Primo schenkte sie mir vor 3 Jahrzehnten. Als Kubus
hergestellt, war sie für eine vorhandene Glaskugel bestimmt. Mit
Messingscharnieren auseinanderziehbar. Ein Verleimer. So nennt er seine
Objekte, die er aus verschiedensten Hölzern gestaltet. Ein Werk aus
seinen Händen, geprägt von seinem Schönheitssinn und mit Materialien
erschaffen, die vermutlich andernorts als Abfall weggeworfen worden
wären. Stücke auch mit ausgebrochenen Ästen, verwurmt, zerrissen.
Ich notierte damals ins Tagebuch: Bevor ich wusste, dass dieses
Gefäss unsere wertvolle Glaskugel, die wir Wahrsagerkugel nennen,
beherbergen soll, betrachtete ich dieses Werk als ein Stück
Lebensgeschichte von uns beiden. Geschaffen mit markanten Hölzern, hell
und dunkel, unauffällig und ebenso auch ausgefallen. Mit bekannten
Hölzern aus unseren Breitengraden. Und mit dem Exoten Rio-Palisander
ergänzt.
Als ich davon sprach, lachte er und sagte: Und dä Wurm isch au dinä. (Und der Holzwurm sei auch dabei.)
Er verunsicherte mich aber nicht. Ich sah in dieser Gestaltung ein
getreues Abbild vom Leben. Von Ordnungen, Zusammenspiel und Darstellung
dessen, was uns mit andern verbindet oder trennt. Auch von Wachstum,
Stärke, Schönheit und ebenso von Zerfall.
Da Primo keine Scheu hatte, verwurmtes Holz zu verwenden, hatte ich
in jenem Augenblick auch keine Scheu, dazu zu stehen, dass in unserem
Leben auch verwurmte oder angefressene Elemente auszumachen seien.
Zusammenfassend schrieb ich, alles zusammen sei schön. Und heute denke
ich dazu, besonders die angefressenen Teile würden das Objekt
interessant machen.
Jetzt, nach 31 Jahren, als ich diese kostbare Arbeit wieder einmal
bewusst in die Hände nahm, staunten wir, wie gut erhalten sie ist. Die
Löcher gehörten schon damals dazu. Primo hatte sie im Deckel und auf
Seitenteilen so eingesetzt, dass sie als Augen oder Fenster wahrgenommen
werden können.
Fingerdicke Holzwürmer hatten in einer Art Tunnelbau einen Kanal
geschaffen, der sie schlussendlich ins Licht führte. Sie frassen solange
vom Holz, bis sie aus ihm herausfanden. Zurückgekommen sind sie nicht
mehr. Ihre Behausung ist leer. Seit Jahrzehnten schon. Sie kamen auch
nicht auf die Reise in die Schweiz mit.
Die Löcher in diesem kleinen Stück Riopalisander sollten
zeigen, wie dick die südamerikanischen Holzwürmer sind. Eine Kundin
brachte das Holz aus Brasilien in unsere Werkstatt. Selber als
Künstlerin tätig, sah sie sofort die aussergewöhnlich schönen Formen der
Löcher. Wie vorausgesehen, inspirierten diese dann den Schreiner, und
das erwähnte Objekt entstand. Das beinahe schwarze, harte Holz hat sich
bis heute nicht verändert. Und wie schon gesagt, die Holzwürmer sind ihm
nicht in die Schweiz gefolgt.
Was auch auffällt: Die verschiedenen Holzarten, an verschiedenen
Orten und unter verschiedensten Einflüssen aufgewachsen, fühlen sich
mehrheitlich wohl in diesem Werk. Es sind nur wenige Haarrisse
auszumachen, die auf erlebte Spannungen hinweisen.
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