Am Freitag, 18.12.2009, habe ich mich spontan aufgemacht, die
Weihnacht in der Vorweihnacht zu suchen. Wo ich sie finden könnte, war
mir von Anfang an unklar. Meine Reiseroute: Mit dem Velo zum Bahnhof
Altstetten, mit der S-Bahn nach Zürich-Hauptbahnhof, zu Fuss durch die
Bahnhofstrasse, immer aufmerksam auf Ungewöhnliches oder Berührendes.
Nichts da. Alles wie gewohnt. Etwas hektischer vielleicht. Mehr
Menschen unterwegs. Am meisten fielen mir die grossen Tragtaschen vom
Spielwarengeschäft Franz Carl Weber auf, die von Müttern und
Grossmüttern heimgetragen wurden.
Ich selbst schien nichts zu begehren. Nichts zog mich in einen
Bann. Es fehlten mir in den Schaufenstern echte Bezüge zum
Weihnachtsfest, nicht geschäftstüchtige. Wir seien eben abgeklärt,
kommentierte Primo am Abend meine Erfahrung. Immerhin hatte mich in der Buchhandlung Orell Füssli Olga Kaminers Buch „Weihnachten auf Russisch“
angesprochen. Ein guter Fund, wie es sich später herausstellte. Schon
allein das Vorwort, das Weihnachten auf Russisch seit dem 10.
Jahrhundert beschreibt, begeistert mich. Eine Geschichte mit
mannigfaltigen Einflüssen. Mit und ohne Religion. Spannend. Als ich auf
meiner Stadtwanderung weiterging, hatte ich es aber noch nicht gelesen
und hoffte nur, dass es mich weihnächtlich anrühren werde.
Als ich die Limmat überquerte, vermisste ich die Sicht auf die
Alpen. Heute keine Vorstellung, schien der Himmel zu sagen. Ich tauchte
in die rechtsufrige Altstadt ein. Im Umfeld des Neumarkts halte ich mich
immer gerne auf. Und hier wird die Gasse in der Weihnachtszeit
besonders schön und mild beleuchtet. Ich war aber zu früh. Ich ging
durch die Froschaugasse, bog in die Spitalgasse ein. Einen Augenblick
später nur, kam Lisbeth R., die liebenswürdige Altstadt-Ikone,
daher. Fadengerade kamen wir aufeinander zu. Ich kenne sie von der
Freiwilligenarbeit. Sie ist ein liebenswürdiges Original und trägt immer
sehr farbige und unkonventionelle Hüte.
Als sie hörte, dass ich einen Hauch Weihnacht erhaschen möchte,
wollte sie mich in die Predigerkirche schicken. Dort findet noch bis zum
10. Januar 2010 die Ausstellung „Weihnachtskrippen aus aller Welt“
statt. Dieser Besuch ist aber für einen der Weihnachtstage vorgesehen.
Ich wollte unser privates Programm nicht unterlaufen. Also, dann solle
ich mit ihr nach Hause kommen. Da werde ich die Weihnacht finden.
Lisbeth wohnt in einem geschichtsträchtigen Altstadthaus mit
grossen Zimmern, wertvollen Parkettböden, massiven Nussbaumtüren und
einem prächtigen Erker mit Blick auf die Froschaugasse hinaus. Ich
durfte alle Räume sehen, ihre Einrichtung bewundern. Sie ist genau so
originell, wie die Frau selbst. Jedes Möbel mit Geschichte, alle Bilder
mit Bezügen zu Menschen. Und Fotos aus jener Zeit, als sie
schauspielerte.
Wir tranken Tee. Lisbeth holte ein wächsernes Christkind in einem
mehr als hundertjährigen Kripplein hervor. Das war die Weihnacht, die
sie mir versprochen hatte. Aber auch der Blick in die inzwischen
festlich beleuchtete Gasse hinaus gehörte dazu. Ich stand im Erker,
schaute hinaus. Sie überreichte mir ein modernes Kaleidoskop, das mir
den Blick hinunter vervielfachte, die Gasse zum weiten Platz werden
liess. Dann wurde ich noch angewiesen, mit den Augen zu blinzeln und
sofort bewegten sich die Lichter, wie wenn es Kerzen wären.
Jetzt bin ich richtig beschwingt, um in meinem Umfeld auch noch für weihnächtliche Stimmung zu sorgen.
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