Neuerdings dürfen kleinere Flächen Gräser und Wiesenblumen stehen
bleiben, wenn die Hausverwalter der Wohnsiedlungen das Gras mähen
müssen. Je nach Umfeld sind es kleine oder grössere Vierecke, die uns
ansprechen. Eine feine Art der Grünflächengestaltung. Sie lockern die
Ordnungsstrenge auf. Mich erinnern diese Flächen an die Kindheit auf dem
Land, wenn ganze Felder so dastanden und sich vom Wind bewegen liessen.
Bei uns vor dem Haus wurde einer Gruppe von 7 Margeriten das Leben
verlängert. Anfänglich standen sie da, wie man es von diesen Blumen
gewohnt ist. Aufrecht und locker neben- oder hintereinander. Ich
beobachte sie nun seit Ende Mai und erlebe, dass sie sich vermehren. Es
sind 6 Kinder dazugekommen. Diese Kleinen sind der Erde noch näher. Und
die Grossen wurden von Wind und Unwetter und vielleicht von mir nicht
erkennbaren Strömungen etwas heruntergedrückt, so dass jetzt alle
zusammen einen Kreis bilden. Wenn ein leiser Wind weht, tanzen sie einen
Reigen. Vorhin gerade zum nachmittäglichen Glockengeläute aus dem Tal.
Sie haben ihre Form oder Aufgabe gefunden, scheinen zufrieden, dass sie
noch nicht geschnitten worden sind.

Da denke ich gleich an einen grossen Freund von ihnen. An den
Blumenmärchen-Maler Ernst Kreidolf (1863‒1956). Seine Geschichten
entstammen dieser Welt. Ich freue mich, dass die Schweizer Post 2
Briefmarken à je 1 CHF zu seinem 150. Geburtstag herausgegeben hat. Seit
März 2013 sind diese im Umlauf. Die eine trägt den Titel Bei den Stiefmütterchen, die andere Herbstzug.
Eine weitere Geschichte liefern die Schnecken. Diese hatten die spät blühenden Pfingstrosen beim Hauseingang überfallen.
Die junge Frau, die sich erstmals um unsere Blumenrabatten kümmert,
erschrak und wollte sofort eingreifen. Ich sah, wie sie mit einer
Flasche Bier hantierte. Eine Methode, die Schnecken anzieht und
ertrinken lässt. Als wir selbst noch einen Garten pflegten, wurde auch
uns diese Methode empfohlen. Sie missfiel mir aber bald. So setzte ich
nur noch Pflanzen, die von den Schnecken gemieden werden. Es wuchsen bei
uns gleichwohl Blumen, aber nur solche der robusten Art. Keine, die wir
mit Chemie hätten schützen müssen. Darum kannte Letizia, damals
Primarschülerin, die Schneckenplage nicht. Im Nachbarsgarten aber wurden
Körner ausgelegt. Da wurde sie aufmerksam und sehr traurig, dass ein
Massenmord bevorstand. Sie sagte zu mir, sie möchte kein solches Leben
haben, das andere Leben angreifen müsse. Sie sah, wie Pflanzen starben,
weil sie von ihnen angefressen worden sind. Aber es gefiel ihr auch
nicht, wie man jemand in eine Falle lockt und dann umbringt.
Einen ganz anderen Gedanke zu diesem Thema fing ich an einem
Vortrag über Gärten auf. Da war auch eine der Frauen anwesend, die das Labyrinth im Zeughaushof/Kasernenareall
in Zürich einmal im Monat betreut. Sie wurde gefragt, wie sie gegen
Schnecken vorgehe. Ihre Antwort beeindruckte uns alle. Sie sagte, beim
Gärtnern solle man nicht alles für sich beanspruchen. Man müsse teilen.
Teilen, auch mit den Schnecken, die sich an gewissen Pflanzen
verköstigen. Wir müssten auch die Ernte teilen, mit Freude andern davon
etwas weitergeben.
Nun habe ich diesen Labyrinthplatz endlich einmal besucht.
Er existiert schon 22 Jahre, wurde von Frauen erfunden und zum Leben
erweckt. Das Labyrinth als Sinnbild unserer Lebenswege. Mit Umgängen,
die nach und nach ins Zentrum führen. Es ist ein Ort von Frauen für
Frauen geschaffen.

Hier sollen und dürfen sie öffentlich ihre Ideen und Meinungen, ihre Kreativität und ihre Aktivitäten leben. Sie zeigen und in die Welt bringen.
Für das Jahr 2013 sind über 50 verschiedene Veranstaltungen aufgelistet. Diese sind auch im Internet zu finden.
Im Logo für den Labyrinthplatz Zürich erkennen wir die
weibliche Kraft als Tor zum Leben. Sie weist den Weg, der von ihr
ausgeht und in diesem Irrgarten in 7 Umgängen zur Mitte führt. An üppig
blühenden und auch an bereits verblühten Pflanzen vorbei. Hier leben
unterschiedliche Gewächse friedlich nebeneinander. Hoch gewachsene,
kleine mit Bodenhaftung, sperrige grossflächige, bescheidene und solche
mit Darstellungsbedürfnis. Es scheint, dass da keine Platzstreitigkeiten
aufkommen. Es müssen erfahrene Gärtnerinnen mitgewirkt haben, die sie
verhindern konnten.
Der Weg zur Mitte wird links und rechts von diesen Gewächsen
begleitet. Ich ging langsam, blieb wieder stehen, schaute auf die Farben
einzelner Blumen, schaute vorwärts, rückwärts und durchs dichte
Gebüsch. Die Sicht nach innen und nach aussen änderte ständig. Es
mussten auch Entscheidungen gefällt werden. Oft zeigten sich kleine
Steinplatten als symbolische Brücken, um in die nebenan verlaufene
Wegschleife zu wechseln. Eine gewisse persönliche Freiheit ist damit
gegeben. Doch liegt diesem Garten ein harmonisches Muster zugrunde. Wer
ihm folgt, ist im Einklang mit ihm, muss nicht herumirren, kann die
Schönheiten am Weg erkennen.
In der Mitte angekommen, erwartet einen das Steinlabyrinth. Ohne
Blumen, ohne Grün. Es ist leicht zu gehen, leicht zu überschauen.
Beide haben ihren Charme. Beide können uns tiefsinnige Gedanken vermitteln.