Diese Haarfarbe gehöre zu den Hexen, meint der Volksmund. Man
misstraute den Rothaarigen, fürchtete ihr aufbrausendes Naturell und
vermutlich ihre Eigenständigkeit. Noch bevor sich die Frauenemanzipation
durchsetzen konnte, machten temperamentvolle Frauen Angst. Als ich dann
selbst ein Kind mit tizianblondem Haar (eine etwas mildere Farbe als
das aggressive Rot) bekam, bemerkte ich, dass vor allem die Männer
darauf reagierten. Das Kind wurde speziell beachtet. Fremde Männer
sprachen mich begeistert darauf an.
Darüber sinnierte ich dieser Tage, als ich am Waldrand im Dunkelhölzli
die rotgolden gewordenen Lärchen grüsste. Sie erschienen mir wie das
erwähnte rote Haar. Auch hier oben sind sie die Ausnahmen. Ihre Gruppe
ist klein. Umgeben von dunklen Tannen und Laubbäumen ohne Laub, kommt
ihr inneres Licht wie brennende Fackeln zur Geltung.
Erst seitdem ich in Zürich-Altstetten lebe, bin ich den Lärchen
näher gekommen. Bis heute bewunderte ich die Herbstfarben grosser
Lärchenwälder hauptsächlich auf Fotos. Da, wo ich wohne, markiert eine
einsame, hohe Lärche meinen Heimweg. Wie eine Wanderwegtafel steht sie
exakt an der Abbiegung, die mich zu unserem Wohnhaus leitet. Damals, als
wir hier einzogen, bestand in ihrer Nachbarschaft eine Baustelle.
Spundwände leiteten das Grundwasser um. Der Baum litt. Es dürstete ihn.
Er verlor seine aufrechte Haltung. Erst nachdem die Umbauarbeiten
abgeschlossen waren, konnte er sich wieder aufrichten. Es dauerte mehr
als ein Jahr, bis er wieder zu seiner selbstbewussten Haltung
zurückgefunden hatte. Zur Zeit unseres Umzuges lagen dürre Äste mit
kugeligen Zapfen um seinen Stamm. Ich hob sie auf. Sie dekorierten als
erste unsere Stube.
Nachdem ich vom erwähnten Spaziergang ins Dunkelhölzli wieder nach
Hause gekommen war, wusste ich nicht einmal, ob „meine“ Lärche auch in
Flammen stehe. Sie ist so hoch gewachsen, dass wir sie nur von weitem
ganz wahrnehmen können. Ich ging nochmals hinaus, schaute nach ihr aus.
Ja, auch ihre Nadeln hatten sich verfärbt. Da sie aber vor einer
Hauswand steht, fehlt ihr der dunkle Hintergrund, um ihre rötliche
Ausstrahlung sichtbar zu machen. Es kommt also darauf an, wo Rot oder
Rötliches auftrifft. Und um welches Rot es sich handelt.
Um zu den eingangs erwähnten Frauen zurückzukehren, erscheint die
künstlich gefärbte Haarfarbe dominanter als sie in der Natur auftritt.
Wie überall, wo Menschen der Natur noch etwas zufügen oder sie
verbessern wollen, zerstören sie das Zarteste und Feinste an ihr.
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