Das kurze Gewitter war nur eine sanfte Abkühlung, mehr nicht. Aber es
flossen nachher den Randsteinen entlang kleine Bäche. Hoppla! Menas
rechte Sandale war gerade untergetaucht. Selbstverständlich musste die
linke folgen. Ein fragender Blick zu mir. Keine Rüge. Jetzt ging es erst
recht los. Jede neue Möglichkeit, mit beiden Schuhen ins Nasse zu
treten, wurde von dem kleinen Mädchen ausgeschöpft. Der Kräuterpfarrer Sebastian Kneipp wäre sicher mit uns einig gewesen, dass diese Abkühlung an den Füssen genau die richtige war.
Auf dem Schulweg via den Boulevard de Clichy gibt es für ein Kind
allerhand zu erleben. Da sind die Tauben, die nach Brosamen suchen und
auffliegen, wenn Mena ihnen nachrennt. Es sind die Mäuerchen, welche die
Rabatten mit den Büschen abgrenzen, die erstiegen und seiltänzerisch
begangen werden müssen. Und dann an der Place Blanche die Abluft, die
aus der Metro aufsteigt. Da will Mena jedes Mal aufs Gitter klettern und
dort oben ihre Runden drehen. Der Luftstrom von unten wirbelt dann ihre
Locken frech umher.
Mena ist ein Wirbelwind, fängt alle Reize dieses Wegs auf. Ihr Interesse
gilt auch den grossen Autocars und deren Beschriftungen. Grosy (die
Grossmutter) sollte dies auch sofort sehen und kommentieren können. Das
gelingt nicht immer.
Wir müssen jeweils mehrere Strassen überqueren. Dazu ist mir ein
Takt-Vers eingefallen. Sobald Grün aufleuchtet, gehen wir los und sagen „Eis, zwei, drü vier, jetzt chömed mier“ (Eins, zwei, drei, vier, jetzt kommen wir). Auf diese Weise gelangen wir gradlinig und vor allem zügig ans andere Ufer.
Klar, so kann der Schulweg im Alltag nicht jeden Morgen ausufern. Es ist
das Vorrecht der Grosseltern, dass sie mehr Zeit und mehr Flexibilität
haben und manches zulassen können, was jungen Eltern verwehrt ist. Auch
sie müssen einen Stundenplan erfüllen, müssen oder wollen arbeiten. Ihre
Zeit ist beschränkt. Ich bewundere sie, wie sie das schaffen. Der
Stress ist zwar ihr Motor, doch bemerke ich bei der Übergabe der Kinder
im Sommerhort grosse Behutsamkeit.
Das Leben von Vätern und Müttern ist ein anderes geworden. Die Familien
von heute stellen grössere Ansprüche an die Gesellschaft, erwarten
Unterstützung von ihr. Das stellen vor allem Grosseltern fest.
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