Die Frühstücks-Lektüre von heute führte mich – schwupps – nach Paris.
Der „Tages-Anzeiger“ berichtete heute von den „Geteilten Gärten“, die in
der Seine-Stadt nun zum Kult geworden seien.
Brach liegende Parzellen werden nach diesem Bericht seit 2001 als Gärten
genutzt, sind Alternativen zu den bekannten Parkanlagen und beleben
Hinterhöfe und ungenutzte, noch nicht zubetonierte Grundstücke. Das
System scheint einfach: „Wer einen ‚Geteilten Garten’ will, muss ein
Stück Land finden und einen Verein gründen. Die Stadt liefert die Erde,
den Zaun und den Wasseranschluss“, heisst es in diesem Aufsatz vom
20.9.2006. Die Bezeichnung „geteilt“ verstehe ich dahin, dass nicht
einer allein einen solchen Garten erblühen lassen kann.
Das schöne Bild zur Reportage zeigt einen farbigen, wild romantischen
Gartenfleck, umgeben von typischen Pariser Wohnhäusern und am Rand ein
Baum, der alles Wachstum zu beschützen scheint. Sein gefiedertes
Blattwerk ist mir sofort aufgefallen. Entstammt er vielleicht einer
Akazienfamilie?
Dann wäre er mit der Seidenakazie, auch Schlafbaum genannt, verwandt.
Diesen habe ich im Juli im Gelände der grossen Klinik Bichat in Paris
entdeckt. Da standen eine ganze Reihe dieser Exoten und fächelten mir
einen milden Duft zu. Ich staunte, hatte noch nie so grosse und doch so
zart gebaute rosafarbene Blütenquasten gesehen. Ich fotografierte sie,
aber sie entzogen sich mir lange. Der leiseste Wind bewegte die extrem
feinen, seidenen Fäden unaufhörlich. Die Kamera konnte nur eine Art
Aquarell abbilden. Einmal, bei kurzer Windstille, gelang es dann doch,
dieses Blütenwunder festzuhalten. Die genaue Bezeichnung dieses Baums
konnte ich dann beim Botanischen Garten in Zürich erfragen. Es handelt
sich um die „Albizia julibrissin“, auch Seidenakazie genannt. Im
Internet sind viele Abbildungen von ihr zu finden. Es wurde auch
mitgeteilt, dass ein solcher Baum auf dem Gelände des Botanischen
Gartens Zürich stehe und in heissen Sommern auch bei uns blühe. Der Baum
stamme ursprünglich aus Asien.
Letzte Woche habe ich einige Exemplare auf dem Friedhof Küsnacht Dorf
entdeckt. Dort zieren diese schönen Fremdlinge das Gemeinschaftsgrab.
Das gefiederte Blattwerk ist Licht durchlässig, nimmt dem Ort die
Düsternis und Strenge. Und der Name Schlafbaum passt wohl ausgezeichnet
in einen Friedhof.
Auch in Paris werden jetzt aus den Blüten Bohnen gewachsen sein. Dort
stehen die Albizia-Julibrissin-Bäume neben der Maternité und begrüssen
die Neugeborenen, wenn sie aus der Klinik entlassen werden.
Diese Bäume haben mich damals als wartende Grossmutter angesprochen. Sie
kitzelten meine Nase, führten mich beim Fotografieren im Kreis herum.
Sie lachten vielleicht über mein Erstaunen. Auf jeden Fall werden sie
ewig mit der Geburt von Nora in Verbindung stehen. Und wer weiss,
vielleicht wollten sie mir orakeln, dass das Neugeborene ein heiterer
Mensch werde, so beweglich wie ihr filigranes Blattwerk und so
feinfühlig und stark wie die Seidenfäden der Quaste.
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