Eine Bekannte bemerkte, ich hätte mich offensichtlich schon gut
umgestellt und eingelebt. Diese beiden Worte gefallen mir. Besonders das
Wort „umgestellt“ bezeichnet meine Situation sehr präzis. Es beinhaltet
sowohl den Umzug als auch die Gestaltung eines neuen Zuhauses, und dazu
noch innere Umstellungen, die mein neues Umfeld bedingen.
Dazu gehören auch neue Geräusche und Klänge, die mir anfänglich
ganz stark aufgefallen sind. Da war zum Beispiel das Morgenläuten der
kleinen evangelischen Kirche am Suteracher ein Novum für mich. Punkt 7
Uhr läutet die kleine Glocke und manchmal Sekunden genau ertönen
Hammerschläge, die den Arbeitstag auf ihre Weise einläuten. Es wird ein
grosses Nachbarhaus renoviert. Noch ist es ausgehöhlt. Alle Geräusche,
die Stimmen und der Lärm von Hammer, Bohrer und Säge klingen wie aus
einem Instrument heraus und sind auf ihre Art Melodie. Ich weiss es
schon jetzt: Dieses Zusammenklingen von Befehlen und Arbeitslärm wird
mir fehlen, wenn das Haus umgebaut ist. Es sind keine
Maschinengeräusche, die ich wohlwollend wahrnehme. Hier sind starke
Männer am Werk. Ihren Stimmen und Namen nach Menschen aus dem Süden.
Manchmal zwinge ich mich jetzt richtig, den 7-Uhr-Augenblick
bewusst zu erleben, um ihn nicht zu verpassen. Ich bin schon daran
gewöhnt.
Eine andere Umstellung betrifft den Garten, der nun auf Souvenirs reduziert worden ist.
Nachdem uns die neue Wohnung zugesprochen worden war, bemühten wir
uns als erstes um Blumenkisten für den langen Balkon. Dann gruben wir
aus dem bisherigen Garten Pflanzen aus, ebenso etwas Erde und führten
diese an unseren neuen Wohnort. Ich erinnerte mich dabei an
Königstöchter aus früherer Zeit. Wenn sie in ein fremdes Land
verheiratet wurden, sollen sie unter dem Brautkleid ein Säcklein
Heimaterde mitgebracht haben.
In diesem Sinne pflanzten wir allerlei, unter anderem 2
Nachtkerzen, Farn, Akelei, roter Mohn, Maierisli (Maiglöckchen),
Löwenmaul, auch Schöllkraut. Dominant präsentiert sich heute die
Hexenblume, so der Name, den wir ihr vor langer Zeit verpasst haben. Sie
wanderte aus dem uns gegenüber liegenden Bernoulli-Garten ein und
breitete sich selbstbewusst aus. Wir kennen ihren Namen nicht, haben es
verpasst, danach zu fragen, als Herr Senn noch lebte. Oft habe ich
bemerkt, dass sich Blumen an ihrem selbst gefundenen Platz besser
entwickeln als an Orten, die wir Menschen ihnen zuweisen. Diese erwähnte
Hexenblume verbreitete sich rasch, aber nicht rücksichtslos. In
freundschaftlicher Art durfte das Schöllkraut die Abgrenzung zur Wiese
hin gestalten. Es entstand ein liebliches, natürliches Feld, zu dem auch
drei Büsche gehören. Blumenfeen habe ich noch nie gesehen, aber hier
konnte ich sie spüren. Ich habe meine Nachbewohnerin darauf aufmerksam
gemacht. Ich glaube, sie hat mich verstanden. Sie wird diesem Platz
Sorge tragen. Der Ort strahlt etwas Liebenswürdiges aus und strotzt vor
Lebensenergie.
Es schlummerten auch andere Samen in der mitgebrachten Erde, wie es
sich jetzt zeigt. Es blühen z. B. schon Monatserdbeeren, ein paar
Grashalme haben sich entwickelt und heute habe ich Weideröschen
entdeckt.
Alle diese Gewächse haben eine lebhafte Silhouette geschaffen, die
wir beim Eintritt in die Stube sofort wahrnehmen. Sie nehmen sich ihren
Platz und Raum und zeigen uns, dass sich das Lebendige nie um die gerade
Linie kümmert. Im Augenblick verzaubert uns die Akelei-Gruppe mit einem
85 cm hohen Anführer. Im Grunde sind unsere Blumenkisten eine ganz
bescheidene Anlage und doch auch eine sich ständig verändernde Pracht.
Innerhalb des Hauses habe ich mich in meinen Vorstellungen eine
Zeit lang ganz anders verhalten und mich von Publikationen verführen
lassen. In meinen Gedanken gestaltete ich Bad und Toilette farblich wie
nach einem gerade aktuellen Einrichtungskatalog. Ich meinte, jetzt wäre
es günstig, diesen Räumen eine einheitliche Farbe zu verpassen. Wie
langweilig! denke ich heute. Ich dachte schon daran, alle vorhandenen
Textilien zu ignorieren und neu eine bestimmte Farbe einzuführen. Da
hätte ich allerlei fortwerfen müssen. Und das wollte ich dann doch
nicht. Glücklicherweise, sage ich jetzt. Jedes Stück hat doch seine
Geschichte, ist im Laufe des Lebens zu uns gekommen und immer noch
nützlich. Und es hat Farbe in unser Leben gebracht. Farbe, die auch
immer wieder wechselt. Oft, wenn ich ein Hand- oder Badetuch benütze,
kommt mir die Geschichte dazu in den Sinn.
Daran freue ich mich noch. Aber mit Mass. Ich kenne jetzt die
Leichtigkeit nach dem Umzug. Diese möchte ich mir bewahren und nichts
mehr anhäufen.
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