Der „Rosengarten“, ein altes Gasthaus an der Kalkbreite in Zürich,
ist auferstanden. 150 Jahre lang war es ein wichtiger Quartiertreffpunkt
und die Beiz der Trämler. Nebenan befindet sich das alte
Kalkbreite-Tramdepot. Dieses baufällig gewordene und verlassene
Restaurant wäre abgebrochen worden, hätte sich nicht der Heimatschutz
eingeschaltet und „eines der ältesten Beispiele für die Urbanisierung
Zürichs“ gerettet.
Kürzlich fuhr ich dort mit dem Velo vorbei und sah dieses alte Haus
mit seinen gemütlichen Proportionen in neuem Glanz. Es strahlte. Es
erschien mir jetzt grösser. Ich freute mich. Ein paar Tage danach war
ich wieder in seiner Nähe und erschrak. Über Nacht hatten schon wieder
Sprayer ihre seltsamen und in meinen Augen widerlichen Signaturen
angebracht. Eine Schande! Ich liess mir von jungen Leuten sagen, das
seien Markierungen der Selbstdarstellung: Ich bin da gewesen.
Da frage ich mich dann schon, wie sie reagierten, wenn ich zum
Beispiel in ihren persönlichen Wohnraum eindringen und ihre Wände und
Decken mit Malereien meines Schönheitsempfindens verschmieren würde.
Fotos in den Tageszeitungen zeigen mir heute, dass die betroffene
Fassade noch rechtzeitig vor der Einweihung gereinigt und vielleicht
nochmals übertüncht werden konnte. Wer bezahlt das eigentlich?
„Ich bin da gewesen.“ Dieser Satz liess in mir sofort ein uraltes
Erlebnis aufsteigen, das unsere Töchter bestätigen können. Mit ihnen
befand ich mich in der Bahnhofhalle des Zürcher Hauptbahnhofs zur Zeit,
als diese renoviert wurde. Bauabschrankungen aus Spanplattenmaterial
grenzten die Baustelle ab. Auch sie waren beschrieben oder verschmiert,
aber nicht im heutigen Sinn versprayt. Dort, wo sich früher die
„Chüechliwirtschaft“ befunden hatte, warteten wir auf Primo. Es stand eine Ausstellungseröffnung seiner Arbeiten an. Wir wollten gemeinsam ins Zürcher Oberland reisen.
Wir warteten und warteten. Zu dritt im Gespräch, fiel mein Blick
schräg auf die Holzwand. Eine unscheinbare Bleistiftnotiz zog mich an.
Eine Schrift ähnlich jener von Primo. Ich las: „Ich bin da gewesen, habe
etwas vergessen. Reise eine Stunde später nach.“ Eine Botschaft für uns
drei. Obwohl nicht unterschrieben, wussten wir augenblicklich, dass sie
uns galt.
Wie unterschiedlich doch eine gleichlautende Botschaft motiviert
sein kann. Da der Platzhirsch, der sich ein Denkmal setzt. Und dort
einer, noch nicht im Handy-Zeitalter angekommen, der versucht, eine
Verspätung mitzuteilen.
Aber beide haben öffentliche Wände benützt.