Auf dem Weg, der von Zürich-Altstetten auf den Üetliberg führt, haben wir ein so genanntes „Waldsofa“ entdeckt. Primo
erspähte es durch das Baumgefieder. Ein ansehnliches Rund, aus
Baumästen zusammengefügt, ähnlich einem Vogelnest, aber auf die Grösse
von Menschen zugeschnitten. Eine auf den Waldboden gesetzte Umfriedung.
Ein Sofa im herkömmlichen Sinn ist es nicht, wohl aber ein geschützter
Ort, um sich wohlzufühlen, zum Träumen, Lauschen, Beobachten.
Wir näherten uns langsam, still und etwas ehrfürchtig. Wir schauten uns um, waren alleine da.
Links vom Torbogen, der ins Innere und zu einer Feuerstelle führt,
lasen wir die Erklärung zu diesem „Waldsofa“. Es sei der gemeinsame
Platz von Kindern aus dem Kindergarten Hohlstrasse 437 und Kappeli 1 aus
dem Schulkreis Letzi in Zürich. Sie kämen jede Woche einen Tag lang in
diesen Wald. Auch wir dürften diesen Raum benützen. Es seien aber Regeln
einzuhalten: Keinen Abfall hinterlassen, nichts kaputt machen, kein
Holz aus dem kunstvoll geflochtenen Rund herausziehen, um Feuer zu
machen. Voraussetzung sei auch, dass die Feuerstelle sauber hinterlassen
werde. Und: Die Kiste dürfe nicht mehr aufgebrochen werden.
Ausserhalb dieses Baus waren einige aneinander gereihte, kleine
Felder zu entdecken, in deren hölzernen Umrandungen Blätter, Gras,
Steine, Tannzapfen usw. ausgelegt worden sind. Wie Felder in der
Landwirtschaft. Alles mit Liebe und Sorgfalt gestaltet und auf Masse der
Kinder zugeschnitten.
An Bäumen aus der nahen Umgebung wurden eine aufgehängte Flöte und
ebenso Föhrenzapfen bemerkt. Vielleicht entdecken Wespen diesen Ort und
nisten sich da ein. Eine Vermutung von Primo. Ebenso flattern farbige
Wimpel im Wind und spiegeln die Freude der Kinder. So stelle ich mir das
vor.
Auch für mich war der Wald im Vorschulalter ein Ort der
Geborgenheit und auch der Geheimnisse. Die Beerensuche mit der
Grosstante Rosa ein Abenteuer für sich. Ich kann mich gut an
Licht und Dunkel und ihr gemeinsames Spiel erinnern. Viele Geschichten,
die ich später hörte oder las, wurden durch die damaligen Eindrücke
lebendig, farbig und auf ihre Art realistisch. Und solche sind besonders
für die Stadtkinder wichtig. Ich freue mich für sie.
Die Natur zu entdecken, ist ein endloser Prozess. Ich denke
manchmal, dass ein Menschenleben gar nicht ausreicht, alle
Lebens-Zusammenhänge zu begreifen. Ein Glück, dass uns Fachleute und
Museen behilflich sind. Und ein Glück für die Kinder, wenn ihnen Eltern
oder Lehrpersonen die Ehrfurcht vor dem Leben wecken.
Gegenwärtig sind es die schwarzen, gefiederten Freunde in meiner
Umgebung, die ich besser kennen lernen will. Im Blog vom 09.06.2008
erwähnte ich, dass ich gerne wüsste, ob es Raben oder Krähen seien, die
das Lebensumfeld mit uns teilen. Die Ausstellung im Naturmuseum
Solothurn, die noch bis zum 5. Oktober 2008 zu besichtigen ist, hat mir
die Antwort zweifelsfrei geben können. Es sind Rabenkrähen (corvus
corone).
Die Masse der Rabenkrähe unterscheiden sich stark von jenen der
viel grösseren Kolkraben. Rabenkrähen verfügen über eine
Flügelspannweite von ca. 76 cm und ihre Länge Schnabel-Schwanz beträgt
47 cm. Ihnen im Museum gegenüber zu stehen, beeindruckte mich stark. Nun
habe ich diesen Vogel verinnerlichen können. Er ist mein Nachbar. Wenn
ich am Fenster stehe und unsere Leintücher ausschüttle, fliegt keiner
von ihnen auf. Sie werden mich schon kennen. Raben seien gute
Beobachter, intelligent und wüssten sich immer wieder neuen Situationen
anzupassen, hört man.
In der Revue SCHWEIZ, wo ich den Hinweis auf die Ausstellung
in Solothurn gefunden habe, werden die Raben als schlaue Biester mit
schlechtem Ruf bezeichnet. „Als kluger Vogel bewundert, als Galgenvogel verschrien, als Göttervogel verehrt und als Schädling verfolgt.“
Die Ausstellung ist klein, vielfältig und fein. Sie lädt zum
Verweilen ein. Auch die Verwandten der Rabenkrähen sind da zu bewundern
(Elstern, Eichelhäher, Tannenhäher, Dohlen). Und hier ist es möglich,
die seltene Alpenkrähe mit dem roten und die Alpendohle mit dem gelben
Schnabel von einander zu unterscheiden. Die ganze Krähengesellschaft ist
versammelt und ihre Rufe und Schreie ab Band zu hören.
Ich habe wieder einmal erlebt, wie ergiebig ein Ausstellungsbesuch
ist, wenn konkrete Fragen auf Antworten warten. Und wie das Verständnis
wachsen kann, wenn wir uns in ein Thema einlassen. Es wird in der
Ausstellung auch auf die Gründe für die Konflikte mit diesen Vögeln
hingewiesen. Die vom Zürcher Tierschutz herausgegebene Broschüre „Krähenvolk. Eine Lanze für Verfemte“ weist schon im Titel darauf hin, dass ein Umdenken von uns Menschen nötig ist.
Die Ausstellung im Naturmuseum in Solothurn ist bis 5. Oktober 2008 zu sehen.
Öffnungszeiten Dienstag bis Samstag 14‒17 Uhr, Sonntag 10‒17 Uhr.
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