. Auf
der Fotografie sitzt sie auf dem Brunnenrand vor dem Primarschulhaus
Kornhausbrücke. Um dieses Mädchen wehte immer eine Art Glanz, dem sich
vor allem die Buben nicht entziehen konnten. Wer wählte sie aus, wie kam
sie zu solcher Ehre? Wir waren doch Kinder aus dem Industriequartier.
Beeindruckt bin ich noch heute von der Gestaltung dieser
Strickbücher. Es begeistert mich das modische Flair, die übersichtliche
Darstellung, die Fotos auch von Strickmustern und die grundlegenden,
allgemeinen Hinweise. Alles klar. Wirklich alles klar.
Beim Stricken lernten wir, auf viele Details zu achten. Auch da
gibt es eine Art Handschrift. Manche reihen die Maschen ganz eng und
hart aneinander, andere locker. Darum musste zuallererst eine
Maschenprobe gemacht werden. Im Strickbuch heisst es dazu zum Beispiel
bei einem Modell: „15 M. (Maschen) im Flächenmuster ergeben 4 cm Breite.“
Das war zu vergleichen und falls nötig, auf die eigene „Handschrift“
umzurechnen. Da lernte ich den Dreisatz praktisch einsetzen.
Wir lernten planen, berechnen, vorausschauen, Masse einhalten, auf
Form stricken. Man kann eine Handstrickarbeit später nicht zuschneiden.
Da würde das Gewebe sofort zerfallen. Wir lernten, Voraussicht und
Übersicht zu entwickeln.
Wenn wir einen Fehler entdeckten, wurden die Nadeln herausgezogen und die Strickerei soweit aufgelöst, bis er verschwunden war.
Dass das Gewebe der Handstrickerei aufgelöst werden kann, hat uns
damals auch ermöglicht, einen Pullover, der zu klein geworden war,
aufzutrennen, das vernähte Wollfadenende zu suchen, es aufzulösen und
die gesamte Arbeit rückgängig zu machen. Die gekräuselte Wolle also
wieder zu Knäueln aufrollen. Danach wickelten wir sie um eine
Stuhllehne, unterteilten von Zeit zu Zeit mit einem andersfarbigen Garn
die Stränge und banden den Faden fest. Dann wuschen wir diese
Wollstränge in einem milden Seifenwasser, streckten sie, trockneten sie,
banden sie erneut zu Knäueln auf und verarbeiteten sie zu einem neuen
Modell. Wenn es grösser ausfallen musste, wurde ein zusätzliches,
andersfarbiges Garn dazugenommen und zu einer neuen Kreation
verarbeitet. Als „nachhaltig“ würde man das heute bezeichnen.
Wenn sich die Fäden beim Stricken um unsere Finger schlängelten,
fühlten wir die Art der Garne und ihre Elastizität. Das sind
Sinneseindrücke, die ewig leben und mir immer noch beistehen, wenn ich
eine Stoffqualität beurteilen will.
Nach und nach folgte ich nicht mehr den vorgegebenen Mustern.
Erfahrung führt ja automatisch zur Kreativität. Das ist nochmals ein
positiver Punkt, der zum Thema Stricken hinzugefügt werden kann. Und mit
Stricken verdiente ich übrigens mein erstes Geld.
Felicitas, unsere ältere Tochter, wuchs auch noch in der
beschriebenen Tradition auf. Schneller als ich verzichtete sie auf
Strickbücher und Vorgaben und entwickelte eigene Modelle und Muster.
Ihre spätere Ausbildung zur Textil-Designerin baute dann auf diesen
Erfahrungen auf. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Paris und hat
kürzlich einen Laden für ihre CAGOULES (Kapuzenmützen) im Internet eröffnet. www.ateliercagoules.etsy.com
Im Werbebanner von Letizias Blog machetwas.blogspot.com stellen meine Enkelinnen Mena und Nora samt Puppe Mamas Arbeit vor. Von dort aus ist das Atelier Cagoules ebenfalls erreichbar. Ein Besuch lohnt sich.
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