Plötzlich erinnere ich mich wieder an die dicke, rote Kerze, die
wir am ersten gemeinsamen Weihnachtsfest in unserer Stube vor eine
kleine Tanne stellten. Der Baum wurde nicht geschmückt. Sein frisches
Grün genügte uns. Wir wollten uns von den gängigen Dekorationen
verabschieden und begannen bei Null. Ich erinnere mich an Freunde, die
uns wundershalber besuchten, weil sie wissen wollten, ob wir die
Christbaumtradition weiterführten. „Abstrakt!“ hiess es.
Ähnlich erging es der Weihnachts- und Neujahrskarte. Auch sie wurde
auf das Wesentliche reduziert. Unsere Botschaft zum neuen Jahr hiess
damals Jeder Tag ist Anfang. Und wir füllten 2/3 der Karte mit dem aneinandergereihten Wort Anfang Anfang Anfang. Auch sie blieb nüchtern, wurde aber wohlwollend aufgenommen.
Nach und nach trug der Baum Äpfel, Strohsterne und viele Kerzen aus
Bienenwachs. Bald auch Kugeln. Ich hatte plötzlich Heimweh nach den
silbernen Halbkugeln mit der nach innen gestülpten Form. Schon als Kind
bezauberten mich ihre Spiegelungen. Und wenn Verwandte vom italienischen
Charme jener Christbäume schwärmten, die Primos Vater früher dekoriert
hatte, trugen wir von solchen Einflüssen auch etwas weiter. Irgendwann
gab es als Aussenseiter sogar einen hölzernen Baum und Steine als
Krippenfiguren. Aber nie zweimal dasselbe.
Nun nach einem halben Jahrhundert haben sich die Variationen
verdichtet. Und das trifft auch auf die Glückwunschkarte zu. Die
diesjährige lässt Wortklänge zu Weihnachten aufleben. Anfänge alter
Lieder können Erinnerungen anrühren. Was wir vor 50 Jahren zur Seite
schoben, heissen wir heute willkommen. Der Kreis schliesst sich.
Ähnlich ergeht es dem weihnächtlichen Singspiel Zäller Wienacht, das zum 100. Geburtstag des Schweizer Komponisten Paul Burkhard
wieder aufgeführt wird. Wir erlebten es am vergangenen Samstag in der
Erlöserkirche in Zürich in seiner Originalfassung. 65 Kinder haben
mitgewirkt. Dieses Krippenspiel wurde 1961 uraufgeführt und während
Jahren in vielen Schulen und Kirchen gespielt. Die kindergerechten
Lieder mit ihren zürichdeutschen Texten öffneten einen neuen Zugang zur
Weihnachtsgeschichte. Und sie berühren Jung und Alt auch heute noch.
Die jungen Eltern, die als Kinder unter den ersten waren, die die Zäller Wienacht
erlebten, freuen sich heute, dass ihren Kindern dieses Spiel auch
wieder vermittelt wird. Es gab grossen Applaus, vielleicht gerade
deshalb. Es war keine geschliffene Aufführung. Einige Kinder sprachen
nur scheu und leise. Die Figuren um König Herodes aber hatten ihren
besonderen Spass. Stolz verkündeten sie „Ich bin ein Gauner. Ich bin ein Räuber. Ich bin ein Gaukler“ usw. Die Kinder brachten sich ein, wie sie sind und zeigten uns ihre Persönlichkeiten.
Keine leichte Aufgabe, so viele Schülerinnen und Schüler und auch solche im Kindergartenalter, anzuleiten und zusammenzuhalten. Annette Wiesner ist das gelungen.
Eine erfrischte Version der Zäller Wienacht wird jetzt auch am
Zürcher Schauspielhaus aufgeführt. Es sind Laienschauspieler, ältere
Damen und Herren, die als Kinder ebenfalls in diesem Oratorium
mitgesungen und jetzt eine neue Fassung erarbeitet haben.
Am 17. und 18. Dezember 2011 wird die Zäller Wienacht auch im Zürcher Grossmünster aufgeführt.
Dort singen dann der Altstadt-Kinderchor, Chöre der Musikschule Konservatorium Zürich und Collegium Musicum Grossmünster.
Zäller Wienacht überall!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen