Ich bin an den Zürichsee gelaufen und habe das Meer gefunden. Wasser
und Himmel vereint. Kein Alpenkranz in Sicht. Rechtes und linkes Seeufer
im Dunst versteckt. Nur die Albiskette lässt sich erahnen.
Scheinbar unspektakulär, zieht diese verschlafene Situation wenig
Spaziergänger an. Mir aber gefällt sie. Ich weiss, dass es ein Dahinter
gibt, habe es öfters schon gesehen. Jetzt schaue ich das an, was der
heutige Tag mir zeigt. Die Weite, das Unendliche, das diffuse Blau. Auch
die Sonne ist anwesend und am Lichtspiel beteiligt. Ganymed
ist ebenfalls da, noch nicht abgeflogen. Aber von der Sehnsucht, in den
Olymp zu gelangen, redet seine Geste seit Jahrzehnten. (Die von Hermann
Hubacher gestaltete Skulptur steht im kleinen Park bei der
VBZ-Haltestelle Bürkliplatz.)
Ich fühle mich weit weg von meinem Alltag, obwohl ich noch keine
Stunde unterwegs bin. Auf dem Rückweg treffe ich auf der Bahnhofstrasse
unverhofft Karin, eine Mitschülerin aus dem Seminar für Freiwillige, das
wir im letzten Sommer abgeschlossen haben. Wir entschliessen uns
spontan, die Gunst der Stunde zu nutzen. Bei Strudel und Vanillesauce
setzen wir uns zusammen und berichten von persönlichen Erlebnissen,
seitdem wir uns adieu gesagt haben.
Karin schildert mir das Sterben ihrer Schwester, und wie sie diese
noch begleiten durfte. Ich spüre, wie ihr die Trennung zu schaffen macht
und sie mit dem Abschied ringt.
In solchen Situationen sprechen in mir die Sinnbilder. Zum Beispiel
eben am See geschaute. Wir ahnen oder wissen, dass es ein Dahinter gibt,
auch wenn wir es jetzt gerade nicht sehen können. Ganymed hat Recht, wenn er uns auf unseren Abflug in eine andere Dimension einstimmt.
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