Als ich heute die wöchentliche Wäsche vorbereitete, sprach mich der
Text auf einem Handtuch wieder einmal an. Es ist schon 48 Jahre alt und
dient uns immer noch. Es wäre übertrieben, wenn ich behauptete, dass
wir beim Gebrauch jedes Mal an Ruth und Werner denken, die es uns zur
Verlobung schenkten. Von Zeit zu Zeit aber erinnert es uns an gemeinsame
Erlebnisse in der Jugend.
Das halbleinene Tuch mit seitlich roten Streifen trägt einen für
uns aufgedruckten Text, ein Glückwunsch zur Verlobung. Zusätzlich eine
Art Garantie für „saubere Hände, ein Leben lang“, sofern wir uns darum bemühten.
Stoff und aufgedruckte Worte blieben intakt. Das Handtuch ist nicht
fadenscheinig geworden. Worte und Wünsche und das tragende Gewebe waren
von guter Qualität.
Ein weiteres Tuch, das ich seit einem Jahr jedem 90-Grad-Wäschesud
beigebe, ist das Gläsertuch aus dem bekannten „Hotel Central Zürich“.
Ein Fund aus dem Holzlager der Schreinerei an der Müllerstrasse. Beim
Räumen für den Hausabbruch kam es hinter einer Abtrennwand zum
Vorschein. Verschmutzt, verklebt, mehr grau-braun als weiss. Keine
Ahnung, wie es in diesen etwa 100-jährigen Raum gekommen ist. Primo liebt solche Reliquien, warf sie nicht zum Abfall. Ich solle das Tuch waschen, könne es vielleicht noch gebrauchen.
Den weissen, textilen Grundton haben die vielen Waschgänge wieder
hervorholen können, nicht aber die Beschädigungen durch Leim, Beize und
Farbe. Auch die Rostflecken bleiben hartnäckig im Tuch. Es wurde
wahrscheinlich nicht lange als Gläsertuch verwendet, denn der Stoff war
beim Auffinden noch zähe und die Appretur nicht voll ausgewaschen. Heute
ist er weicher. Das Blau der eingewobenen Bordüre mit dem Schriftzug
des Hotels und der Bestimmung „Gläser“, ebenso die quadratischen
Grundmusterlinien, wirken jetzt frisch. Aber als Küchentuch setze ich es
nicht mehr ein. Obwohl ich weiss, dass es mit vielen Wassern gewaschen
ist, bleibt es doch fleckig und unappetitlich. Der Anblick, wie er sich
heute zeigt, wird kaum noch zu verändern sein. Es gibt eine Grenze. Der
Stoff lässt sich nicht alles gefallen. Wenn ich zu lange scheuere,
verschwinden nicht nur die Flecken, sondern auch die dazugehörigen
Gewebepartien.
Also akzeptiere ich den Stand der Renovation. Das Tuch und ich, wir
haben jetzt eine gemeinsame Geschichte. Ich werde es irgendwo wieder
einsetzen. Ich habe auch schon daran gedacht, es in einem Rahmen als
Bild aufzuhängen.
Dort könnte es von den Verschmutzungen reden, die unser modernes
Leben produziert und aufzeigen, wie Verletzungen und Vernachlässigungen
Spuren hinterlassen, die weder ausgelöscht noch vertuscht werden können.
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