In diesen Tagen erlebe ich Licht und Dunkel ganz bewusst. Manchmal
denke ich, die beiden Gegensätze sässen auf einer Kinderschaukel. Wenn
ein Element den Boden berührt, schnellt das andere in die Höhe.
Letzte Woche erlebte ich das Licht der tief stehenden Sonne als
Blendung. Ich konnte entgegenkommende Menschen in einer weiten Gasse nur
noch als dunkle Schemen wahrnehmen. Einzig ihren Haaren gelang es, das
Licht aufzufangen und abzubilden.
In einer Feier, während einer Lesung, löschte ein Kurzschluss das
Licht abrupt, das die Madonnenfigur beleuchtet hatte. Der Raum selber
wurde nicht tangiert. Mir fiel auf, wie die Skulptur sofort plastischer
erschien, weil sie nicht mehr total ausgeleuchtet war. Ich blieb immer
wieder an ihr hängen. Nicht nur wegen ihrer jetzt gut zur Geltung
gekommenen Schönheit. Der elektrische Zwischenfall erinnerte mich sofort
an die damalige Ausstellung im Zürcher Landesmuseum (November 2007,
„Maria Magdalena Mauritius – Umgang mit Heiligen“).
Es war eine eindrückliche Schau, die schon in den ersten 6 Wochen
10 000 Besucher zu sich lockte. In abgedunkelten Räumen, nur punktuell
angestrahlt, empfingen uns die Heiligenfiguren unserer Vorfahren
mehrheitlich auf schwarzem Samt. Viele von ihnen trugen Gold. Die
darunter liegenden Holzarbeiten wirkten auf mich als Schreinersfrau wie
wundervolle Stoffe. Die faltenreichen Kleider schienen zu rauschen. Die
diskrete und pietätvolle Beleuchtung belebte sie. Die Ausstelldung
führte durch einen gewundenen Gang, und irgendwann war sie scheinbar
beendet. Man trat in einen quadratischen, hell erleuchteten, leeren
Saal. Dieser war mit „Reformation“ überschrieben. An den Wänden war je
eine markante Aussage eines Reformators angebracht. Hier wurden keine
Figuren mehr geduldet. Hier, wo alles ausgeleuchtet war, war ausser den
Worten nichts zu sehen, was hätte anrühren und in Erinnerung bleiben
können. Mir war es eindeutig zu hell, exakt so, wie wenn mir das
Föhnlicht eine Migräne beschert.
Dieser Ort war aber nicht das Ende des Rundgangs. Es folgte noch
das ausgestellte Lager der nicht verwendeten Figuren. Von oben herab
sahen wir die in vielen Kisten deponierten Heiligen.
Später habe ich verschiedene Bekannte auf diesen scheinbar leeren
(geistigen?) Reformationsraum angesprochen. Und bin auf Unverständnis
gestossen. Man wusste gar nicht, wovon ich sprach.
Die Bahnhofstrasse von Zürich ist für mich persönlich auch zu grell
geworden. Die einzelnen Lichtdekorationen für die Vorweihnachtszeit
konkurrenzieren sich und zur grossen Lichtband-Installation, die heuer
zum letzten Mal eingerichtet worden ist, haben sie ebenfalls keinen
Bezug. Immer mehr Beleuchtung, scheint die Devise zu sein, obwohl wir
Strom sparen sollten.
Letztes Jahr besuchte ich um diese Zeit die Ausstellung über die polnische Weihnacht im Kindermuseum in Baden. Ich habe darüber berichtet. Diesmal war ich hieher gekommen, um mich auf das Brauchtum
der dänischen Weihnacht einzulassen. Letztes Jahr war ich bei
unwirtlichem Wetter unterwegs. Am Himmel hingen dunkle Wolken. Zudem war
es nicht einfach, das Museum zu finden. Als ich dort endlich angekommen
war, begann es zu schneien. Die Schneeflocken tanzten vor den Fenstern
der installierten Weihnachtsstube. Es war warm. Leise Weihnachtsmusik
sorgte für festliche Stimmung. Ich fühlte mich zum Fest geladen. Diesmal
war es ein heller Tag und wie oben berichtet, blendete mich das Licht.
In der Ausstellung war auch alles gut ausgeleuchtet. Kinder sprangen
herum und suchten nach Abbildungen, weil sie an einem Wettbewerb
teilnahmen. Musik wurde verdrängt. Obwohl mich das Brauchtum Dänemarks
begeistert hat, fühlte ich mich nicht als Gast in einer Weihnachtsstube.
Diesmal war ich eine aussen stehende Person, die sich am
Ausstellungsgut informierte.
Wenn Licht und Dunkelheit miteinander agieren, lösen sie oft einen
Zauber aus. Ihr Zusammenspiel macht uns Freude. Helle allein oder Dunkel
allein zu ertragen, das ist schwer. Aber schon das kleinste Licht auf
dunklem Hintergrund bewegt uns, kann Freude oder auch Hoffnung
hervorbringen.
Als ich an jenem Abend nach Hause kam, flackerte auf dem obersten
Treppenabsatz ein Teelicht in einem facettierten Glas und warf seinen
strahlenförmigen Schatten an die Wand. Der Windstoss, den ich beim
Eintreten mitbrachte, bewegte das schöne Bild.
Das machen wir im Dezember immer so: Wer zuerst heimkommt, zündet
ein Teelicht an. Und immer ist es eine Überraschung, die uns heiter
stimmt. Da sind wir zu Hause.
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