Die Schulanlage Chriesiweg (Chriesi ist der Dialektausdruck
für Kirschen) in CH-8048 Zürich habe ich immer nur flüchtig angeschaut,
obwohl sie zu meinem nächsten Umfeld gehört. Wohl bewunderte ich die
vielen, locker verstreuten alten Bäume, aber eine Beziehung zu diesem
Areal hatte sich noch nicht ergeben. Bis zum 4. Juli 2008. Da gehörte
ich plötzlich dazu.
An diesem Morgen wollte ich am Suteracher einkaufen. Ich stieg aufs
Velo, fuhr los und hielt gleich wieder an, sah sofort, dass hier
Feierlichkeiten anstehen. Ein roter Teppich war ausgelegt, viele Meter
lang und seitlich mit Steinen befestigt. Ich lehnte mein Rad an einen
Baumstamm und staunte wie ein Kind durch das hohe Gitter, das die
Schulanlage abschirmt. Entlang dem Teppich standen Musikerinnen mit
ihren Instrumenten, ein ganzes Orchester. Eine Frau filmte die
erwartungsvolle Stimmung. Ich solle doch hereinkommen, sagte sie unter
dem Eingangstor, dann könne ich alles mitverfolgen. Sie würden eine
Handarbeitslehrerin in die Pension verabschieden.
Ich folgte der Einladung gern, stellte mich hinter die grosse Schar
von Schülerinnen und Schülern aus der Unterstufe. Ich habe sie nicht
gezählt, vermute, dass es etwa 200 Kinder waren, die im Halbrund am
Boden sassen.
Eine freundliche Frau hiess mich willkommen und gab sich als die
Ehefrau eines Lehrers zu erkennen. Sie rapportierte mir alle
Einzelheiten. Man erwarte jetzt eine Pferdekutsche. Die Jubilarin und
eine sie begleitende Freundin seien in Albisrieden abgeholt worden und
würden in den nächsten Minuten hier eintreffen. Und so geschah es. Als
das Pferd sichtbar wurde, tönte es im Sprechchor: „Frau Müller, Frau Müller, Frau Müller!“ Für sie war ein Thron vorbereitet, und ein dazu passender Stuhl stand auch für ihre Begleiterin bereit.
Die Damen (alles Lehrpersonen), die das Orchester darstellten,
begaben sich dann unter die Eichen und suggerierten uns eine
Opernpartie, die ab Band gespielt wurde. Ein Lehrer mimte den Sänger,
ein zweiter den Dirigenten. Wenn der Sänger sentimentale Partien mit
emotionalen Gesten unterstrich, lachten die Kinder. Und am Schluss
riefen sie: „Zugabe, Zugabe, Zugabe!“
Frau Müller, eine grosse Opernfreundin, wurde mit einem
prächtigen Blumenstrauss geehrt. Der „Sänger“ überreichte ihr diesen mit
einem Autogramm ihres realen Lieblingssängers. An alles wurde gedacht.
Jedes kleinste Detail war getreu und liebenswürdig nachgezeichnet. Auch
ich als Aussenstehende spürte, dass Frau Müller eine aussergewöhnlich
beliebte und geschätzte Persönlichkeit sein muss.
In Altstetten bin ich schon mancher Freundlichkeit begegnet, doch
diese Feier im Chriesi-Schulareal ist wohl kaum mehr zu übertreffen.
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