Jetzt gerade nachdem ich Wäsche aufgehängt habe, ist mir bewusst
geworden, dass ich wieder in der Gegenwart angekommen bin. Ich war ganz
bei der Sache, freute mich, wie sauber das Stück wieder war, das ich
gerade in Händen hielt. Zeitweise war ich stehen geblieben, habe mich
rückwärts gewandt und kurz darauf bin ich wieder vorausgeeilt, um
dringende Aufgaben zu erfüllen. Die Folge: Ich verlegte Papiere, die
Brille, die Schlüssel usw.
Der Grund: Celeste, die gelegentlich auch in Beiträgen im
Blog-Atelier auftauchte, ist gestorben. Eine Erkältung minderte ihren
Lebenswillen so stark, dass sie loslassen konnte. Als man ihr ein
Spitalbett versprach, in dem sie besser gepflegt werden könne, gab sie
auf. Ich freute mich über diese Art zu sterben. Sie war nicht allein.
Pflegefachfrauen hielten sie beim Umbetten und gleichzeitigem Sterben in
den Armen.
Ein Tod richtet sich nicht nach der Agenda der Betroffenen.
Rücksichtslos wurde von mir gefordert, neben anderen Arbeitssträngen
jetzt vor allem jenem für die Beerdigung zu folgen. Celeste hat mich
zeitlebens als ihre „Seggredärin“ (Sekretärin) vorgestellt und mir
rechtzeitig alle Vollmachten gegeben. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen,
ihre letzten Wünsche zu erfüllen.
Ich habe schon für verschiedene Mitmenschen diese letzten
Aufräumarbeiten übernommen und erfahre auch jetzt wieder, wie hilfreich
es ist, wenn lange vorher darüber gesprochen wird. Was ist noch wichtig?
Was soll gesagt und geschrieben werden? Wie soll das Leidmahl ausfallen
usw. Was geschieht mit wertvollen Möbeln oder Andenken? Diese Fragen
und die dazugehörigen Antworten sind enorm wichtig und erleichtern die
Arbeit.
Celeste wünschte, dass ihre Asche in einer Nische bestattet werde.
Der Verantwortliche vom Bestattungsdienst offerierte, selbst begeistert
vom Urnenhain, einen Platz in der neu angelegten Nischenwand im Friedhof
Sihlfeld. Ich dachte sofort an Kelten oder Römer, die solchen Orten
viel Bedeutung gaben. Ideal auch nach den Vorstellungen der Verstorbenen
und ideal für mich. Dieser Friedhof ist für mich gut erreichbar und er
ist als friedliche Stätte schön. Von seiner Architektur her ein Ort der
Geborgenheit.
Als wir den Tod im Bevölkerungsamt meldeten, wurden wir an allen
Stellen sehr freundlich, mitfühlend und auf eine Art liebevoll begrüsst.
Bevor wir an die Reihe kamen, trat eine Dame an den Schalter, die uns
schon im Lift aufgefallen war. Sie konnte kaum mehr atmen. Und ihre
Stimme versagte oft. Ein Tod, den sie betrifft, muss ihr arg zugesetzt
haben. Da können wir uns gut vorstellen, dass das Personal dieses Amtes
so geschult ist, dass es Mitgefühl signalisieren kann. Primo
setzte für unseren Fall aber gleich ein Zeichen. Er informierte, wir
würden einen Tod mitteilen, der als Erlöser gekommen sei. Wir seien
nicht traurig.
Als Celeste vor 10 Jahren ins Heim eintrat, nannte sie mir Namen
und Adressen von Verwandten und befreundeten Frauen. Ich listete sie
auf. Ein A-4-Blatt wurde zu ¾ gefüllt, wohlgemerkt, jede Adresse ohne
Leerschaltung an die nächste gerückt. Und jetzt, beim Tod, konnte ich
nur noch 3 Personen mit der Todesanzeige erreichen. Wer über 90 Jahre
alt wird, alleinstehend und kinderlos ist, wird zwangsläufig einsam.
Wo immer ihre Seele oder Persönlichkeit jetzt ist, wir wünschen ihr den Frieden. Letizia
sagte ein paar Tage später, Celeste habe sich nicht mehr gemeldet
(z. B. in einem Traum), und darum stelle sie sich vor, dass sie
fadengerade, aber über ihr geliebtes Tal von Poschiavo, in ihre neue
Heimat geflogen sei.
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